Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.der Alten und der Neuen. hören, von einem Frühling zum andern in ihrem Reiz aufzublühen. Wie wenigehaben z. B. vor und nach dem berühmten Anson die bezaubernden Annehmlichkeiten empfunden, die der Insel Juan Fernandez *) eigen sind! Und wie sehr fand sich nicht dieser Britte und seine Gesellschaft von ihr entzückt! Die Wälder, welche die meisten der steilsten Berge bedeckten, waren frey von allem kleinen Gebüsch und Ge- sträuch, und an allen Orten zugänglich. Die Unregelmäßigkeit der Berge und Ab- gründe bildete in der nordlichen Gegend der Insel durch eine mannigfaltige Zusam- mensetzung viele Thäler von einer romantischen Lage; durch die meisten floß ein sehr lauterer Strom, dessen Fälle zuweilen von einem Felsen zum andern herabstürzten. In diesen Thälern gab es besondere Plätze, wo der Schatten und Wohlgeruch naher Wälder, die Höhe überhängender Felsen, der häufige Fall und die Durchsichtigkeit benachbarter Ströme, Schauplätze von einer solchen Zierlichkeit und Würde darstell- ten, denen jede andere Gegend der Erdkugel nicht leicht gleich kommen wird. Die bloßen Werke der von allem Beystand entblößten Natur schienen hier alle Beschrei- bung der lebhaftesten Einbildungskraft zu übertreffen. Der Platz, worauf Anson sein Zelt aufschlagen ließ, zelchnete sich vor den übrigen durch seine Schönheit aus. Es war ein kleiner anmuthiger Grasplatz auf einem gemächlichen Abhange, ohnge- fähr eine halbe englische Meile von der See entfernt. Vorne war ein breiter Gang durch die Wälder nach der Seeseite zu gehauen, der sanft nach dem Wasser hin ab- wärts gieng, und die Aussicht nach der Bay auf die vor Anker liegenden Schiffe er- öffnete. Hinter sich hatte der Grasplatz zur Bedeckung einen hohen Myrthenwald, der rund herum gezogen war. Der Abhang, auf dem der Wald stand, gieng viel steiler aufwärts, als der Grasplatz selbst, jedoch nicht so hoch, daß nicht noch die landeinwärts gelegenen Felsen und Berge sich weit über der Bäume Gipfel aufge- thürmt und die Größe des Anblicks vermehrt hätten. Ohngefähr hundert Ellen weit an der rechten und linken Seite des Zelts flossen, durch Bäume beschattet, zwey Ströme mit krystallenem Wasser, die den Grasplatz an jeder Seite umgaben. Das sanfte Gemurmel entfernter Bäche, der Gesang der zwischen Myrthen sitzenden Vö- gel, der liebliche Geruch der Gewürzbäume, der überall die Luft erfüllte, alles dieses vermehrte die Anmuth dieser glücklichen Insel. Auch Peru hat nach dem neuesten Berichte des ehrlichen Bayers **) nicht auch *) Historischer Bericht der von den Engländern geschehenen Reisen um die Welt etc. Aus dem Engl. 1775. 2ter B. S. 419. u. f. **) Reise nach Peru (in den Jahren 1750-1770.) 1776. S. 137.
