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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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der schönen ländlichen Natur überhaupt.
5) Er studire die Sympathie der Farben, und suche unter verwandten Gat-
tungen eine solche Mischung und Verbindung hervorzubringen, daß eine vollstän-
dige Harmonie daraus entstehe. Er merke nicht blos, welche Wirkung die Ver-
bindung der Farben in der Nähe und in dem gegenwärtigen Zeitpunkt thut, son-
dern auch, welche sie in einer gewissen Entfernung, in dem Fortlauf der Jahres-
zeiten, und selbst nach einigen Jahren haben werde.
6) Er gebe, so viel als möglich, seinen Gegenständen, den natürlichen sowohl
als den künstlichen, einen solchen Ort, eine solche Stellung, daß sie entweder durch
die geradezu gehende Erleuchtung, oder durch die gebrochenen Einfälle des Son-
nenlichts, wie es Lage und Absicht zulassen und erfordern, sich in einer größern
Schönheit erheben. Eine Regel von Wichtigkeit, wogegen aber fast täglich ge-
sündigt wird. Er stelle die vom Thau befeuchtete Blumenflur dem Morgenlichte
entgegen, und lasse das Bad im Gebüsche von den sanften Blicken der entweichen-
den Sonne vergülden.

Das Sonnenlicht bietet eine Menge von unerkannten Schönheiten für die Gar-
tengegenstände an. Man begnügt sich zu wissen, daß man ihm wehren kann, um
Schutz vor den heißen Stralen zu erhalten; man denkt mit einer gemeinen instinct-
mäßigen Sorge, die auch der Bewohner des Waldes besitzt, auf Bequemlichkeit.
Allein man vergißt, wie man das gemäßigte Licht zur Verschönerung der Gegenstände
herbeylocken und vertheilen kann; eine Kunst, die der Gartenkünstler dem Landschaft-
maler nicht allein überlassen sollte.

2.
Bewegung.

In Bewegung kann überhaupt schon Schönheit seyn, weil darin Mannigfal-
tigkeit und Abwechselung statt findet. In landschaftlichen Gegenständen ist die Be-
wegung unentbehrlich, wenn sie einen dauerhaften Eindruck machen sollen. Die
herrlichste Aussicht in eine reizende Gegend wird bald anfangen, uns schwächer zu be-
schäftigen, wenn sie lauter ruhende und unbewegliche Gegenstände enthält, wenn
nichts erscheint, das die einförmige Stille unterbricht und irgend ein Leben verkündigt.
Diese Bemerkung haben die größten Landschaftmaler verstanden, die doch in Anse-
hung der hervorzubringenden Bewegung dem Gartenkünstler weit nachstehen müssen,
die Bewegung blos andeuten, nicht aber vor die Empfindung bringen können. Sie
beleben daher ihre Landschaften bald mit Hirten, bald mit Reisenden, bald mit einer
umherirrenden Heerde, bald mit dem Flug der Vögel; sie lassen den Wind in dem
Laube wehen, den Wasserfall stürzen, und aus den Hütten Rauch emporwallen;

kurz,
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der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt.
5) Er ſtudire die Sympathie der Farben, und ſuche unter verwandten Gat-
tungen eine ſolche Miſchung und Verbindung hervorzubringen, daß eine vollſtaͤn-
dige Harmonie daraus entſtehe. Er merke nicht blos, welche Wirkung die Ver-
bindung der Farben in der Naͤhe und in dem gegenwaͤrtigen Zeitpunkt thut, ſon-
dern auch, welche ſie in einer gewiſſen Entfernung, in dem Fortlauf der Jahres-
zeiten, und ſelbſt nach einigen Jahren haben werde.
6) Er gebe, ſo viel als moͤglich, ſeinen Gegenſtaͤnden, den natuͤrlichen ſowohl
als den kuͤnſtlichen, einen ſolchen Ort, eine ſolche Stellung, daß ſie entweder durch
die geradezu gehende Erleuchtung, oder durch die gebrochenen Einfaͤlle des Son-
nenlichts, wie es Lage und Abſicht zulaſſen und erfordern, ſich in einer groͤßern
Schoͤnheit erheben. Eine Regel von Wichtigkeit, wogegen aber faſt taͤglich ge-
ſuͤndigt wird. Er ſtelle die vom Thau befeuchtete Blumenflur dem Morgenlichte
entgegen, und laſſe das Bad im Gebuͤſche von den ſanften Blicken der entweichen-
den Sonne verguͤlden.

Das Sonnenlicht bietet eine Menge von unerkannten Schoͤnheiten fuͤr die Gar-
tengegenſtaͤnde an. Man begnuͤgt ſich zu wiſſen, daß man ihm wehren kann, um
Schutz vor den heißen Stralen zu erhalten; man denkt mit einer gemeinen inſtinct-
maͤßigen Sorge, die auch der Bewohner des Waldes beſitzt, auf Bequemlichkeit.
Allein man vergißt, wie man das gemaͤßigte Licht zur Verſchoͤnerung der Gegenſtaͤnde
herbeylocken und vertheilen kann; eine Kunſt, die der Gartenkuͤnſtler dem Landſchaft-
maler nicht allein uͤberlaſſen ſollte.

