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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Vom Wasser.
schiedenen Durchschnitten gesehen wird, die auf entfernte Aussichten leiten. Allein
durch die Verschiedenheit seines Laufs und seiner Verbindung mit andern Gegen-
ständen, kann er sowohl in feyerlichen, als besonders in romantischen Gegenden ei-
nen Platz behaupten. Brauset er in der Tiefe am Fuße hoher Gebürge, die von
Tannenwäldern geschwärzt sind, über Klippen dahin; verbirgt er sich bald in wieder-
hallenden Abgründen; stürmt er bald mit der schäumenden Fluth wieder hervor: so bil-
det er in dieser Lage und Verbindung einen Theil der feyerlichen Gegend. Durch
seltsame Wendungen und außerordentliche Abänderungen des Schnellen und des
Langsamen seines Laufs, durch Verbindungen mit Felsen, an deren schroffen Wän-
den er still unter herüberhängenden Bäumen dahin schleicht, oder durch deren Klüfte
er sich mit dumpfem Getöse ergießt, geht er in den Charakter des Romantischen
über.

Seiner eigenen sowohl, als seiner zufälligen Schönheiten wegen, liebt man ei-
nen Fluß als einen Theil in großen Gärten; und in kleinern freuet man sich, wenn
man ihn nachbarlich vorbeyfließen sieht. Mit vielen Kosten hat man sich oft in
England bemühet, einen entfernten Fluß nach einem Park umzuleiten. In seinen
Wirkungen übertrifft er weit einen Teich, ja selbst einen schönen See. Die natür-
liche Freyheit, womit er dahin fließt, der Reiz der Bewegung, die Ungewißheit sei-
nes Anfangs und seines Endes, die Abänderung seines Laufs, der bald gerade, bald
krümmend, bald offen, bald verdeckt ist, die Verschiedenheit der Form seiner Ufer
und ihrer Verzierungen, alles dieses vereinigt sich, ihn mehr belebend und erfrischend
für das Auge und die Einbildungskraft zu machen.

Wo durch die Kunst Flüsse in Parks angelegt werden, da wird man vornehm-
lich auf die Bemerkungen zu achten haben, die oben bey der Entwickelung ihrer
Schönheit angeführt sind. Allein so angenehm ein natürlicher Fluß ist, so selten
pflegt doch ein künstlich angelegter zu gefallen, weil es oft mit unüberwindlichen
Schwierigkeiten verknüpft ist, ihm das Ansehen eines gegrabenen Canals zu nehmen.
Indessen muß doch alle Aufmerksamkeit dahin gerichtet seyn, daß der Anschein der
Kunst vermieden werde.

Man lege einen Fluß am Fuß eines Berges oder Hügels an, wo sich das Was-
ser vom Regen, von Bächen und unterirdischen Quellen gern zu einem Ueberfluß
sammlet; man verberge den Anfang und das Ende mit Bäumen und Gebüschen oder
hinter Anhöhen; man lasse lange Fortgänge des Wassers erscheinen; man sperre, wo
es aufhört oder sich in unansehnliche Theile zerstreut, die Aussicht mit einer Wildniß;
man schaffe durch Ungleichheiten des Bettes, durch versteckte Absätze, oder durch eine
Mühle, dem Wasser freyen Fortlauf; man überkleide mit freywillig wachsendem Ge-

büsch,
O 3

Vom Waſſer.
ſchiedenen Durchſchnitten geſehen wird, die auf entfernte Ausſichten leiten. Allein
durch die Verſchiedenheit ſeines Laufs und ſeiner Verbindung mit andern Gegen-
ſtaͤnden, kann er ſowohl in feyerlichen, als beſonders in romantiſchen Gegenden ei-
nen Platz behaupten. Brauſet er in der Tiefe am Fuße hoher Gebuͤrge, die von
Tannenwaͤldern geſchwaͤrzt ſind, uͤber Klippen dahin; verbirgt er ſich bald in wieder-
hallenden Abgruͤnden; ſtuͤrmt er bald mit der ſchaͤumenden Fluth wieder hervor: ſo bil-
det er in dieſer Lage und Verbindung einen Theil der feyerlichen Gegend. Durch
ſeltſame Wendungen und außerordentliche Abaͤnderungen des Schnellen und des
Langſamen ſeines Laufs, durch Verbindungen mit Felſen, an deren ſchroffen Waͤn-
den er ſtill unter heruͤberhaͤngenden Baͤumen dahin ſchleicht, oder durch deren Kluͤfte
er ſich mit dumpfem Getoͤſe ergießt, geht er in den Charakter des Romantiſchen
uͤber.

Seiner eigenen ſowohl, als ſeiner zufaͤlligen Schoͤnheiten wegen, liebt man ei-
nen Fluß als einen Theil in großen Gaͤrten; und in kleinern freuet man ſich, wenn
man ihn nachbarlich vorbeyfließen ſieht. Mit vielen Koſten hat man ſich oft in
England bemuͤhet, einen entfernten Fluß nach einem Park umzuleiten. In ſeinen
Wirkungen uͤbertrifft er weit einen Teich, ja ſelbſt einen ſchoͤnen See. Die natuͤr-
liche Freyheit, womit er dahin fließt, der Reiz der Bewegung, die Ungewißheit ſei-
nes Anfangs und ſeines Endes, die Abaͤnderung ſeines Laufs, der bald gerade, bald
kruͤmmend, bald offen, bald verdeckt iſt, die Verſchiedenheit der Form ſeiner Ufer
und ihrer Verzierungen, alles dieſes vereinigt ſich, ihn mehr belebend und erfriſchend
fuͤr das Auge und die Einbildungskraft zu machen.

