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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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Erster Abschnitt. Von den Gegenständen
2) Man suche nicht zu ängstlich und nicht überall Gegenstellung in den Gär-
ten anzubringen. Die Beobachtung der Natur lehrt uns, daß sie sich einer ge-
wissen bedächtigen Nachläßigkeit überläßt, wenn sie Gegenstände mit einander
in einen Contrast setzt, und daß sie nicht an allen Stellen Ungleichheit und auffal-
lende Abstechung hinzulegen bemühet ist, sondern vielmehr oft eine Reihe von ähn-
lichen Scenen folgen läßt. Das Widerspiel würde nur zu dem Seltsamen und
Gezwungenen verleiten.
3) Der Contrast kann statt haben entweder bey Gegenständen, die von einer
ganz entgegengesetzten Art und Beschaffenheit sind, oder bey Gegenständen von
einer Art, die nur in Ansehung ihrer Eigenschaften unähnlich sind. Die erste
Art des Contrastes wirkt freylich stärker; allein sie ist mit vieler Vorsicht auf einem
Gartenplatz anzubringen, weil der Gartenkünstler sich leicht verirren kann, Ge-
genstände aufzustellen, die nicht mit dem Ganzen harmoniren, und wohl gar die
Hauptbewegung stören. Dieser Contrast herrscht vornehmlich in Landschaften,
und kann auch in ausgedehnten Parks sehr leicht seine Stelle erhalten. Die an-
dere Art des Contrastes ist gewöhnlicher in eingeschränktern Gärten, aber von einer
schwächern Wirkung. Man suche, so viel es der Raum und die Bestimmung
des Gartens, die man nie aus dem Gesichte verlieren soll, verstatten, beyde Arten
des Contrastes geschickt mit einander zu vereinigen.
4) Weil man oft der ersten Art des Contrastes gar zu anhängig war, so sind
dadurch die sonderbarsten Uebertreibungen entstanden. Man wollte gewisse ro-
mantische Scenen der Natur nachahmen, die sie nur hie und da als Spiele ihrer
Laune zu bilden pflegt, und man verfiel in das Abgeschmackte; zumal da man an-
fieng, aus dem, was bey der Natur nur seltene Erscheinung ist, ein eigenes Haupt-
werk zu machen. Dieser Tadel trifft nicht unsre gewöhnlichen Gärten, die noch
weit davon entfernt sind, sondern einige Parks der Engländer und am meisten
die Gärten der Chineser, wie man sie uns wenigstens beschreibt. Daß diese die
Gegeneinandersetzung nach der Zügellosigkeit des orientalischen Geschmacks über-
treiben mögen, darüber darf man sich nicht wundern; aber wohl darüber, daß
Chambers diese Ausschweifung billigt.

"Den angenehmen Scenen," sagt er, "setzen die Chineser die fürchterlichen
entgegen. Diese sind eine Zusammensetzung düsterer Gehölze, tiefer, der Sonne un-
zugänglicher Thäler, überhangender unfruchtbarer Felsen, dunkler Höhlen und unge-
stümer Wasserfälle, die sich von allen Seiten von den Bergen herabstürzen. Die
Bäume sind übel gestaltet, aus ihrem natürlichen Wachsthum herausgezwungen,
und dem Anscheine nach von der Gewalt der Gewitter zerrissen. Einige sind ausge-

rissen
Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤnden
2) Man ſuche nicht zu aͤngſtlich und nicht uͤberall Gegenſtellung in den Gaͤr-
ten anzubringen. Die Beobachtung der Natur lehrt uns, daß ſie ſich einer ge-
wiſſen bedaͤchtigen Nachlaͤßigkeit uͤberlaͤßt, wenn ſie Gegenſtaͤnde mit einander
in einen Contraſt ſetzt, und daß ſie nicht an allen Stellen Ungleichheit und auffal-
lende Abſtechung hinzulegen bemuͤhet iſt, ſondern vielmehr oft eine Reihe von aͤhn-
lichen Scenen folgen laͤßt. Das Widerſpiel wuͤrde nur zu dem Seltſamen und
Gezwungenen verleiten.
3) Der Contraſt kann ſtatt haben entweder bey Gegenſtaͤnden, die von einer
ganz entgegengeſetzten Art und Beſchaffenheit ſind, oder bey Gegenſtaͤnden von
einer Art, die nur in Anſehung ihrer Eigenſchaften unaͤhnlich ſind. Die erſte
Art des Contraſtes wirkt freylich ſtaͤrker; allein ſie iſt mit vieler Vorſicht auf einem
Gartenplatz anzubringen, weil der Gartenkuͤnſtler ſich leicht verirren kann, Ge-
genſtaͤnde aufzuſtellen, die nicht mit dem Ganzen harmoniren, und wohl gar die
Hauptbewegung ſtoͤren. Dieſer Contraſt herrſcht vornehmlich in Landſchaften,
und kann auch in ausgedehnten Parks ſehr leicht ſeine Stelle erhalten. Die an-
dere Art des Contraſtes iſt gewoͤhnlicher in eingeſchraͤnktern Gaͤrten, aber von einer
ſchwaͤchern Wirkung. Man ſuche, ſo viel es der Raum und die Beſtimmung
des Gartens, die man nie aus dem Geſichte verlieren ſoll, verſtatten, beyde Arten
des Contraſtes geſchickt mit einander zu vereinigen.
4) Weil man oft der erſten Art des Contraſtes gar zu anhaͤngig war, ſo ſind
dadurch die ſonderbarſten Uebertreibungen entſtanden. Man wollte gewiſſe ro-
mantiſche Scenen der Natur nachahmen, die ſie nur hie und da als Spiele ihrer
Laune zu bilden pflegt, und man verfiel in das Abgeſchmackte; zumal da man an-
fieng, aus dem, was bey der Natur nur ſeltene Erſcheinung iſt, ein eigenes Haupt-
werk zu machen. Dieſer Tadel trifft nicht unſre gewoͤhnlichen Gaͤrten, die noch
weit davon entfernt ſind, ſondern einige Parks der Englaͤnder und am meiſten
die Gaͤrten der Chineſer, wie man ſie uns wenigſtens beſchreibt. Daß dieſe die
Gegeneinanderſetzung nach der Zuͤgelloſigkeit des orientaliſchen Geſchmacks uͤber-
treiben moͤgen, daruͤber darf man ſich nicht wundern; aber wohl daruͤber, daß
Chambers dieſe Ausſchweifung billigt.

