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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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der Alten und der Neuen.
Erwartung durch, daß jetzt der Geist der Nation sich auch hier einer eigenen Ueber-
legung und Thätigkeit überlassen will, und daß wir Gärten gewinnen werden, die mit
dem Gepräge des deutschen Genies bezeichnet sind.

Wir haben nicht blos Anfänge, wir haben selbst schon einige glückliche Aus-
führungen, die deutsch sind, ob man sie gleich, um sie von der alten Manier zu un-
terscheiden, unter dem Namen engländischer Gärten versteckt. Warum geben wir
ihnen nicht ihren eigenen Namen, den Namen des Landes, der Erfinder? Die
holländische, die französische, die engländische Manier ist bestimmt; man denket
sich bey dem Namen einer jeden schon ihren charakteristischen Unterschied. Und was
kann uns bereden, Nationalanlagen mit einem fremden Namen zu belegen, der sie
für bloße Nachahmungen ausgiebt? Ist es etwa mehr Empfehlung, wenn der
deutsche Fürst einen engländischen, als wenn er einen deutschen Garten hat? Läßt
sich nicht eine Manier gedenken und einführen, die deutsch genug ist, um diesen Na-
men anzunehmen? So viel ist gewiß, daß wir schon wirklich einige Gärten haben,
die zwar in gewissen Theilen dem engländischen Geschmack zugehören, vielleicht selbst
Nachahmungen davon sind, im Ganzen aber das Gepräge eines eigenen von jenem
abweichenden Geistes haben. Einige edle Deutsche, selbst einige vortreffliche Für-
sten, haben sich mit einer seltenen Feinheit des Geschmacks dieses Verdienst zu erwerben
gewürdigt. Und warum dürfte ich hier nicht besonders die jetzt regierenden Fürsten
zu Gotha, Dessau und Carlsruhe mit der wärmsten Verehrung nennen, die eben
den wohlthätigen Geist, womit sie ihre Völker beglücken, auch auf die Verschönerung
der leblosen Natur rings um sich her verbreiten, und gleichsam mit eigenen Händen
die ehrwürdigen Schattenlauben wölben, unter welchen sie nur ausruhen, um sich zu
neuen Geschäften für den Ruhm der Menschheit zu erfrischen?

Deutschland, das die Ehre der Gärten selbst durch die Mitwirkung solcher er-
habenen Kenner sich ausbreiten sieht, könnte sehr leicht eine Menge der schönsten Lust-
plätze gewinnen. Wie viele reizende Gegenden von den Gebirgen in Sachsen bis
zu den Gestaden der Nordsee herunter, in den meisten Provinzen auf allen Seiten,
und besonders an den Ufern der Elbe, des Rheins, des Mayns, Gegenden, wel-
che die herrlichsten Anlagen der Natur enthalten!

Nicht weniger ist besonders dieses mein geliebtes Vaterland, Holstein, mit
Schönheiten geschmückt, die den Fremden einnehmen und den oft umwölkten Augen
des Einwohners unbekannt vorübergehen. Keine steilen Felsgerüste, keine Gebirge,
keine Gegenstände, die Erstaunen einflößen, außer den beyden Meeren, welche die
friedfertigen Ufer dieser Provinz bespülen, und, indem ihre Wellen, durch manches
dahinfliegende Schiff belebt, an den blauen Horizont hinschlagen, Aussichten in das

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I Band. K

der Alten und der Neuen.
Erwartung durch, daß jetzt der Geiſt der Nation ſich auch hier einer eigenen Ueber-
legung und Thaͤtigkeit uͤberlaſſen will, und daß wir Gaͤrten gewinnen werden, die mit
dem Gepraͤge des deutſchen Genies bezeichnet ſind.

Wir haben nicht blos Anfaͤnge, wir haben ſelbſt ſchon einige gluͤckliche Aus-
fuͤhrungen, die deutſch ſind, ob man ſie gleich, um ſie von der alten Manier zu un-
terſcheiden, unter dem Namen englaͤndiſcher Gaͤrten verſteckt. Warum geben wir
ihnen nicht ihren eigenen Namen, den Namen des Landes, der Erfinder? Die
hollaͤndiſche, die franzoͤſiſche, die englaͤndiſche Manier iſt beſtimmt; man denket
ſich bey dem Namen einer jeden ſchon ihren charakteriſtiſchen Unterſchied. Und was
kann uns bereden, Nationalanlagen mit einem fremden Namen zu belegen, der ſie
fuͤr bloße Nachahmungen ausgiebt? Iſt es etwa mehr Empfehlung, wenn der
deutſche Fuͤrſt einen englaͤndiſchen, als wenn er einen deutſchen Garten hat? Laͤßt
ſich nicht eine Manier gedenken und einfuͤhren, die deutſch genug iſt, um dieſen Na-
men anzunehmen? So viel iſt gewiß, daß wir ſchon wirklich einige Gaͤrten haben,
die zwar in gewiſſen Theilen dem englaͤndiſchen Geſchmack zugehoͤren, vielleicht ſelbſt
Nachahmungen davon ſind, im Ganzen aber das Gepraͤge eines eigenen von jenem
abweichenden Geiſtes haben. Einige edle Deutſche, ſelbſt einige vortreffliche Fuͤr-
ſten, haben ſich mit einer ſeltenen Feinheit des Geſchmacks dieſes Verdienſt zu erwerben
gewuͤrdigt. Und warum duͤrfte ich hier nicht beſonders die jetzt regierenden Fuͤrſten
zu Gotha, Deſſau und Carlsruhe mit der waͤrmſten Verehrung nennen, die eben
den wohlthaͤtigen Geiſt, womit ſie ihre Voͤlker begluͤcken, auch auf die Verſchoͤnerung
der lebloſen Natur rings um ſich her verbreiten, und gleichſam mit eigenen Haͤnden
die ehrwuͤrdigen Schattenlauben woͤlben, unter welchen ſie nur ausruhen, um ſich zu
neuen Geſchaͤften fuͤr den Ruhm der Menſchheit zu erfriſchen?

