jenen Verfasser hat. In der Schriftstellerwelt giebt es keinen Erbadel; und warum will man die gelehrte Republik in einen monarchischen, wo nicht gar despotischen, Staat umwälzen? warum nicht Jeden bei so viel Freiheit, wie nur mensch- und politisch-möglich ist, lassen? Da giebt es denn aber Kraftgenies ohne Ge- nie, ohne genialische Anlage und Nachdruck, die im Gefühl ihrer Geistesarmuth Anekdoten haschen, um unter Gelehrten die Gelehrten zu spielen, die sie nicht sind, und die sie ohne wundervolle Pfingst-Inspiration auch nicht werden können! Ein Pfeifer und Gei- ger, ein Flöter und Trommeter glaubt taktlos sich für Kant und Wieland in Einer Person ausgeben zu können, ob er sich gleich begnü- gen sollte, die Mauern von Jericho umzubla- sen und die Steine tanzen zu lassen. Voll Vademecums-Belägen wissen dergleichen Mas- ken -- und was denn? was unter braven wak- kern Gelehrten der wenigste Kummer ist; -- allein dafür sind jene Kraftmänner auch vor aller andern Hypochondrie, als der, die aus Unwissenheit entspriesst, und die mit
jenen Verfasser hat. In der Schriftstellerwelt giebt es keinen Erbadel; und warum will man die gelehrte Republik in einen monarchischen, wo nicht gar despotischen, Staat umwälzen? warum nicht Jeden bei so viel Freiheit, wie nur mensch- und politisch-möglich ist, lassen? Da giebt es denn aber Kraftgenies ohne Ge- nie, ohne genialische Anlage und Nachdruck, die im Gefühl ihrer Geistesarmuth Anekdoten haschen, um unter Gelehrten die Gelehrten zu spielen, die sie nicht sind, und die sie ohne wundervolle Pfingst-Inspiration auch nicht werden können! Ein Pfeifer und Gei- ger, ein Flöter und Trommeter glaubt taktlos sich für Kant und Wieland in Einer Person ausgeben zu können, ob er sich gleich begnü- gen sollte, die Mauern von Jericho umzubla- sen und die Steine tanzen zu lassen. Voll Vademecums-Belägen wissen dergleichen Mas- ken — und was denn? was unter braven wak- kern Gelehrten der wenigste Kummer ist; — allein dafür sind jene Kraftmänner auch vor aller andern Hypochondrie, als der, die aus Unwissenheit entsprieſst, und die mit
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0430"n="422"/>
jenen Verfasser hat. In der Schriftstellerwelt<lb/>
giebt es keinen Erbadel; und warum will man<lb/>
die gelehrte Republik in einen monarchischen,<lb/>
wo nicht gar despotischen, Staat umwälzen?<lb/>
warum nicht Jeden bei so viel Freiheit, wie<lb/>
nur mensch- und politisch-möglich ist, lassen?<lb/>
Da giebt es denn aber Kraftgenies ohne Ge-<lb/>
nie, ohne genialische Anlage und Nachdruck,<lb/>
die im Gefühl ihrer Geistesarmuth Anekdoten<lb/>
haschen, um unter Gelehrten die Gelehrten<lb/>
zu spielen, die sie nicht sind, und die sie<lb/>
ohne wundervolle Pfingst-Inspiration auch<lb/>
nicht werden können! Ein Pfeifer und Gei-<lb/>
ger, ein Flöter und Trommeter glaubt taktlos<lb/>
sich für <hirendition="#i">Kant</hi> und <hirendition="#i">Wieland</hi> in Einer Person<lb/>
ausgeben zu können, ob er sich gleich begnü-<lb/>
gen sollte, die Mauern von Jericho umzubla-<lb/>
sen und die Steine tanzen zu lassen. Voll<lb/>
Vademecums-Belägen wissen dergleichen Mas-<lb/>
ken — und was denn? was unter braven wak-<lb/>
kern Gelehrten der wenigste Kummer ist; —<lb/>
allein dafür sind jene Kraftmänner auch vor<lb/>
aller andern Hypochondrie, als der, die<lb/>
aus Unwissenheit entsprieſst, und die mit<lb/></p></div></body></text></TEI>
[422/0430]
jenen Verfasser hat. In der Schriftstellerwelt
giebt es keinen Erbadel; und warum will man
die gelehrte Republik in einen monarchischen,
wo nicht gar despotischen, Staat umwälzen?
warum nicht Jeden bei so viel Freiheit, wie
nur mensch- und politisch-möglich ist, lassen?
Da giebt es denn aber Kraftgenies ohne Ge-
nie, ohne genialische Anlage und Nachdruck,
die im Gefühl ihrer Geistesarmuth Anekdoten
haschen, um unter Gelehrten die Gelehrten
zu spielen, die sie nicht sind, und die sie
ohne wundervolle Pfingst-Inspiration auch
nicht werden können! Ein Pfeifer und Gei-
ger, ein Flöter und Trommeter glaubt taktlos
sich für Kant und Wieland in Einer Person
ausgeben zu können, ob er sich gleich begnü-
gen sollte, die Mauern von Jericho umzubla-
sen und die Steine tanzen zu lassen. Voll
Vademecums-Belägen wissen dergleichen Mas-
ken — und was denn? was unter braven wak-
kern Gelehrten der wenigste Kummer ist; —
allein dafür sind jene Kraftmänner auch vor
aller andern Hypochondrie, als der, die
aus Unwissenheit entsprieſst, und die mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/430>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.