Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Vermögen beschränken, weil sie dieselben
für schwach und unvermögend, ihr eigenes
Beste wahrzunehmen, erklären; so verpflich-
tet sie sich halten, das ganze Geschlecht zu
einer immerwährenden Vormundschaft zu ver-
stossen: so schnell hört doch diese Schwäche
auf Schwäche zu seyn, so bald von Verbre-
chen und Strafen die Rede ist; beide Ge-
schlechter werden mit einem und demselben
Masse gemessen -- und in der Kirche, in
den Gerichtshöfen, (hoffentlich auch im Him-
mel) ist kein Ansehen der Person zwischen
Mann und Weib: sie sind einerlei Leib und
einerlei Seele. Ehre dem Divus Justinianus,
der, mit mehr Zusammenhang als unsere Ge-
setzgeber, wegen der gröbsten Vergehungen
dem schönen Geschlechte keine Zurechnung
zumuthete, und es über alle Strafen wegsetz-
te! -- Nach seiner Meinung war ein Weib
so gut, dass es zu nichts taugte, wogegen es
bei uns doch wenigstens einer Bestrafung --
welch ein Vorzug! -- würdig geachtet wird.
Bei uns steht es unter dem Gesetze; bei ihm
stand es nur unter der Gnade. -- Wahrlich!

E 3

Vermögen beschränken, weil sie dieselben
für schwach und unvermögend, ihr eigenes
Beste wahrzunehmen, erklären; so verpflich-
tet sie sich halten, das ganze Geschlecht zu
einer immerwährenden Vormundschaft zu ver-
stoſsen: so schnell hört doch diese Schwäche
auf Schwäche zu seyn, so bald von Verbre-
chen und Strafen die Rede ist; beide Ge-
schlechter werden mit einem und demselben
Maſse gemessen — und in der Kirche, in
den Gerichtshöfen, (hoffentlich auch im Him-
mel) ist kein Ansehen der Person zwischen
Mann und Weib: sie sind einerlei Leib und
einerlei Seele. Ehre dem Divus Justinianus,
der, mit mehr Zusammenhang als unsere Ge-
setzgeber, wegen der gröbsten Vergehungen
dem schönen Geschlechte keine Zurechnung
zumuthete, und es über alle Strafen wegsetz-
te! — Nach seiner Meinung war ein Weib
so gut, daſs es zu nichts taugte, wogegen es
bei uns doch wenigstens einer Bestrafung —
welch ein Vorzug! — würdig geachtet wird.
Bei uns steht es unter dem Gesetze; bei ihm
stand es nur unter der Gnade. — Wahrlich!

E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0077" n="69"/>
Vermögen beschränken, weil sie dieselben<lb/>
für schwach und unvermögend, ihr eigenes<lb/>
Beste wahrzunehmen, erklären; so verpflich-<lb/>
tet sie sich halten, das ganze Geschlecht zu<lb/>
einer immerwährenden Vormundschaft zu ver-<lb/>
sto&#x017F;sen: so schnell hört doch diese Schwäche<lb/>
auf Schwäche zu seyn, so bald von Verbre-<lb/>
chen und Strafen die Rede ist; beide Ge-<lb/>
schlechter werden mit einem und demselben<lb/>
Ma&#x017F;se gemessen &#x2014; und in der Kirche, in<lb/>
den Gerichtshöfen, (hoffentlich auch im Him-<lb/>
mel) ist kein Ansehen der Person zwischen<lb/>
Mann und Weib: sie sind einerlei Leib und<lb/>
einerlei Seele. Ehre dem <hi rendition="#i">Divus Justinianus,</hi><lb/>
der, mit mehr Zusammenhang als unsere Ge-<lb/>
setzgeber, wegen der gröbsten Vergehungen<lb/>
dem schönen Geschlechte keine Zurechnung<lb/>
zumuthete, und es über alle Strafen wegsetz-<lb/>
te! &#x2014; Nach seiner Meinung war ein Weib<lb/>
so gut, da&#x017F;s es zu nichts taugte, wogegen es<lb/>
bei uns doch wenigstens einer Bestrafung &#x2014;<lb/>
welch ein Vorzug! &#x2014; würdig geachtet wird.<lb/>
Bei uns steht es unter dem Gesetze; bei ihm<lb/>
stand es nur unter der Gnade. &#x2014; Wahrlich!<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 3</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0077] Vermögen beschränken, weil sie dieselben für schwach und unvermögend, ihr eigenes Beste wahrzunehmen, erklären; so verpflich- tet sie sich halten, das ganze Geschlecht zu einer immerwährenden Vormundschaft zu ver- stoſsen: so schnell hört doch diese Schwäche auf Schwäche zu seyn, so bald von Verbre- chen und Strafen die Rede ist; beide Ge- schlechter werden mit einem und demselben Maſse gemessen — und in der Kirche, in den Gerichtshöfen, (hoffentlich auch im Him- mel) ist kein Ansehen der Person zwischen Mann und Weib: sie sind einerlei Leib und einerlei Seele. Ehre dem Divus Justinianus, der, mit mehr Zusammenhang als unsere Ge- setzgeber, wegen der gröbsten Vergehungen dem schönen Geschlechte keine Zurechnung zumuthete, und es über alle Strafen wegsetz- te! — Nach seiner Meinung war ein Weib so gut, daſs es zu nichts taugte, wogegen es bei uns doch wenigstens einer Bestrafung — welch ein Vorzug! — würdig geachtet wird. Bei uns steht es unter dem Gesetze; bei ihm stand es nur unter der Gnade. — Wahrlich! E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/77
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/77>, abgerufen am 25.11.2024.