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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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und des neuen Geschmacks in den Gärten.
gern und so oft die Schönheiten der Natur besangen, erinnerte sich kaum einer, eben
diese Schönheiten in die Gärten zurückzurufen. Geßner *) war fast der einzige,
der einen lehrreichen Wink gab. Sein Jäger Aeschines, der dankbar den jungen
Hirten Menalkas in die Stadt zu kommen bittet, will ihm unter andern die Gärten
empfehlen. "Dort hat man auch," sagt er, "Bäume und Blumen; dort hat sie
die Kunst in gerade Gänge gepflanzet, und in schön geordnete Beeten gesammelt;
dort hat man auch Quellen; Männer und Nymphen von Marmor gießen sie in große
marmorne Becken." Allein Menalk, ein Freund der unverstellten Natur, antwortet:
"Schöner ist der ungekünftelte schattige Hain mit seinen gekrümmten Gängen;
schöner sind die Wiesen mit tausendfältigen Blumen geschmückt; ich hab auch
Blumen um die Hütte gepflanzet, Majoran und Lilien und Rosen; und o!
wie schön sind die Quellen, wenn sie aus Klippen sprudeln, oder aus dem Ge-
büsche von Hügeln fallen, und dann durch blumige Wiesen sich schlängeln!" --

Nicht weniger getreu der Natur schilderte der Dichter den ländlichen Garten, der mit
zu dem Plan der Glückseligkeit gehörte, die seine Muse wünschte:
"Hinten am Hause sey mein geraumer Garten, wo einfältige Kunst den ange-
nehmen Phantasien der Natur mit gehorsamer Hülfe beysteht, nicht aufrüh-
risch sie zum dienstbaren Stoff sich macht, in groteske Bilder sie zu schaffen.
Wände von Nußstrauch umzäunen ihn, und in jeder Ecke steht eine grüne
Hütte von wilden Rosinen; dahin würd ich oft den Stralen der Sonn entwei-
chen, oder sehen, wie der braune Gärtner die Beeten umgräbt, um schmackhafte
Gartengewächse zu säen; oder ich hülf ihm die flatternden Gewächse an Stäben
aufbinden, oder der Rosenstauden warten, und der zerstreuten Nelken und Li-
lien. Außen am Garten müßt ein klarer Bach meine grasreiche Wiese durch-
schlängeln; er schlängelte sich dann durch den schattigen Hain fruchtbarer Bäu-
me, von jungen zarten Stämmen durchmischet. Ich würd ihn in der Mitte
zu einem kleinen Teich sich sammeln lassen, und in des Teiches Mitte baute
ich eine Laube auf eine kleine aufgeworfene Insel; zöge sich dann noch ein kleiner
Rebberg an der Seite in die offene Gegend hinaus, und ein kleines Feld mit
winkenden Aehren, wäre der reichste König dann gegen mich beneidenswerth? --
Was entzücket mehr als die schöne Natur, wenn sie in harmonischer Unord-
nung ihre unendlich mannigfaltigen Schönheiten verwindet? Zu kühner Mensch,
was unterwindest du dich, die Natur durch weither nachahmende Künste zu
schmücken? Baue Labyrinthe von grünen Wänden, und laß den gespitzten Ta-
xus in abgemessener Weite emporstehen; die Gänge seyn reiner Sand, daß

kein
*) S. seine Idyllen: Menalkas und Aeschines; der Wunsch.

und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten.
gern und ſo oft die Schoͤnheiten der Natur beſangen, erinnerte ſich kaum einer, eben
dieſe Schoͤnheiten in die Gaͤrten zuruͤckzurufen. Geßner *) war faſt der einzige,
der einen lehrreichen Wink gab. Sein Jaͤger Aeſchines, der dankbar den jungen
Hirten Menalkas in die Stadt zu kommen bittet, will ihm unter andern die Gaͤrten
empfehlen. „Dort hat man auch,“ ſagt er, „Baͤume und Blumen; dort hat ſie
die Kunſt in gerade Gaͤnge gepflanzet, und in ſchoͤn geordnete Beeten geſammelt;
dort hat man auch Quellen; Maͤnner und Nymphen von Marmor gießen ſie in große
marmorne Becken.“ Allein Menalk, ein Freund der unverſtellten Natur, antwortet:
„Schoͤner iſt der ungekuͤnftelte ſchattige Hain mit ſeinen gekruͤmmten Gaͤngen;
ſchoͤner ſind die Wieſen mit tauſendfaͤltigen Blumen geſchmuͤckt; ich hab auch
Blumen um die Huͤtte gepflanzet, Majoran und Lilien und Roſen; und o!
wie ſchoͤn ſind die Quellen, wenn ſie aus Klippen ſprudeln, oder aus dem Ge-
buͤſche von Huͤgeln fallen, und dann durch blumige Wieſen ſich ſchlaͤngeln!“ —

