Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.Zweyter Abschnitt. Untersuchung des alten sind mit Kunst angebracht, um den Spaziergang zu verlängern, das Ufer derInsel zu verbergen, ihren scheinbaren Umfang zu erweitern, ohne daß man je- doch unbequeme und allzuhäufige Umwege nehmen müßte." -- Nach dieser Beschreibung machte Rousseau eine kleine Ausschweifung zu der alt- Dieses Beyspiels und dieser Erinnerungen ungeachtet schien der reinere Ge- gelassen, *) Les Jardins d'ornemens, ou les Georgiques francoises. Nouveau Poeme en quatre chants, Paris 1758. par M. Gouge de Cessierres. 8. **) Horti. ***) Praedium rusticum.
Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des alten ſind mit Kunſt angebracht, um den Spaziergang zu verlaͤngern, das Ufer derInſel zu verbergen, ihren ſcheinbaren Umfang zu erweitern, ohne daß man je- doch unbequeme und allzuhaͤufige Umwege nehmen muͤßte.“ — Nach dieſer Beſchreibung machte Rouſſeau eine kleine Ausſchweifung zu der alt- Dieſes Beyſpiels und dieſer Erinnerungen ungeachtet ſchien der reinere Ge- gelaſſen, *) Les Jardins d’ornemens, ou les Géorgiques françoiſes. Nouveau Poëme en quatre chants, Paris 1758. par M. Gouge de Ceſſierres. 8. **) Horti. ***) Praedium ruſticum.
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Zweyter Abſchnitt. Unterſuchung des alten
ſind mit Kunſt angebracht, um den Spaziergang zu verlaͤngern, das Ufer der
Inſel zu verbergen, ihren ſcheinbaren Umfang zu erweitern, ohne daß man je-
doch unbequeme und allzuhaͤufige Umwege nehmen muͤßte.“ —
Nach dieſer Beſchreibung machte Rouſſeau eine kleine Ausſchweifung zu der alt-
franzoͤſiſchen Gartenmanier, beſtrafte mit einem bittern Spott die gewoͤhnlichen Ver-
unſtaltungen der Baͤume, die ſymmetriſchen Kuͤnſteleyen und ekelhaften Verzierun-
gen. „Man ſollte glauben,“ fuhr er fort, „die Natur ſey in Frankreich anders,
als in der ganzen uͤbrigen Welt beſchaffen; ſo ſehr ſorgt man dort dafuͤr, ſie zu ent-
ſtellen. Die Parks ſind nur aus langen Stangen gepflanzt; es ſind Waͤlder von
Maſtbaͤumen; und man ſpazieret dort mitten in Gehoͤlzen, ohne Schatten zu finden.
Man bauet Plaͤtze, an die niemand gehen, und die man ſtets ungeduldig verlaſſen
wird, um auf das Feld zu kommen; eine traurige Gegend, wo man nicht ſpazieren,
ſondern durchgehen wird, einen Spaziergang aufzuſuchen. Der Irrthum gewiſſer
Leute, die Geſchmack vorgeben, iſt, daß ſie uͤberall Kunſt fordern, und nur dann zu-
frieden ſind, wenn ſie hervorſticht; da hingegen wahrer Geſchmack darin beſteht, die
Kunſt zu verbergen, zumal wenn von Naturwerken die Rede iſt. Ein Mann von
Geſchmack aber, der da lebt, um zu leben, der ſeiner ſelbſt zu genießen weiß, wird
ſeinen Garten ſo bequem und anmuthig einrichten, daß es ihm zu allen Stunden des
Tages da gefallen koͤnne; zugleich aber ſo einfaͤltig und natuͤrlich, daß er nichts ge-
than zu haben ſcheine. Er wird Gruͤn, Waſſer, Schatten und Kuͤhle vereinigen;
denn das alles vereiniget auch die Natur. Er wird nirgends Ebenmaaß anbringen;
dieſes iſt ein Feind der Natur und der Mannigfaltigkeit. —
Dieſes Beyſpiels und dieſer Erinnerungen ungeachtet ſchien der reinere Ge-
ſchmack, den ein ſo angeſehener Schriftſteller empfahl, doch noch keinen merklichen
Fortgang zu gewinnen. Was ſpaͤter hin, wie eine ploͤtzliche Revolution, blos durch
Nachahmungsſucht erfolgte, ſchien durch eigene Ueberlegung nicht bewirkt werden zu
koͤnnen. Selbſt einige Schriftſteller, die den beſſern Weg ſuchten, traten noch hin
und wieder auf eine falſche Spur. Ceſſierres wagte ſelbſt ein Lehrgedicht. *) Lange
vor ihm hatten Rapin **) und Vaniere ***) etwas aͤhnliches verſucht; allein ſie
waren blos bey dem Nutzbaren, bey oͤkonomiſcher Gaͤrtnerey und Landwirthſchaft ſte-
hen geblieben, ohne ſich uͤber die Anlegung ſchoͤner Luſtplaͤtze zu verbreiten, ohne ſich
in einigen wenigen Stellen, die dahin einſchlugen, uͤber den Geſchmack ihrer Zeit zu
erheben. Ceſſierres wollte den angenehmern Theil, den ihm ſeine Vorgaͤnger uͤbrig
gelaſſen,
*) Les Jardins d’ornemens, ou les Géorgiques françoiſes. Nouveau Poëme en
quatre chants, Paris 1758. par M. Gouge de Ceſſierres. 8.
**) Horti.
***) Praedium ruſticum.
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