2.
Bewegung.

In Bewegung kann uͤberhaupt ſchon Schoͤnheit ſeyn, weil darin Mannigfal-
tigkeit und Abwechſelung ſtatt findet. In landſchaftlichen Gegenſtaͤnden iſt die Be-
wegung unentbehrlich, wenn ſie einen dauerhaften Eindruck machen ſollen. Die
herrlichſte Ausſicht in eine reizende Gegend wird bald anfangen, uns ſchwaͤcher zu be-
ſchaͤftigen, wenn ſie lauter ruhende und unbewegliche Gegenſtaͤnde enthaͤlt, wenn
nichts erſcheint, das die einfoͤrmige Stille unterbricht und irgend ein Leben verkuͤndigt.
Dieſe Bemerkung haben die groͤßten Landſchaftmaler verſtanden, die doch in Anſe-
hung der hervorzubringenden Bewegung dem Gartenkuͤnſtler weit nachſtehen muͤſſen,
die Bewegung blos andeuten, nicht aber vor die Empfindung bringen koͤnnen. Sie
beleben daher ihre Landſchaften bald mit Hirten, bald mit Reiſenden, bald mit einer
umherirrenden Heerde, bald mit dem Flug der Voͤgel; ſie laſſen den Wind in dem
Laube wehen, den Waſſerfall ſtuͤrzen, und aus den Huͤtten Rauch emporwallen;

kurz,
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[171/0185] der ſchoͤnen laͤndlichen Natur uͤberhaupt. 5) Er ſtudire die Sympathie der Farben, und ſuche unter verwandten Gat- tungen eine ſolche Miſchung und Verbindung hervorzubringen, daß eine vollſtaͤn- dige Harmonie daraus entſtehe. Er merke nicht blos, welche Wirkung die Ver- bindung der Farben in der Naͤhe und in dem gegenwaͤrtigen Zeitpunkt thut, ſon- dern auch, welche ſie in einer gewiſſen Entfernung, in dem Fortlauf der Jahres- zeiten, und ſelbſt nach einigen Jahren haben werde. 6) Er gebe, ſo viel als moͤglich, ſeinen Gegenſtaͤnden, den natuͤrlichen ſowohl als den kuͤnſtlichen, einen ſolchen Ort, eine ſolche Stellung, daß ſie entweder durch die geradezu gehende Erleuchtung, oder durch die gebrochenen Einfaͤlle des Son- nenlichts, wie es Lage und Abſicht zulaſſen und erfordern, ſich in einer groͤßern Schoͤnheit erheben. Eine Regel von Wichtigkeit, wogegen aber faſt taͤglich ge- ſuͤndigt wird. Er ſtelle die vom Thau befeuchtete Blumenflur dem Morgenlichte entgegen, und laſſe das Bad im Gebuͤſche von den ſanften Blicken der entweichen- den Sonne verguͤlden. Das Sonnenlicht bietet eine Menge von unerkannten Schoͤnheiten fuͤr die Gar- tengegenſtaͤnde an. Man begnuͤgt ſich zu wiſſen, daß man ihm wehren kann, um Schutz vor den heißen Stralen zu erhalten; man denkt mit einer gemeinen inſtinct- maͤßigen Sorge, die auch der Bewohner des Waldes beſitzt, auf Bequemlichkeit. Allein man vergißt, wie man das gemaͤßigte Licht zur Verſchoͤnerung der Gegenſtaͤnde herbeylocken und vertheilen kann; eine Kunſt, die der Gartenkuͤnſtler dem Landſchaft- maler nicht allein uͤberlaſſen ſollte. 2. Bewegung. In Bewegung kann uͤberhaupt ſchon Schoͤnheit ſeyn, weil darin Mannigfal- tigkeit und Abwechſelung ſtatt findet. In landſchaftlichen Gegenſtaͤnden iſt die Be- wegung unentbehrlich, wenn ſie einen dauerhaften Eindruck machen ſollen. Die herrlichſte Ausſicht in eine reizende Gegend wird bald anfangen, uns ſchwaͤcher zu be- ſchaͤftigen, wenn ſie lauter ruhende und unbewegliche Gegenſtaͤnde enthaͤlt, wenn nichts erſcheint, das die einfoͤrmige Stille unterbricht und irgend ein Leben verkuͤndigt. Dieſe Bemerkung haben die groͤßten Landſchaftmaler verſtanden, die doch in Anſe- hung der hervorzubringenden Bewegung dem Gartenkuͤnſtler weit nachſtehen muͤſſen, die Bewegung blos andeuten, nicht aber vor die Empfindung bringen koͤnnen. Sie beleben daher ihre Landſchaften bald mit Hirten, bald mit Reiſenden, bald mit einer umherirrenden Heerde, bald mit dem Flug der Voͤgel; ſie laſſen den Wind in dem Laube wehen, den Waſſerfall ſtuͤrzen, und aus den Huͤtten Rauch emporwallen; kurz, Y 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/185>, abgerufen am 24.11.2024.