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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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Zweyter Abschnitt. Von den verschiedenen Charakteren
zumal bey Gewittern und in den Abendstunden; die durchstreifenden Sonnenblicke;
plötzlich einfallende Beleuchtungen und Beschattungen; der Schimmer des Mondes
im vorüberwandelnden Gewölk; die Erheiterungen und Verdüsterungen der Ferne,
die sich nach der Beschaffenheit des Himmels richtet, der seine Gestalten und Lichter
mit ihr verwechselt; der sanfte bläuliche Duft, der über entfernte Aussichten schwebt;
die Spielungen der Farben im Regenbogen; die zwischen dem Grün der Wiese schim-
mernden Sternchen des Morgenthaues; die romantischen Figuren im umherziehenden
Nebel; die spielenden Bewegungen des Laubes und Wassers; die lieblichen Wider-
scheine, die milder und anlockender sind, als der Stral des ursprünglichen Lichts --
Alle diese Veränderungen in der Natur, die wir hier unter dem Namen der Zufällig-
keiten begreifen, scheinen neue Lagen, oft neue Gegenstände selbst zu bilden. Sie
erfrischen durch eine beständige Abwechselung in der Beleuchtung und Beschattung
der Scene, in den Spielungen des Lichts und der Farben; und sind für die Man-
nigfaltigkeit und das Leben in der Landschaft ungemein fruchtbar. Sie überraschen
das erstaunte Auge oft mit Erscheinungen, die sich keine Phantasie blendender, zau-
berischer und vorübereilender bilden kann.

Der Landschaftmaler belauscht die Natur auf ihren geheimsten Wegen, um
diese Zufälligkeiten, die ihr eigen sind, nachzubilden, so weit es der schwachen Kunst
gelingen mag. In der Macht des Gartenkünstlers ist nichts von diesem Zauber;
er muß ihn blos von der Natur erwarten, wenn es ihr gefällt, seine Reviere damit
zu verschönern.

[Abbildung]

II. Cha-

Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakteren
zumal bey Gewittern und in den Abendſtunden; die durchſtreifenden Sonnenblicke;
ploͤtzlich einfallende Beleuchtungen und Beſchattungen; der Schimmer des Mondes
im voruͤberwandelnden Gewoͤlk; die Erheiterungen und Verduͤſterungen der Ferne,
die ſich nach der Beſchaffenheit des Himmels richtet, der ſeine Geſtalten und Lichter
mit ihr verwechſelt; der ſanfte blaͤuliche Duft, der uͤber entfernte Ausſichten ſchwebt;
die Spielungen der Farben im Regenbogen; die zwiſchen dem Gruͤn der Wieſe ſchim-
mernden Sternchen des Morgenthaues; die romantiſchen Figuren im umherziehenden
Nebel; die ſpielenden Bewegungen des Laubes und Waſſers; die lieblichen Wider-
ſcheine, die milder und anlockender ſind, als der Stral des urſpruͤnglichen Lichts —
Alle dieſe Veraͤnderungen in der Natur, die wir hier unter dem Namen der Zufaͤllig-
keiten begreifen, ſcheinen neue Lagen, oft neue Gegenſtaͤnde ſelbſt zu bilden. Sie
erfriſchen durch eine beſtaͤndige Abwechſelung in der Beleuchtung und Beſchattung
der Scene, in den Spielungen des Lichts und der Farben; und ſind fuͤr die Man-
nigfaltigkeit und das Leben in der Landſchaft ungemein fruchtbar. Sie uͤberraſchen
das erſtaunte Auge oft mit Erſcheinungen, die ſich keine Phantaſie blendender, zau-
beriſcher und voruͤbereilender bilden kann.

Der Landſchaftmaler belauſcht die Natur auf ihren geheimſten Wegen, um
dieſe Zufaͤlligkeiten, die ihr eigen ſind, nachzubilden, ſo weit es der ſchwachen Kunſt
gelingen mag. In der Macht des Gartenkuͤnſtlers iſt nichts von dieſem Zauber;
er muß ihn blos von der Natur erwarten, wenn es ihr gefaͤllt, ſeine Reviere damit
zu verſchoͤnern.

[Abbildung]

II. Cha-
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[208/0222] Zweyter Abſchnitt. Von den verſchiedenen Charakteren zumal bey Gewittern und in den Abendſtunden; die durchſtreifenden Sonnenblicke; ploͤtzlich einfallende Beleuchtungen und Beſchattungen; der Schimmer des Mondes im voruͤberwandelnden Gewoͤlk; die Erheiterungen und Verduͤſterungen der Ferne, die ſich nach der Beſchaffenheit des Himmels richtet, der ſeine Geſtalten und Lichter mit ihr verwechſelt; der ſanfte blaͤuliche Duft, der uͤber entfernte Ausſichten ſchwebt; die Spielungen der Farben im Regenbogen; die zwiſchen dem Gruͤn der Wieſe ſchim- mernden Sternchen des Morgenthaues; die romantiſchen Figuren im umherziehenden Nebel; die ſpielenden Bewegungen des Laubes und Waſſers; die lieblichen Wider- ſcheine, die milder und anlockender ſind, als der Stral des urſpruͤnglichen Lichts — Alle dieſe Veraͤnderungen in der Natur, die wir hier unter dem Namen der Zufaͤllig- keiten begreifen, ſcheinen neue Lagen, oft neue Gegenſtaͤnde ſelbſt zu bilden. Sie erfriſchen durch eine beſtaͤndige Abwechſelung in der Beleuchtung und Beſchattung der Scene, in den Spielungen des Lichts und der Farben; und ſind fuͤr die Man- nigfaltigkeit und das Leben in der Landſchaft ungemein fruchtbar. Sie uͤberraſchen das erſtaunte Auge oft mit Erſcheinungen, die ſich keine Phantaſie blendender, zau- beriſcher und voruͤbereilender bilden kann. Der Landſchaftmaler belauſcht die Natur auf ihren geheimſten Wegen, um dieſe Zufaͤlligkeiten, die ihr eigen ſind, nachzubilden, ſo weit es der ſchwachen Kunſt gelingen mag. In der Macht des Gartenkuͤnſtlers iſt nichts von dieſem Zauber; er muß ihn blos von der Natur erwarten, wenn es ihr gefaͤllt, ſeine Reviere damit zu verſchoͤnern. [Abbildung] II. Cha-

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/222>, abgerufen am 22.11.2024.