Wo durch die Kunſt Fluͤſſe in Parks angelegt werden, da wird man vornehm-
lich auf die Bemerkungen zu achten haben, die oben bey der Entwickelung ihrer
Schoͤnheit angefuͤhrt ſind. Allein ſo angenehm ein natuͤrlicher Fluß iſt, ſo ſelten
pflegt doch ein kuͤnſtlich angelegter zu gefallen, weil es oft mit unuͤberwindlichen
Schwierigkeiten verknuͤpft iſt, ihm das Anſehen eines gegrabenen Canals zu nehmen.
Indeſſen muß doch alle Aufmerkſamkeit dahin gerichtet ſeyn, daß der Anſchein der
Kunſt vermieden werde.

Man lege einen Fluß am Fuß eines Berges oder Huͤgels an, wo ſich das Waſ-
ſer vom Regen, von Baͤchen und unterirdiſchen Quellen gern zu einem Ueberfluß
ſammlet; man verberge den Anfang und das Ende mit Baͤumen und Gebuͤſchen oder
hinter Anhoͤhen; man laſſe lange Fortgaͤnge des Waſſers erſcheinen; man ſperre, wo
es aufhoͤrt oder ſich in unanſehnliche Theile zerſtreut, die Ausſicht mit einer Wildniß;
man ſchaffe durch Ungleichheiten des Bettes, durch verſteckte Abſaͤtze, oder durch eine
Muͤhle, dem Waſſer freyen Fortlauf; man uͤberkleide mit freywillig wachſendem Ge-

buͤſch,
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[109/0113] Vom Waſſer. ſchiedenen Durchſchnitten geſehen wird, die auf entfernte Ausſichten leiten. Allein durch die Verſchiedenheit ſeines Laufs und ſeiner Verbindung mit andern Gegen- ſtaͤnden, kann er ſowohl in feyerlichen, als beſonders in romantiſchen Gegenden ei- nen Platz behaupten. Brauſet er in der Tiefe am Fuße hoher Gebuͤrge, die von Tannenwaͤldern geſchwaͤrzt ſind, uͤber Klippen dahin; verbirgt er ſich bald in wieder- hallenden Abgruͤnden; ſtuͤrmt er bald mit der ſchaͤumenden Fluth wieder hervor: ſo bil- det er in dieſer Lage und Verbindung einen Theil der feyerlichen Gegend. Durch ſeltſame Wendungen und außerordentliche Abaͤnderungen des Schnellen und des Langſamen ſeines Laufs, durch Verbindungen mit Felſen, an deren ſchroffen Waͤn- den er ſtill unter heruͤberhaͤngenden Baͤumen dahin ſchleicht, oder durch deren Kluͤfte er ſich mit dumpfem Getoͤſe ergießt, geht er in den Charakter des Romantiſchen uͤber. Seiner eigenen ſowohl, als ſeiner zufaͤlligen Schoͤnheiten wegen, liebt man ei- nen Fluß als einen Theil in großen Gaͤrten; und in kleinern freuet man ſich, wenn man ihn nachbarlich vorbeyfließen ſieht. Mit vielen Koſten hat man ſich oft in England bemuͤhet, einen entfernten Fluß nach einem Park umzuleiten. In ſeinen Wirkungen uͤbertrifft er weit einen Teich, ja ſelbſt einen ſchoͤnen See. Die natuͤr- liche Freyheit, womit er dahin fließt, der Reiz der Bewegung, die Ungewißheit ſei- nes Anfangs und ſeines Endes, die Abaͤnderung ſeines Laufs, der bald gerade, bald kruͤmmend, bald offen, bald verdeckt iſt, die Verſchiedenheit der Form ſeiner Ufer und ihrer Verzierungen, alles dieſes vereinigt ſich, ihn mehr belebend und erfriſchend fuͤr das Auge und die Einbildungskraft zu machen. Wo durch die Kunſt Fluͤſſe in Parks angelegt werden, da wird man vornehm- lich auf die Bemerkungen zu achten haben, die oben bey der Entwickelung ihrer Schoͤnheit angefuͤhrt ſind. Allein ſo angenehm ein natuͤrlicher Fluß iſt, ſo ſelten pflegt doch ein kuͤnſtlich angelegter zu gefallen, weil es oft mit unuͤberwindlichen Schwierigkeiten verknuͤpft iſt, ihm das Anſehen eines gegrabenen Canals zu nehmen. Indeſſen muß doch alle Aufmerkſamkeit dahin gerichtet ſeyn, daß der Anſchein der Kunſt vermieden werde. Man lege einen Fluß am Fuß eines Berges oder Huͤgels an, wo ſich das Waſ- ſer vom Regen, von Baͤchen und unterirdiſchen Quellen gern zu einem Ueberfluß ſammlet; man verberge den Anfang und das Ende mit Baͤumen und Gebuͤſchen oder hinter Anhoͤhen; man laſſe lange Fortgaͤnge des Waſſers erſcheinen; man ſperre, wo es aufhoͤrt oder ſich in unanſehnliche Theile zerſtreut, die Ausſicht mit einer Wildniß; man ſchaffe durch Ungleichheiten des Bettes, durch verſteckte Abſaͤtze, oder durch eine Muͤhle, dem Waſſer freyen Fortlauf; man uͤberkleide mit freywillig wachſendem Ge- buͤſch, O 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/113>, abgerufen am 04.12.2024.