der Alten und der Neuen. hoͤren, von einem Fruͤhling zum andern in ihrem Reiz aufzubluͤhen. Wie wenigehaben z. B. vor und nach dem beruͤhmten Anſon die bezaubernden Annehmlichkeiten empfunden, die der Inſel Juan Fernandez *) eigen ſind! Und wie ſehr fand ſich nicht dieſer Britte und ſeine Geſellſchaft von ihr entzuͤckt! Die Waͤlder, welche die meiſten der ſteilſten Berge bedeckten, waren frey von allem kleinen Gebuͤſch und Ge- ſtraͤuch, und an allen Orten zugaͤnglich. Die Unregelmaͤßigkeit der Berge und Ab- gruͤnde bildete in der nordlichen Gegend der Inſel durch eine mannigfaltige Zuſam- menſetzung viele Thaͤler von einer romantiſchen Lage; durch die meiſten floß ein ſehr lauterer Strom, deſſen Faͤlle zuweilen von einem Felſen zum andern herabſtuͤrzten. In dieſen Thaͤlern gab es beſondere Plaͤtze, wo der Schatten und Wohlgeruch naher Waͤlder, die Hoͤhe uͤberhaͤngender Felſen, der haͤufige Fall und die Durchſichtigkeit benachbarter Stroͤme, Schauplaͤtze von einer ſolchen Zierlichkeit und Wuͤrde darſtell- ten, denen jede andere Gegend der Erdkugel nicht leicht gleich kommen wird. Die bloßen Werke der von allem Beyſtand entbloͤßten Natur ſchienen hier alle Beſchrei- bung der lebhafteſten Einbildungskraft zu uͤbertreffen. Der Platz, worauf Anſon ſein Zelt aufſchlagen ließ, zelchnete ſich vor den uͤbrigen durch ſeine Schoͤnheit aus. Es war ein kleiner anmuthiger Grasplatz auf einem gemaͤchlichen Abhange, ohnge- faͤhr eine halbe engliſche Meile von der See entfernt. Vorne war ein breiter Gang durch die Waͤlder nach der Seeſeite zu gehauen, der ſanft nach dem Waſſer hin ab- waͤrts gieng, und die Ausſicht nach der Bay auf die vor Anker liegenden Schiffe er- oͤffnete. Hinter ſich hatte der Grasplatz zur Bedeckung einen hohen Myrthenwald, der rund herum gezogen war. Der Abhang, auf dem der Wald ſtand, gieng viel ſteiler aufwaͤrts, als der Grasplatz ſelbſt, jedoch nicht ſo hoch, daß nicht noch die landeinwaͤrts gelegenen Felſen und Berge ſich weit uͤber der Baͤume Gipfel aufge- thuͤrmt und die Groͤße des Anblicks vermehrt haͤtten. Ohngefaͤhr hundert Ellen weit an der rechten und linken Seite des Zelts floſſen, durch Baͤume beſchattet, zwey Stroͤme mit kryſtallenem Waſſer, die den Grasplatz an jeder Seite umgaben. Das ſanfte Gemurmel entfernter Baͤche, der Geſang der zwiſchen Myrthen ſitzenden Voͤ- gel, der liebliche Geruch der Gewuͤrzbaͤume, der uͤberall die Luft erfuͤllte, alles dieſes vermehrte die Anmuth dieſer gluͤcklichen Inſel. Auch Peru hat nach dem neueſten Berichte des ehrlichen Bayers **) nicht auch *) Hiſtoriſcher Bericht der von den Englaͤndern geſchehenen Reiſen um die Welt ꝛc. Aus dem Engl. 1775. 2ter B. S. 419. u. f. **) Reiſe nach Peru (in den Jahren 1750-1770.) 1776. S. 137.