Nicht weniger getreu der Natur ſchilderte der Dichter den laͤndlichen Garten, der mit
zu dem Plan der Gluͤckſeligkeit gehoͤrte, die ſeine Muſe wuͤnſchte:
„Hinten am Hauſe ſey mein geraumer Garten, wo einfaͤltige Kunſt den ange-
nehmen Phantaſien der Natur mit gehorſamer Huͤlfe beyſteht, nicht aufruͤh-
riſch ſie zum dienſtbaren Stoff ſich macht, in groteske Bilder ſie zu ſchaffen.
Waͤnde von Nußſtrauch umzaͤunen ihn, und in jeder Ecke ſteht eine gruͤne
Huͤtte von wilden Roſinen; dahin wuͤrd ich oft den Stralen der Sonn entwei-
chen, oder ſehen, wie der braune Gaͤrtner die Beeten umgraͤbt, um ſchmackhafte
Gartengewaͤchſe zu ſaͤen; oder ich huͤlf ihm die flatternden Gewaͤchſe an Staͤben
aufbinden, oder der Roſenſtauden warten, und der zerſtreuten Nelken und Li-
lien. Außen am Garten muͤßt ein klarer Bach meine grasreiche Wieſe durch-
ſchlaͤngeln; er ſchlaͤngelte ſich dann durch den ſchattigen Hain fruchtbarer Baͤu-
me, von jungen zarten Staͤmmen durchmiſchet. Ich wuͤrd ihn in der Mitte
zu einem kleinen Teich ſich ſammeln laſſen, und in des Teiches Mitte baute
ich eine Laube auf eine kleine aufgeworfene Inſel; zoͤge ſich dann noch ein kleiner
Rebberg an der Seite in die offene Gegend hinaus, und ein kleines Feld mit
winkenden Aehren, waͤre der reichſte Koͤnig dann gegen mich beneidenswerth? —
Was entzuͤcket mehr als die ſchoͤne Natur, wenn ſie in harmoniſcher Unord-
nung ihre unendlich mannigfaltigen Schoͤnheiten verwindet? Zu kuͤhner Menſch,
was unterwindeſt du dich, die Natur durch weither nachahmende Kuͤnſte zu
ſchmuͤcken? Baue Labyrinthe von gruͤnen Waͤnden, und laß den geſpitzten Ta-
xus in abgemeſſener Weite emporſtehen; die Gaͤnge ſeyn reiner Sand, daß

kein
*) S. ſeine Idyllen: Menalkas und Aeſchines; der Wunſch.
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[135/0149] und des neuen Geſchmacks in den Gaͤrten. gern und ſo oft die Schoͤnheiten der Natur beſangen, erinnerte ſich kaum einer, eben dieſe Schoͤnheiten in die Gaͤrten zuruͤckzurufen. Geßner *) war faſt der einzige, der einen lehrreichen Wink gab. Sein Jaͤger Aeſchines, der dankbar den jungen Hirten Menalkas in die Stadt zu kommen bittet, will ihm unter andern die Gaͤrten empfehlen. „Dort hat man auch,“ ſagt er, „Baͤume und Blumen; dort hat ſie die Kunſt in gerade Gaͤnge gepflanzet, und in ſchoͤn geordnete Beeten geſammelt; dort hat man auch Quellen; Maͤnner und Nymphen von Marmor gießen ſie in große marmorne Becken.“ Allein Menalk, ein Freund der unverſtellten Natur, antwortet: „Schoͤner iſt der ungekuͤnftelte ſchattige Hain mit ſeinen gekruͤmmten Gaͤngen; ſchoͤner ſind die Wieſen mit tauſendfaͤltigen Blumen geſchmuͤckt; ich hab auch Blumen um die Huͤtte gepflanzet, Majoran und Lilien und Roſen; und o! wie ſchoͤn ſind die Quellen, wenn ſie aus Klippen ſprudeln, oder aus dem Ge- buͤſche von Huͤgeln fallen, und dann durch blumige Wieſen ſich ſchlaͤngeln!“ — Nicht weniger getreu der Natur ſchilderte der Dichter den laͤndlichen Garten, der mit zu dem Plan der Gluͤckſeligkeit gehoͤrte, die ſeine Muſe wuͤnſchte: „Hinten am Hauſe ſey mein geraumer Garten, wo einfaͤltige Kunſt den ange- nehmen Phantaſien der Natur mit gehorſamer Huͤlfe beyſteht, nicht aufruͤh- riſch ſie zum dienſtbaren Stoff ſich macht, in groteske Bilder ſie zu ſchaffen. Waͤnde von Nußſtrauch umzaͤunen ihn, und in jeder Ecke ſteht eine gruͤne Huͤtte von wilden Roſinen; dahin wuͤrd ich oft den Stralen der Sonn entwei- chen, oder ſehen, wie der braune Gaͤrtner die Beeten umgraͤbt, um ſchmackhafte Gartengewaͤchſe zu ſaͤen; oder ich huͤlf ihm die flatternden Gewaͤchſe an Staͤben aufbinden, oder der Roſenſtauden warten, und der zerſtreuten Nelken und Li- lien. Außen am Garten muͤßt ein klarer Bach meine grasreiche Wieſe durch- ſchlaͤngeln; er ſchlaͤngelte ſich dann durch den ſchattigen Hain fruchtbarer Baͤu- me, von jungen zarten Staͤmmen durchmiſchet. Ich wuͤrd ihn in der Mitte zu einem kleinen Teich ſich ſammeln laſſen, und in des Teiches Mitte baute ich eine Laube auf eine kleine aufgeworfene Inſel; zoͤge ſich dann noch ein kleiner Rebberg an der Seite in die offene Gegend hinaus, und ein kleines Feld mit winkenden Aehren, waͤre der reichſte Koͤnig dann gegen mich beneidenswerth? — Was entzuͤcket mehr als die ſchoͤne Natur, wenn ſie in harmoniſcher Unord- nung ihre unendlich mannigfaltigen Schoͤnheiten verwindet? Zu kuͤhner Menſch, was unterwindeſt du dich, die Natur durch weither nachahmende Kuͤnſte zu ſchmuͤcken? Baue Labyrinthe von gruͤnen Waͤnden, und laß den geſpitzten Ta- xus in abgemeſſener Weite emporſtehen; die Gaͤnge ſeyn reiner Sand, daß kein *) S. ſeine Idyllen: Menalkas und Aeſchines; der Wunſch.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/149>, abgerufen am 25.11.2024.