Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.Fünfter Abschnitt. der Virgils Andenken gewidmet ist. Der Hain, erzählt Heely,*) eröffnet sich mit al-len seinen Schönheiten; das begierige Auge, das alles mit einmal übersehen möchte, weiß nicht, wo es einen Ruhepunkt wählen soll, weil die Wahl des Schönsten schwer wird. Den edelsten Gegenstand in der Entfernung sieht man durch eine natürliche Durchsicht. Es ist ein schöner Wasserfall, der von einem Felsen in eine Art von Grotte hinabstürzt, und im Schatten eines Dickigts liegt. Der Fall ist hoch, wasserreich und wohlklingend, und macht unten ein schäumendes Wasserbehältniß, vor welchem eine aus dem Bade steigen- de Venus in einer schamhaften Stellung steht. Der Abfluß dieses Wasserraums ver- liert sich etliche Schritte lang, kömmt aber hernach wieder zum Vorschein, und fließt sanft fort. Bald darauf rauscht er über große Steine fort, theilt sich, bildet eine Insel, fließt wieder sanft, bis er an einen zweyten Fall kömmt; darauf fließt er nach vielen Krümmungen unter einer simpeln Bogenbrücke durch, und fällt in einen tiefer liegen den See, der durch die Bäume schimmert. [Abbildung]
10. Wasser- *) Briefe über die Schönheiten von den Leasowes etc. Aus dem Engl. 1779. 19. Br.
Fuͤnfter Abſchnitt. der Virgils Andenken gewidmet iſt. Der Hain, erzaͤhlt Heely,*) eroͤffnet ſich mit al-len ſeinen Schoͤnheiten; das begierige Auge, das alles mit einmal uͤberſehen moͤchte, weiß nicht, wo es einen Ruhepunkt waͤhlen ſoll, weil die Wahl des Schoͤnſten ſchwer wird. Den edelſten Gegenſtand in der Entfernung ſieht man durch eine natuͤrliche Durchſicht. Es iſt ein ſchoͤner Waſſerfall, der von einem Felſen in eine Art von Grotte hinabſtuͤrzt, und im Schatten eines Dickigts liegt. Der Fall iſt hoch, waſſerreich und wohlklingend, und macht unten ein ſchaͤumendes Waſſerbehaͤltniß, vor welchem eine aus dem Bade ſteigen- de Venus in einer ſchamhaften Stellung ſteht. Der Abfluß dieſes Waſſerraums ver- liert ſich etliche Schritte lang, koͤmmt aber hernach wieder zum Vorſchein, und fließt ſanft fort. Bald darauf rauſcht er uͤber große Steine fort, theilt ſich, bildet eine Inſel, fließt wieder ſanft, bis er an einen zweyten Fall koͤmmt; darauf fließt er nach vielen Kruͤmmungen unter einer ſimpeln Bogenbruͤcke durch, und faͤllt in einen tiefer liegen den See, der durch die Baͤume ſchimmert. [Abbildung]
10. Waſſer- *) Briefe uͤber die Schoͤnheiten von den Leaſowes ꝛc. Aus dem Engl. 1779. 19. Br.
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Fuͤnfter Abſchnitt.
der Virgils Andenken gewidmet iſt. Der Hain, erzaͤhlt Heely, *) eroͤffnet ſich mit al-
len ſeinen Schoͤnheiten; das begierige Auge, das alles mit einmal uͤberſehen moͤchte, weiß
nicht, wo es einen Ruhepunkt waͤhlen ſoll, weil die Wahl des Schoͤnſten ſchwer wird. Den
edelſten Gegenſtand in der Entfernung ſieht man durch eine natuͤrliche Durchſicht. Es iſt
ein ſchoͤner Waſſerfall, der von einem Felſen in eine Art von Grotte hinabſtuͤrzt, und im
Schatten eines Dickigts liegt. Der Fall iſt hoch, waſſerreich und wohlklingend, und
macht unten ein ſchaͤumendes Waſſerbehaͤltniß, vor welchem eine aus dem Bade ſteigen-
de Venus in einer ſchamhaften Stellung ſteht. Der Abfluß dieſes Waſſerraums ver-
liert ſich etliche Schritte lang, koͤmmt aber hernach wieder zum Vorſchein, und fließt
ſanft fort. Bald darauf rauſcht er uͤber große Steine fort, theilt ſich, bildet eine Inſel,
fließt wieder ſanft, bis er an einen zweyten Fall koͤmmt; darauf fließt er nach vielen
Kruͤmmungen unter einer ſimpeln Bogenbruͤcke durch, und faͤllt in einen tiefer liegen
den See, der durch die Baͤume ſchimmert.
[Abbildung]
10. Waſſer-
*) Briefe uͤber die Schoͤnheiten von den Leaſowes ꝛc. Aus dem Engl. 1779. 19. Br.
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