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0125" n="111"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Alten und der Neuen.</hi></fw><lb/> hoͤren, von einem Fruͤhling zum andern in ihrem Reiz aufzubluͤhen. Wie wenige<lb/> haben z. B. vor und nach dem beruͤhmten <hi rendition="#fr">Anſon</hi> die bezaubernden Annehmlichkeiten<lb/> empfunden, die der Inſel <hi rendition="#fr">Juan Fernandez</hi> <note place="foot" n="*)">Hiſtoriſcher Bericht der von den Englaͤndern geſchehenen Reiſen um die Welt ꝛc.<lb/> Aus dem Engl. 1775. 2ter B. S. 419. u. f.</note> eigen ſind! Und wie ſehr fand ſich<lb/> nicht dieſer <hi rendition="#fr">Britte</hi> und ſeine Geſellſchaft von ihr entzuͤckt! Die Waͤlder, welche die<lb/> meiſten der ſteilſten Berge bedeckten, waren frey von allem kleinen Gebuͤſch und Ge-<lb/> ſtraͤuch, und an allen Orten zugaͤnglich. Die Unregelmaͤßigkeit der Berge und Ab-<lb/> gruͤnde bildete in der nordlichen Gegend der Inſel durch eine mannigfaltige Zuſam-<lb/> menſetzung viele Thaͤler von einer romantiſchen Lage; durch die meiſten floß ein ſehr<lb/> lauterer Strom, deſſen Faͤlle zuweilen von einem Felſen zum andern herabſtuͤrzten.<lb/> In dieſen Thaͤlern gab es beſondere Plaͤtze, wo der Schatten und Wohlgeruch naher<lb/> Waͤlder, die Hoͤhe uͤberhaͤngender Felſen, der haͤufige Fall und die Durchſichtigkeit<lb/> benachbarter Stroͤme, Schauplaͤtze von einer ſolchen Zierlichkeit und Wuͤrde darſtell-<lb/> ten, denen jede andere Gegend der Erdkugel nicht leicht gleich kommen wird. Die<lb/> bloßen Werke der von allem Beyſtand entbloͤßten Natur ſchienen hier alle Beſchrei-<lb/> bung der lebhafteſten Einbildungskraft zu uͤbertreffen. Der Platz, worauf <hi rendition="#fr">Anſon</hi><lb/> ſein Zelt aufſchlagen ließ, zelchnete ſich vor den uͤbrigen durch ſeine Schoͤnheit aus.<lb/> Es war ein kleiner anmuthiger Grasplatz auf einem gemaͤchlichen Abhange, ohnge-<lb/> faͤhr eine halbe engliſche Meile von der See entfernt. Vorne war ein breiter Gang<lb/> durch die Waͤlder nach der Seeſeite zu gehauen, der ſanft nach dem Waſſer hin ab-<lb/> waͤrts gieng, und die Ausſicht nach der Bay auf die vor Anker liegenden Schiffe er-<lb/> oͤffnete. Hinter ſich hatte der Grasplatz zur Bedeckung einen hohen Myrthenwald,<lb/> der rund herum gezogen war. Der Abhang, auf dem der Wald ſtand, gieng viel<lb/> ſteiler aufwaͤrts, als der Grasplatz ſelbſt, jedoch nicht ſo hoch, daß nicht noch die<lb/> landeinwaͤrts gelegenen Felſen und Berge ſich weit uͤber der Baͤume Gipfel aufge-<lb/> thuͤrmt und die Groͤße des Anblicks vermehrt haͤtten. Ohngefaͤhr hundert Ellen weit<lb/> an der rechten und linken Seite des Zelts floſſen, durch Baͤume beſchattet, zwey<lb/> Stroͤme mit kryſtallenem Waſſer, die den Grasplatz an jeder Seite umgaben. Das<lb/> ſanfte Gemurmel entfernter Baͤche, der Geſang der zwiſchen Myrthen ſitzenden Voͤ-<lb/> gel, der liebliche Geruch der Gewuͤrzbaͤume, der uͤberall die Luft erfuͤllte, alles dieſes<lb/> vermehrte die Anmuth dieſer gluͤcklichen Inſel.</p><lb/> <p>Auch <hi rendition="#fr">Peru</hi> hat nach dem neueſten Berichte des ehrlichen <hi rendition="#fr">Bayers</hi> <note place="foot" n="**)">Reiſe nach Peru (in den Jahren 1750-1770.) 1776. S. 137.</note> nicht<lb/> blos fruchtbare Felder, vortreffliche Arten von Obſtbaͤumen und Blumen, ſondern<lb/> <fw place="bottom" type="catch">auch</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [111/0125]
der Alten und der Neuen.
