Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.und des neuen Geschmacks in den Gärten. Statuen, steinerne Arkaden, die an Pavillons stoßen, Grotten mit Springwasserund Muschelwerk fehlten hier nicht. Nach solchem Muster müsse man Gärten bauen; je regelmäßiger, desto schöner. -- Doch die Finsterniß dieser Vorurtheile ward von einer schwachen Dämmerung erhellt. Es kann Gärten geben, sagte Tem- ple, die nichts von Regelmäßigkeit haben, und dennoch angenehmer und schöner aus- fallen; dazu wird eine vortheilhafte Lage und sodann Kunst und Fleiß erfordert, um das Unregelmäßige so zu bearbeiten, daß es eine Gestalt erhält, die immer sehr an- genehm ist. Er verwarf dabey die nackten Mauern, womit eine alte Gewohnheit die Gärten einsperrte; sie müßten, um die häßliche Wirkung zu verlieren, bekleidet wer- den. So weit Temple und weiter nicht. Aber Addison [Spaltenumbruch]
*) folgte, und führte das, was Pope **) fast zu eben der Zeit Lust- *) 414 St. des Zuschauers. **) 173 Blatt des Aufsehers, und in [Spaltenumbruch] seinem Briefe über den falschen Geschmack an den Grafen von Burlington. Q 3
und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten. Statuen, ſteinerne Arkaden, die an Pavillons ſtoßen, Grotten mit Springwaſſerund Muſchelwerk fehlten hier nicht. Nach ſolchem Muſter muͤſſe man Gaͤrten bauen; je regelmaͤßiger, deſto ſchoͤner. — Doch die Finſterniß dieſer Vorurtheile ward von einer ſchwachen Daͤmmerung erhellt. Es kann Gaͤrten geben, ſagte Tem- ple, die nichts von Regelmaͤßigkeit haben, und dennoch angenehmer und ſchoͤner aus- fallen; dazu wird eine vortheilhafte Lage und ſodann Kunſt und Fleiß erfordert, um das Unregelmaͤßige ſo zu bearbeiten, daß es eine Geſtalt erhaͤlt, die immer ſehr an- genehm iſt. Er verwarf dabey die nackten Mauern, womit eine alte Gewohnheit die Gaͤrten einſperrte; ſie muͤßten, um die haͤßliche Wirkung zu verlieren, bekleidet wer- den. So weit Temple und weiter nicht. Aber Addiſon [Spaltenumbruch]
*) folgte, und fuͤhrte das, was Pope **) faſt zu eben der Zeit Luſt- *) 414 St. des Zuſchauers. **) 173 Blatt des Aufſehers, und in [Spaltenumbruch] ſeinem Briefe uͤber den falſchen Geſchmack an den Grafen von Burlington. Q 3
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und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten.
Statuen, ſteinerne Arkaden, die an Pavillons ſtoßen, Grotten mit Springwaſſer
und Muſchelwerk fehlten hier nicht. Nach ſolchem Muſter muͤſſe man Gaͤrten
bauen; je regelmaͤßiger, deſto ſchoͤner. — Doch die Finſterniß dieſer Vorurtheile
ward von einer ſchwachen Daͤmmerung erhellt. Es kann Gaͤrten geben, ſagte Tem-
ple, die nichts von Regelmaͤßigkeit haben, und dennoch angenehmer und ſchoͤner aus-
fallen; dazu wird eine vortheilhafte Lage und ſodann Kunſt und Fleiß erfordert, um
das Unregelmaͤßige ſo zu bearbeiten, daß es eine Geſtalt erhaͤlt, die immer ſehr an-
genehm iſt. Er verwarf dabey die nackten Mauern, womit eine alte Gewohnheit die
Gaͤrten einſperrte; ſie muͤßten, um die haͤßliche Wirkung zu verlieren, bekleidet wer-
den. So weit Temple und weiter nicht.
Aber Addiſon
*) folgte, und fuͤhrte das, was Pope **) faſt zu eben der Zeit
durch feinen Spott zu bewirken ſuchte, durch ſeine maͤnnliche Beurtheilung und ſeinen
claſſiſchen Geſchmack der Vollendung naͤher entgegen. Von dieſer Zeit an erhob
ſich eine merkliche Revolution in der Gartenkunſt. Addiſon zeigte zuvoͤrderſt, worin
die wahren Vergnuͤgungen der Einbildungskraft beſtehen; und daraus leitete er rich-
tige Anmerkungen uͤber die falſche Manier, die damals noch uͤberall herrſchte. Die
Werke der Kunſt, behauptete er, ſind in Vergleichung mit den Werken der Natur
ſehr mangelhaft; ſie koͤnnen nichts von der Weite und Unermeßlichkeit haben, die
dem Geiſte des Zuſchauers ein ſo großes Vergnuͤgen verſchaffen. Man trifft in den
rauhen ſorgloſen Zuͤgen der Natur weit mehr Kuͤhnes und Meiſterhaftes an, als in
den niedlichen Strichen und Verzierungen der Kunſt. Die Schoͤnheiten des ſtatt-
lichſten Gartens oder Palaſts liegen in einem engen Bezirke; die Einbildungskraft
laͤuft ſogleich daruͤber hin und verlangt noch etwas zu ihrer Befriedigung. Aber in
den weiten Gefilden der Natur ſtreift das Auge hin und wieder ohne Graͤnzen, und
wird von einer unendlichen Mannigfaltigkeit von Bildern, ohne ein gewiſſes Maaß
oder eine Zahl, geſaͤttigt. Wir koͤnnen verſichert ſeyn, daß ſelbſt kuͤnſtliche Werke
einen großen Vortheil von der Gleichheit erhalten, die ſie mit Werken der Natur
haben, weil hier nicht allein die Gleichheit ergoͤtzend, ſondern auch das Muſter ſehr
vollkommen iſt. Ueberhaupt befindet ſich in der Natur etwas Groͤßeres und Herrli-
cheres, als in den Seltenheiten der Kunſt; ſehen wir nur einige gluͤckliche Nachah-
mung davon, ſo giebt uns der Anblick eine edlere Art des Vergnuͤgens, als wir von
den feinen und genauern Werken der Kunſt erhalten. Ein weitgeſtreckter Boden
mit einer anmuthigen Vermiſchung von Garten und Wald bedeckt, der uͤberall eine
kuͤnſtliche Rauhigkeit vorſtellet, reizt mehr, als die gewoͤhnliche Zierlichkeit in den
Luſt-
*) 414 St. des Zuſchauers.
**) 173 Blatt des Aufſehers, und in
ſeinem Briefe uͤber den falſchen Geſchmack
an den Grafen von Burlington.
Q 3
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