„Den angenehmen Scenen,“ ſagt er, „ſetzen die Chineſer die fuͤrchterlichen
entgegen. Dieſe ſind eine Zuſammenſetzung duͤſterer Gehoͤlze, tiefer, der Sonne un-
zugaͤnglicher Thaͤler, uͤberhangender unfruchtbarer Felſen, dunkler Hoͤhlen und unge-
ſtuͤmer Waſſerfaͤlle, die ſich von allen Seiten von den Bergen herabſtuͤrzen. Die
Baͤume ſind uͤbel geſtaltet, aus ihrem natuͤrlichen Wachsthum herausgezwungen,
und dem Anſcheine nach von der Gewalt der Gewitter zerriſſen. Einige ſind ausge-

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[182/0196] Erſter Abſchnitt. Von den Gegenſtaͤnden 2) Man ſuche nicht zu aͤngſtlich und nicht uͤberall Gegenſtellung in den Gaͤr- ten anzubringen. Die Beobachtung der Natur lehrt uns, daß ſie ſich einer ge- wiſſen bedaͤchtigen Nachlaͤßigkeit uͤberlaͤßt, wenn ſie Gegenſtaͤnde mit einander in einen Contraſt ſetzt, und daß ſie nicht an allen Stellen Ungleichheit und auffal- lende Abſtechung hinzulegen bemuͤhet iſt, ſondern vielmehr oft eine Reihe von aͤhn- lichen Scenen folgen laͤßt. Das Widerſpiel wuͤrde nur zu dem Seltſamen und Gezwungenen verleiten. 3) Der Contraſt kann ſtatt haben entweder bey Gegenſtaͤnden, die von einer ganz entgegengeſetzten Art und Beſchaffenheit ſind, oder bey Gegenſtaͤnden von einer Art, die nur in Anſehung ihrer Eigenſchaften unaͤhnlich ſind. Die erſte Art des Contraſtes wirkt freylich ſtaͤrker; allein ſie iſt mit vieler Vorſicht auf einem Gartenplatz anzubringen, weil der Gartenkuͤnſtler ſich leicht verirren kann, Ge- genſtaͤnde aufzuſtellen, die nicht mit dem Ganzen harmoniren, und wohl gar die Hauptbewegung ſtoͤren. Dieſer Contraſt herrſcht vornehmlich in Landſchaften, und kann auch in ausgedehnten Parks ſehr leicht ſeine Stelle erhalten. Die an- dere Art des Contraſtes iſt gewoͤhnlicher in eingeſchraͤnktern Gaͤrten, aber von einer ſchwaͤchern Wirkung. Man ſuche, ſo viel es der Raum und die Beſtimmung des Gartens, die man nie aus dem Geſichte verlieren ſoll, verſtatten, beyde Arten des Contraſtes geſchickt mit einander zu vereinigen. 4) Weil man oft der erſten Art des Contraſtes gar zu anhaͤngig war, ſo ſind dadurch die ſonderbarſten Uebertreibungen entſtanden. Man wollte gewiſſe ro- mantiſche Scenen der Natur nachahmen, die ſie nur hie und da als Spiele ihrer Laune zu bilden pflegt, und man verfiel in das Abgeſchmackte; zumal da man an- fieng, aus dem, was bey der Natur nur ſeltene Erſcheinung iſt, ein eigenes Haupt- werk zu machen. Dieſer Tadel trifft nicht unſre gewoͤhnlichen Gaͤrten, die noch weit davon entfernt ſind, ſondern einige Parks der Englaͤnder und am meiſten die Gaͤrten der Chineſer, wie man ſie uns wenigſtens beſchreibt. Daß dieſe die Gegeneinanderſetzung nach der Zuͤgelloſigkeit des orientaliſchen Geſchmacks uͤber- treiben moͤgen, daruͤber darf man ſich nicht wundern; aber wohl daruͤber, daß Chambers dieſe Ausſchweifung billigt. „Den angenehmen Scenen,“ ſagt er, „ſetzen die Chineſer die fuͤrchterlichen entgegen. Dieſe ſind eine Zuſammenſetzung duͤſterer Gehoͤlze, tiefer, der Sonne un- zugaͤnglicher Thaͤler, uͤberhangender unfruchtbarer Felſen, dunkler Hoͤhlen und unge- ſtuͤmer Waſſerfaͤlle, die ſich von allen Seiten von den Bergen herabſtuͤrzen. Die Baͤume ſind uͤbel geſtaltet, aus ihrem natuͤrlichen Wachsthum herausgezwungen, und dem Anſcheine nach von der Gewalt der Gewitter zerriſſen. Einige ſind ausge- riſſen

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/196>, abgerufen am 23.11.2024.