hoͤren, von einem Fruͤhling zum andern in ihrem Reiz aufzubluͤhen. Wie wenige
haben z. B. vor und nach dem beruͤhmten Anſon die bezaubernden Annehmlichkeiten
empfunden, die der Inſel Juan Fernandez *) eigen ſind! Und wie ſehr fand ſich
nicht dieſer Britte und ſeine Geſellſchaft von ihr entzuͤckt! Die Waͤlder, welche die
meiſten der ſteilſten Berge bedeckten, waren frey von allem kleinen Gebuͤſch und Ge-
ſtraͤuch, und an allen Orten zugaͤnglich. Die Unregelmaͤßigkeit der Berge und Ab-
gruͤnde bildete in der nordlichen Gegend der Inſel durch eine mannigfaltige Zuſam-
menſetzung viele Thaͤler von einer romantiſchen Lage; durch die meiſten floß ein ſehr
lauterer Strom, deſſen Faͤlle zuweilen von einem Felſen zum andern herabſtuͤrzten.
In dieſen Thaͤlern gab es beſondere Plaͤtze, wo der Schatten und Wohlgeruch naher
Waͤlder, die Hoͤhe uͤberhaͤngender Felſen, der haͤufige Fall und die Durchſichtigkeit
benachbarter Stroͤme, Schauplaͤtze von einer ſolchen Zierlichkeit und Wuͤrde darſtell-
ten, denen jede andere Gegend der Erdkugel nicht leicht gleich kommen wird. Die
bloßen Werke der von allem Beyſtand entbloͤßten Natur ſchienen hier alle Beſchrei-
bung der lebhafteſten Einbildungskraft zu uͤbertreffen. Der Platz, worauf Anſon
ſein Zelt aufſchlagen ließ, zelchnete ſich vor den uͤbrigen durch ſeine Schoͤnheit aus.
Es war ein kleiner anmuthiger Grasplatz auf einem gemaͤchlichen Abhange, ohnge-
faͤhr eine halbe engliſche Meile von der See entfernt. Vorne war ein breiter Gang
durch die Waͤlder nach der Seeſeite zu gehauen, der ſanft nach dem Waſſer hin ab-
waͤrts gieng, und die Ausſicht nach der Bay auf die vor Anker liegenden Schiffe er-
oͤffnete. Hinter ſich hatte der Grasplatz zur Bedeckung einen hohen Myrthenwald,
der rund herum gezogen war. Der Abhang, auf dem der Wald ſtand, gieng viel
ſteiler aufwaͤrts, als der Grasplatz ſelbſt, jedoch nicht ſo hoch, daß nicht noch die
landeinwaͤrts gelegenen Felſen und Berge ſich weit uͤber der Baͤume Gipfel aufge-
thuͤrmt und die Groͤße des Anblicks vermehrt haͤtten. Ohngefaͤhr hundert Ellen weit
an der rechten und linken Seite des Zelts floſſen, durch Baͤume beſchattet, zwey
Stroͤme mit kryſtallenem Waſſer, die den Grasplatz an jeder Seite umgaben. Das
ſanfte Gemurmel entfernter Baͤche, der Geſang der zwiſchen Myrthen ſitzenden Voͤ-
gel, der liebliche Geruch der Gewuͤrzbaͤume, der uͤberall die Luft erfuͤllte, alles dieſes
vermehrte die Anmuth dieſer gluͤcklichen Inſel.
Auch Peru hat nach dem neueſten Berichte des ehrlichen Bayers **) nicht
blos fruchtbare Felder, vortreffliche Arten von Obſtbaͤumen und Blumen, ſondern
auch
*) Hiſtoriſcher Bericht der von den Englaͤndern geſchehenen Reiſen um die Welt ꝛc.
Aus dem Engl. 1775. 2ter B. S. 419. u. f.
**) Reiſe nach Peru (in den Jahren 1750-1770.) 1776. S. 137.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |