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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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Erster Abschnitt. Von den Gegenständen
V.
Vom Contrast.

Contrast, eine Art von Abwechselung, die aus der Vergleichung eines Gegenstan-
des mit einem andern ihm unähnlichen entspringt, ist ein Mittel, sehr lebhafte
Bewegungen hervorzubringen, und den Einwirkungen der Gegenstände stärkern
Nachdruck zu geben. Die Natur bedient sich desselben in ihren herrlichsten Landschaf-
ten; und verständige Maler haben in ausgedehnten Stücken mit Vo[r]theil ihre Vor-
bildung genutzt. Man wird nicht leicht eine trefflichere Schilderung von einer aus-
gebreiteten Landschaft finden, worin die Gegenstände stark contrastiren, als die ist,
welche Brydone von der Gegend um Neapel giebt. *)

"Wir befanden uns bald, mitten in dem Meerbusen von Neapel, von den
schönsten Aussichten und Schauplätzen von der Welt umgeben. Der ganze Raum
des Meerbusens, der mit allen seinen Krümmungen und Ungleichheiten einen weiten
Umfang hat, erhält durch alle die Reichthümer der Kunst und der Natur eine so wun-
derbare Mannigfaltigkeit, daß fast nichts fehlt, um das Schauspiel ganz vollkommen
zu machen; und es ist schwer zu sagen, ob die Aussicht wegen der Sonderbarkeit vie-
ler dieser Gegenstände, oder wegen der unglaublichen Mannigfaltigkeit des Ganzen
angenehmer sey. Eine bewundernswürdige Vermischung von Altem und Neuem,
von Dingen, wovon einige sich emporheben und berühmt werden, und andere zu
Grunde gehen; Paläste, die sich über den Spitzen anderer Paläste erheben, und alte
Pracht und Herrlichkeit, die von neuerer Thorheit unter die Füße getreten wird; we-
gen ihrer Fruchtbarkeit ehemals berühmte Berge und Inseln, die in kahle unfrucht-
bare Wüsteneyen, und unfruchtbare Wüsteneyen, die in fruchtbare Felder und reiche
Weinberge verwandelt sind; Berge, die zu Ebenen herabgesunken, und Ebenen, die
zu Bergen aufgeschwollen; Seen, die von Vulcanen ausgetrocknet, und ausgelöschte
Vulcane, die zu Seen geworden sind. Die Natur scheint diese Küste in ihrer son-
derbarsten Laune gebildet zu haben; jeder Gegenstand, den man hier erblickt, ist ein
Spiel der Natur. Sie scheint nirgends ernsthaft zu Werke gegangen zu seyn, son-
dern diesen ganzen Fleck der unumschränktesten Aeußerung ihres Eigensinnes und ihrer
Lustigkeit gewidmet zu haben. Ein wenig nach Westen liegen die Inseln Ischia,
Procita
und Nisida; das berühmte misenische Vorgebirge; die Gefilde von Baja,
Cuma
und Puzzoli; die so malerisch gelegene Stadt Puzzoli mit dem über ihr
rauchenden Solfatara; das schöne Vorgebirge Pansilipo, welches das angenehmste

Schau-
*) Reise durch Sicilien und Malta etc. Aus dem Engl. 1ster Th. 2ter Br. 8. 1774.
Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤnden
V.
Vom Contraſt.

Contraſt, eine Art von Abwechſelung, die aus der Vergleichung eines Gegenſtan-
des mit einem andern ihm unaͤhnlichen entſpringt, iſt ein Mittel, ſehr lebhafte
Bewegungen hervorzubringen, und den Einwirkungen der Gegenſtaͤnde ſtaͤrkern
Nachdruck zu geben. Die Natur bedient ſich deſſelben in ihren herrlichſten Landſchaf-
ten; und verſtaͤndige Maler haben in ausgedehnten Stuͤcken mit Vo[r]theil ihre Vor-
bildung genutzt. Man wird nicht leicht eine trefflichere Schilderung von einer aus-
gebreiteten Landſchaft finden, worin die Gegenſtaͤnde ſtark contraſtiren, als die iſt,
welche Brydone von der Gegend um Neapel giebt. *)

„Wir befanden uns bald, mitten in dem Meerbuſen von Neapel, von den
ſchoͤnſten Ausſichten und Schauplaͤtzen von der Welt umgeben. Der ganze Raum
des Meerbuſens, der mit allen ſeinen Kruͤmmungen und Ungleichheiten einen weiten
Umfang hat, erhaͤlt durch alle die Reichthuͤmer der Kunſt und der Natur eine ſo wun-
derbare Mannigfaltigkeit, daß faſt nichts fehlt, um das Schauſpiel ganz vollkommen
zu machen; und es iſt ſchwer zu ſagen, ob die Ausſicht wegen der Sonderbarkeit vie-
ler dieſer Gegenſtaͤnde, oder wegen der unglaublichen Mannigfaltigkeit des Ganzen
angenehmer ſey. Eine bewundernswuͤrdige Vermiſchung von Altem und Neuem,
von Dingen, wovon einige ſich emporheben und beruͤhmt werden, und andere zu
Grunde gehen; Palaͤſte, die ſich uͤber den Spitzen anderer Palaͤſte erheben, und alte
Pracht und Herrlichkeit, die von neuerer Thorheit unter die Fuͤße getreten wird; we-
gen ihrer Fruchtbarkeit ehemals beruͤhmte Berge und Inſeln, die in kahle unfrucht-
bare Wuͤſteneyen, und unfruchtbare Wuͤſteneyen, die in fruchtbare Felder und reiche
Weinberge verwandelt ſind; Berge, die zu Ebenen herabgeſunken, und Ebenen, die
zu Bergen aufgeſchwollen; Seen, die von Vulcanen ausgetrocknet, und ausgeloͤſchte
Vulcane, die zu Seen geworden ſind. Die Natur ſcheint dieſe Kuͤſte in ihrer ſon-
derbarſten Laune gebildet zu haben; jeder Gegenſtand, den man hier erblickt, iſt ein
Spiel der Natur. Sie ſcheint nirgends ernſthaft zu Werke gegangen zu ſeyn, ſon-
dern dieſen ganzen Fleck der unumſchraͤnkteſten Aeußerung ihres Eigenſinnes und ihrer
Luſtigkeit gewidmet zu haben. Ein wenig nach Weſten liegen die Inſeln Iſchia,
Procita
und Niſida; das beruͤhmte miſeniſche Vorgebirge; die Gefilde von Baja,
Cuma
und Puzzoli; die ſo maleriſch gelegene Stadt Puzzoli mit dem uͤber ihr
rauchenden Solfatara; das ſchoͤne Vorgebirge Panſilipo, welches das angenehmſte

Schau-
*) Reiſe durch Sicilien und Malta ꝛc. Aus dem Engl. 1ſter Th. 2ter Br. 8. 1774.
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[180/0194] Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤnden V. Vom Contraſt. Contraſt, eine Art von Abwechſelung, die aus der Vergleichung eines Gegenſtan- des mit einem andern ihm unaͤhnlichen entſpringt, iſt ein Mittel, ſehr lebhafte Bewegungen hervorzubringen, und den Einwirkungen der Gegenſtaͤnde ſtaͤrkern Nachdruck zu geben. Die Natur bedient ſich deſſelben in ihren herrlichſten Landſchaf- ten; und verſtaͤndige Maler haben in ausgedehnten Stuͤcken mit Vortheil ihre Vor- bildung genutzt. Man wird nicht leicht eine trefflichere Schilderung von einer aus- gebreiteten Landſchaft finden, worin die Gegenſtaͤnde ſtark contraſtiren, als die iſt, welche Brydone von der Gegend um Neapel giebt. *) „Wir befanden uns bald, mitten in dem Meerbuſen von Neapel, von den ſchoͤnſten Ausſichten und Schauplaͤtzen von der Welt umgeben. Der ganze Raum des Meerbuſens, der mit allen ſeinen Kruͤmmungen und Ungleichheiten einen weiten Umfang hat, erhaͤlt durch alle die Reichthuͤmer der Kunſt und der Natur eine ſo wun- derbare Mannigfaltigkeit, daß faſt nichts fehlt, um das Schauſpiel ganz vollkommen zu machen; und es iſt ſchwer zu ſagen, ob die Ausſicht wegen der Sonderbarkeit vie- ler dieſer Gegenſtaͤnde, oder wegen der unglaublichen Mannigfaltigkeit des Ganzen angenehmer ſey. Eine bewundernswuͤrdige Vermiſchung von Altem und Neuem, von Dingen, wovon einige ſich emporheben und beruͤhmt werden, und andere zu Grunde gehen; Palaͤſte, die ſich uͤber den Spitzen anderer Palaͤſte erheben, und alte Pracht und Herrlichkeit, die von neuerer Thorheit unter die Fuͤße getreten wird; we- gen ihrer Fruchtbarkeit ehemals beruͤhmte Berge und Inſeln, die in kahle unfrucht- bare Wuͤſteneyen, und unfruchtbare Wuͤſteneyen, die in fruchtbare Felder und reiche Weinberge verwandelt ſind; Berge, die zu Ebenen herabgeſunken, und Ebenen, die zu Bergen aufgeſchwollen; Seen, die von Vulcanen ausgetrocknet, und ausgeloͤſchte Vulcane, die zu Seen geworden ſind. Die Natur ſcheint dieſe Kuͤſte in ihrer ſon- derbarſten Laune gebildet zu haben; jeder Gegenſtand, den man hier erblickt, iſt ein Spiel der Natur. Sie ſcheint nirgends ernſthaft zu Werke gegangen zu ſeyn, ſon- dern dieſen ganzen Fleck der unumſchraͤnkteſten Aeußerung ihres Eigenſinnes und ihrer Luſtigkeit gewidmet zu haben. Ein wenig nach Weſten liegen die Inſeln Iſchia, Procita und Niſida; das beruͤhmte miſeniſche Vorgebirge; die Gefilde von Baja, Cuma und Puzzoli; die ſo maleriſch gelegene Stadt Puzzoli mit dem uͤber ihr rauchenden Solfatara; das ſchoͤne Vorgebirge Panſilipo, welches das angenehmſte Schau- *) Reiſe durch Sicilien und Malta ꝛc. Aus dem Engl. 1ſter Th. 2ter Br. 8. 1774.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/194>, abgerufen am 23.11.2024.