Deutſchland, das die Ehre der Gaͤrten ſelbſt durch die Mitwirkung ſolcher er-
habenen Kenner ſich ausbreiten ſieht, koͤnnte ſehr leicht eine Menge der ſchoͤnſten Luſt-
plaͤtze gewinnen. Wie viele reizende Gegenden von den Gebirgen in Sachſen bis
zu den Geſtaden der Nordſee herunter, in den meiſten Provinzen auf allen Seiten,
und beſonders an den Ufern der Elbe, des Rheins, des Mayns, Gegenden, wel-
che die herrlichſten Anlagen der Natur enthalten!

Nicht weniger iſt beſonders dieſes mein geliebtes Vaterland, Holſtein, mit
Schoͤnheiten geſchmuͤckt, die den Fremden einnehmen und den oft umwoͤlkten Augen
des Einwohners unbekannt voruͤbergehen. Keine ſteilen Felsgeruͤſte, keine Gebirge,
keine Gegenſtaͤnde, die Erſtaunen einfloͤßen, außer den beyden Meeren, welche die
friedfertigen Ufer dieſer Provinz beſpuͤlen, und, indem ihre Wellen, durch manches
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I Band. K
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[73/0087] der Alten und der Neuen. Erwartung durch, daß jetzt der Geiſt der Nation ſich auch hier einer eigenen Ueber- legung und Thaͤtigkeit uͤberlaſſen will, und daß wir Gaͤrten gewinnen werden, die mit dem Gepraͤge des deutſchen Genies bezeichnet ſind. Wir haben nicht blos Anfaͤnge, wir haben ſelbſt ſchon einige gluͤckliche Aus- fuͤhrungen, die deutſch ſind, ob man ſie gleich, um ſie von der alten Manier zu un- terſcheiden, unter dem Namen englaͤndiſcher Gaͤrten verſteckt. Warum geben wir ihnen nicht ihren eigenen Namen, den Namen des Landes, der Erfinder? Die hollaͤndiſche, die franzoͤſiſche, die englaͤndiſche Manier iſt beſtimmt; man denket ſich bey dem Namen einer jeden ſchon ihren charakteriſtiſchen Unterſchied. Und was kann uns bereden, Nationalanlagen mit einem fremden Namen zu belegen, der ſie fuͤr bloße Nachahmungen ausgiebt? Iſt es etwa mehr Empfehlung, wenn der deutſche Fuͤrſt einen englaͤndiſchen, als wenn er einen deutſchen Garten hat? Laͤßt ſich nicht eine Manier gedenken und einfuͤhren, die deutſch genug iſt, um dieſen Na- men anzunehmen? So viel iſt gewiß, daß wir ſchon wirklich einige Gaͤrten haben, die zwar in gewiſſen Theilen dem englaͤndiſchen Geſchmack zugehoͤren, vielleicht ſelbſt Nachahmungen davon ſind, im Ganzen aber das Gepraͤge eines eigenen von jenem abweichenden Geiſtes haben. Einige edle Deutſche, ſelbſt einige vortreffliche Fuͤr- ſten, haben ſich mit einer ſeltenen Feinheit des Geſchmacks dieſes Verdienſt zu erwerben gewuͤrdigt. Und warum duͤrfte ich hier nicht beſonders die jetzt regierenden Fuͤrſten zu Gotha, Deſſau und Carlsruhe mit der waͤrmſten Verehrung nennen, die eben den wohlthaͤtigen Geiſt, womit ſie ihre Voͤlker begluͤcken, auch auf die Verſchoͤnerung der lebloſen Natur rings um ſich her verbreiten, und gleichſam mit eigenen Haͤnden die ehrwuͤrdigen Schattenlauben woͤlben, unter welchen ſie nur ausruhen, um ſich zu neuen Geſchaͤften fuͤr den Ruhm der Menſchheit zu erfriſchen? Deutſchland, das die Ehre der Gaͤrten ſelbſt durch die Mitwirkung ſolcher er- habenen Kenner ſich ausbreiten ſieht, koͤnnte ſehr leicht eine Menge der ſchoͤnſten Luſt- plaͤtze gewinnen. Wie viele reizende Gegenden von den Gebirgen in Sachſen bis zu den Geſtaden der Nordſee herunter, in den meiſten Provinzen auf allen Seiten, und beſonders an den Ufern der Elbe, des Rheins, des Mayns, Gegenden, wel- che die herrlichſten Anlagen der Natur enthalten! Nicht weniger iſt beſonders dieſes mein geliebtes Vaterland, Holſtein, mit Schoͤnheiten geſchmuͤckt, die den Fremden einnehmen und den oft umwoͤlkten Augen des Einwohners unbekannt voruͤbergehen. Keine ſteilen Felsgeruͤſte, keine Gebirge, keine Gegenſtaͤnde, die Erſtaunen einfloͤßen, außer den beyden Meeren, welche die friedfertigen Ufer dieſer Provinz beſpuͤlen, und, indem ihre Wellen, durch manches dahinfliegende Schiff belebt, an den blauen Horizont hinſchlagen, Ausſichten in das Uner- I Band. K

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/87>, abgerufen am 22.11.2024.