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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Fünfter Abschnitt.
Felsen fällt, von ihm eben so gewaltsam zurückgestoßen wird und auf das Wasser,
das ihm nachfolgt, ungetrennt zurückprallt, verbreitet er allenthalben einen dichten
Regen, wie bey dem stärksten Gewitter. Oder kleine Wasserstralen fahren, mit der
Geschwindigkeit des Blitzes, aus der ganzen Masse heraus, und eilen, ihrem Fall zuvor-
zukommen. Dort stoßen viele Gruppen des nassen Elements heftig auf einander, wal-
len in Wirbeln eine über der andern im Luftraume fort, und erreichen so den Fuß des
Berges. Manchmal wird ein Theil des Stroms von der Gewalt des Windes weg-
getrieben, und gegen die benachbarten Klippen geworfen; hier bricht sich die Fluth
mit entsetzlichem Getöse, und überzieht eine große Strecke mit Schaum, das bersten-
de Wasser spritzt nach allen Seiten hin, tausend Bäche strömen überall herab, und
die entfernten Gebüsche sind mit Wasser bedeckt. Dort hat das hangende Wasser ei-
ne schwärzliche Farbe; hier ist es von einer blendenden Weiße; wieder an einem an-
dern Orte schmilzt es in Wolken, und verschwindet gänzlich. Tausend verschiedene
Bewegungen stellen sich mit einem Blicke dar. Tausend verschiedene Töne schallen
auf einmal von tausend auf verschiedene Art getroffenen Felsen wider; und die ganze
Wassermasse, die unaufhörlich niederstürzt und zurückprallt, und das Gemisch von
Wellen, Felsen, Schaum und Wolken, die mit der allerschrecklichsten Gewalt un-
ter einander getrieben, geschlagen und bewegt werden, stellt unten ein Bild der Na-
tur, die mit großen Schritten in ihr Chaos zurückkehrt, und des Streits der zum Un-
tergang der Welt vereinigten Elemente vor. Wir sahen den Wasserfall nicht bey Son-
nenaufgang, in dem Augenblicke, da die Stralen dieses am Horizont schief aufgehen-
den Gestirns von den Dünsten gebrochen werden, in ihre ersten Farben aufgelöset sich
zurückwerfen, und überall Regenbogen bilden; aber der vom Regen angeschwollene
Strom that eine noch weit größere Wirkung. Wir betrachteten ihn stillschweigend,
indem wir uns über den Wind und vor dem dicken Gewölke in Sicherheit gestellt hat-
ten, das sich allenthalben und bis an die Berge der Gegenseite über die Rhone hin
verbreitete. Gruppen mit Stroh gedeckter Hütten, die in einiger Entfernung
lagen, die Höhe der Berge, die dies Schauspiel umgaben, der Strom, der mit Hef-
tigkeit eine kleine Strecke in der Ebene fortläuft und dann den Rest seiner Wut in die
Rhone ergießt, das dumpfige Rauschen des Flusses, alles bis auf die kleine Brücke,
die über denselben geht, trug etwas zur Verzierung des Gemäldes bey. Die Höhe
dieses Wasserfalls macht ihn weit ansehnlicher, als den zu Schafhausen; er ist auch
nicht so grauerlich, wie der zu Niagara.

Bey den Resten des berühmten Tempels zu Tivoli bildet der Fluß Teverono
einen der schönsten Katarakten, die Italien aufzuweisen hat. Oberhalb Tivoli

wird,

Fuͤnfter Abſchnitt.
Felſen faͤllt, von ihm eben ſo gewaltſam zuruͤckgeſtoßen wird und auf das Waſſer,
das ihm nachfolgt, ungetrennt zuruͤckprallt, verbreitet er allenthalben einen dichten
Regen, wie bey dem ſtaͤrkſten Gewitter. Oder kleine Waſſerſtralen fahren, mit der
Geſchwindigkeit des Blitzes, aus der ganzen Maſſe heraus, und eilen, ihrem Fall zuvor-
zukommen. Dort ſtoßen viele Gruppen des naſſen Elements heftig auf einander, wal-
len in Wirbeln eine uͤber der andern im Luftraume fort, und erreichen ſo den Fuß des
Berges. Manchmal wird ein Theil des Stroms von der Gewalt des Windes weg-
getrieben, und gegen die benachbarten Klippen geworfen; hier bricht ſich die Fluth
mit entſetzlichem Getoͤſe, und uͤberzieht eine große Strecke mit Schaum, das berſten-
de Waſſer ſpritzt nach allen Seiten hin, tauſend Baͤche ſtroͤmen uͤberall herab, und
die entfernten Gebuͤſche ſind mit Waſſer bedeckt. Dort hat das hangende Waſſer ei-
ne ſchwaͤrzliche Farbe; hier iſt es von einer blendenden Weiße; wieder an einem an-
dern Orte ſchmilzt es in Wolken, und verſchwindet gaͤnzlich. Tauſend verſchiedene
Bewegungen ſtellen ſich mit einem Blicke dar. Tauſend verſchiedene Toͤne ſchallen
auf einmal von tauſend auf verſchiedene Art getroffenen Felſen wider; und die ganze
Waſſermaſſe, die unaufhoͤrlich niederſtuͤrzt und zuruͤckprallt, und das Gemiſch von
Wellen, Felſen, Schaum und Wolken, die mit der allerſchrecklichſten Gewalt un-
ter einander getrieben, geſchlagen und bewegt werden, ſtellt unten ein Bild der Na-
tur, die mit großen Schritten in ihr Chaos zuruͤckkehrt, und des Streits der zum Un-
tergang der Welt vereinigten Elemente vor. Wir ſahen den Waſſerfall nicht bey Son-
nenaufgang, in dem Augenblicke, da die Stralen dieſes am Horizont ſchief aufgehen-
den Geſtirns von den Duͤnſten gebrochen werden, in ihre erſten Farben aufgeloͤſet ſich
zuruͤckwerfen, und uͤberall Regenbogen bilden; aber der vom Regen angeſchwollene
Strom that eine noch weit groͤßere Wirkung. Wir betrachteten ihn ſtillſchweigend,
indem wir uns uͤber den Wind und vor dem dicken Gewoͤlke in Sicherheit geſtellt hat-
ten, das ſich allenthalben und bis an die Berge der Gegenſeite uͤber die Rhone hin
verbreitete. Gruppen mit Stroh gedeckter Huͤtten, die in einiger Entfernung
lagen, die Hoͤhe der Berge, die dies Schauſpiel umgaben, der Strom, der mit Hef-
tigkeit eine kleine Strecke in der Ebene fortlaͤuft und dann den Reſt ſeiner Wut in die
Rhone ergießt, das dumpfige Rauſchen des Fluſſes, alles bis auf die kleine Bruͤcke,
die uͤber denſelben geht, trug etwas zur Verzierung des Gemaͤldes bey. Die Hoͤhe
dieſes Waſſerfalls macht ihn weit anſehnlicher, als den zu Schafhauſen; er iſt auch
nicht ſo grauerlich, wie der zu Niagara.

