Geschlecht, in der Repräsentantin Eva, war ein Unternehmen auf gutes Glück, auf den Kauf, eher hingeworfen als zu Stande ge- bracht, angefangen und nicht vollendet --! Das Weib, dem das eigentliche Geschäft bei der Vermenschlichung der göttlichen Schöpfung anvertrauet ward, sollte die Merkzeichen der Ohnmacht und der Dürftigkeit an sich tragen? Die allmächtige Natur sollte ihre Stellvertrete- rin schwach gelassen haben, um nicht nur schwache Personen ihres eigenen Geschlechtes, sondern auch starke des unsrigen zur Welt zu bringen? Doch scheint es so; und freilich, wenn Erfahrung spricht, muss Vernünftelei schweigen, knieen und anbeten -- Der einzige Winkelzug, der ihr übrig bleibt -- Erfahrung! und was lehrt sie? Das andere Geschlecht sey im Ganzen kleiner, schwächlicher angelegt, besitze weniger körperliche Kräfte, und sey mehrern Krankheiten unterworfen. Bedarf es weiteres Zeugnisses, um die Vernunft zu der Schlussfolge zu bequemen: dies wären Geschlechtsunvollkommenheiten, von welchen die Weiber bei der Ordnung der Dinge nicht
C 2
Geschlecht, in der Repräsentantin Eva, war ein Unternehmen auf gutes Glück, auf den Kauf, eher hingeworfen als zu Stande ge- bracht, angefangen und nicht vollendet —! Das Weib, dem das eigentliche Geschäft bei der Vermenschlichung der göttlichen Schöpfung anvertrauet ward, sollte die Merkzeichen der Ohnmacht und der Dürftigkeit an sich tragen? Die allmächtige Natur sollte ihre Stellvertrete- rin schwach gelassen haben, um nicht nur schwache Personen ihres eigenen Geschlechtes, sondern auch starke des unsrigen zur Welt zu bringen? Doch scheint es so; und freilich, wenn Erfahrung spricht, muſs Vernünftelei schweigen, knieen und anbeten — Der einzige Winkelzug, der ihr übrig bleibt — Erfahrung! und was lehrt sie? Das andere Geschlecht sey im Ganzen kleiner, schwächlicher angelegt, besitze weniger körperliche Kräfte, und sey mehrern Krankheiten unterworfen. Bedarf es weiteres Zeugnisses, um die Vernunft zu der Schluſsfolge zu bequemen: dies wären Geschlechtsunvollkommenheiten, von welchen die Weiber bei der Ordnung der Dinge nicht
C 2
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0043"n="35"/>
Geschlecht, in der Repräsentantin <hirendition="#i">Eva</hi>, war<lb/>
ein Unternehmen auf gutes Glück, auf den<lb/>
Kauf, eher hingeworfen als zu Stande ge-<lb/>
bracht, angefangen und nicht vollendet —!<lb/>
Das Weib, dem das eigentliche Geschäft bei<lb/>
der Vermenschlichung der göttlichen Schöpfung<lb/>
anvertrauet ward, sollte die Merkzeichen der<lb/>
Ohnmacht und der Dürftigkeit an sich tragen?<lb/>
Die allmächtige Natur sollte ihre Stellvertrete-<lb/>
rin schwach gelassen haben, um nicht nur<lb/><hirendition="#i">schwache</hi> Personen ihres <hirendition="#i">eigenen</hi> Geschlechtes,<lb/>
sondern auch <hirendition="#i">starke</hi> des <hirendition="#i">unsrigen</hi> zur Welt zu<lb/>
bringen? Doch scheint es so; und freilich,<lb/>
wenn Erfahrung spricht, muſs Vernünftelei<lb/>
schweigen, knieen und anbeten — Der einzige<lb/>
Winkelzug, der ihr übrig bleibt — Erfahrung!<lb/>
und was lehrt sie? Das andere Geschlecht sey<lb/>
im Ganzen kleiner, schwächlicher angelegt,<lb/>
besitze weniger körperliche Kräfte, und sey<lb/>
mehrern Krankheiten unterworfen. Bedarf<lb/>
es weiteres Zeugnisses, um die Vernunft zu<lb/>
der Schluſsfolge zu bequemen: dies wären<lb/>
Geschlechtsunvollkommenheiten, von welchen<lb/>
die Weiber bei der Ordnung der Dinge nicht<lb/><fwplace="bottom"type="sig">C 2</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[35/0043]
Geschlecht, in der Repräsentantin Eva, war
ein Unternehmen auf gutes Glück, auf den
Kauf, eher hingeworfen als zu Stande ge-
bracht, angefangen und nicht vollendet —!
Das Weib, dem das eigentliche Geschäft bei
der Vermenschlichung der göttlichen Schöpfung
anvertrauet ward, sollte die Merkzeichen der
Ohnmacht und der Dürftigkeit an sich tragen?
Die allmächtige Natur sollte ihre Stellvertrete-
rin schwach gelassen haben, um nicht nur
schwache Personen ihres eigenen Geschlechtes,
sondern auch starke des unsrigen zur Welt zu
bringen? Doch scheint es so; und freilich,
wenn Erfahrung spricht, muſs Vernünftelei
schweigen, knieen und anbeten — Der einzige
Winkelzug, der ihr übrig bleibt — Erfahrung!
und was lehrt sie? Das andere Geschlecht sey
im Ganzen kleiner, schwächlicher angelegt,
besitze weniger körperliche Kräfte, und sey
mehrern Krankheiten unterworfen. Bedarf
es weiteres Zeugnisses, um die Vernunft zu
der Schluſsfolge zu bequemen: dies wären
Geschlechtsunvollkommenheiten, von welchen
die Weiber bei der Ordnung der Dinge nicht
C 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/43>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.