Bey den Reſten des beruͤhmten Tempels zu Tivoli bildet der Fluß Teverono
einen der ſchoͤnſten Katarakten, die Italien aufzuweiſen hat. Oberhalb Tivoli

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[122/0126] Fuͤnfter Abſchnitt. Felſen faͤllt, von ihm eben ſo gewaltſam zuruͤckgeſtoßen wird und auf das Waſſer, das ihm nachfolgt, ungetrennt zuruͤckprallt, verbreitet er allenthalben einen dichten Regen, wie bey dem ſtaͤrkſten Gewitter. Oder kleine Waſſerſtralen fahren, mit der Geſchwindigkeit des Blitzes, aus der ganzen Maſſe heraus, und eilen, ihrem Fall zuvor- zukommen. Dort ſtoßen viele Gruppen des naſſen Elements heftig auf einander, wal- len in Wirbeln eine uͤber der andern im Luftraume fort, und erreichen ſo den Fuß des Berges. Manchmal wird ein Theil des Stroms von der Gewalt des Windes weg- getrieben, und gegen die benachbarten Klippen geworfen; hier bricht ſich die Fluth mit entſetzlichem Getoͤſe, und uͤberzieht eine große Strecke mit Schaum, das berſten- de Waſſer ſpritzt nach allen Seiten hin, tauſend Baͤche ſtroͤmen uͤberall herab, und die entfernten Gebuͤſche ſind mit Waſſer bedeckt. Dort hat das hangende Waſſer ei- ne ſchwaͤrzliche Farbe; hier iſt es von einer blendenden Weiße; wieder an einem an- dern Orte ſchmilzt es in Wolken, und verſchwindet gaͤnzlich. Tauſend verſchiedene Bewegungen ſtellen ſich mit einem Blicke dar. Tauſend verſchiedene Toͤne ſchallen auf einmal von tauſend auf verſchiedene Art getroffenen Felſen wider; und die ganze Waſſermaſſe, die unaufhoͤrlich niederſtuͤrzt und zuruͤckprallt, und das Gemiſch von Wellen, Felſen, Schaum und Wolken, die mit der allerſchrecklichſten Gewalt un- ter einander getrieben, geſchlagen und bewegt werden, ſtellt unten ein Bild der Na- tur, die mit großen Schritten in ihr Chaos zuruͤckkehrt, und des Streits der zum Un- tergang der Welt vereinigten Elemente vor. Wir ſahen den Waſſerfall nicht bey Son- nenaufgang, in dem Augenblicke, da die Stralen dieſes am Horizont ſchief aufgehen- den Geſtirns von den Duͤnſten gebrochen werden, in ihre erſten Farben aufgeloͤſet ſich zuruͤckwerfen, und uͤberall Regenbogen bilden; aber der vom Regen angeſchwollene Strom that eine noch weit groͤßere Wirkung. Wir betrachteten ihn ſtillſchweigend, indem wir uns uͤber den Wind und vor dem dicken Gewoͤlke in Sicherheit geſtellt hat- ten, das ſich allenthalben und bis an die Berge der Gegenſeite uͤber die Rhone hin verbreitete. Gruppen mit Stroh gedeckter Huͤtten, die in einiger Entfernung lagen, die Hoͤhe der Berge, die dies Schauſpiel umgaben, der Strom, der mit Hef- tigkeit eine kleine Strecke in der Ebene fortlaͤuft und dann den Reſt ſeiner Wut in die Rhone ergießt, das dumpfige Rauſchen des Fluſſes, alles bis auf die kleine Bruͤcke, die uͤber denſelben geht, trug etwas zur Verzierung des Gemaͤldes bey. Die Hoͤhe dieſes Waſſerfalls macht ihn weit anſehnlicher, als den zu Schafhauſen; er iſt auch nicht ſo grauerlich, wie der zu Niagara. Bey den Reſten des beruͤhmten Tempels zu Tivoli bildet der Fluß Teverono einen der ſchoͤnſten Katarakten, die Italien aufzuweiſen hat. Oberhalb Tivoli wird,

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/126>, abgerufen am 04.12.2024.