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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Fünfter Abschnitt.
bekannten Welt wird das Wasser so hoch in die Luft gespielt als hier, höher als die be-
rühmten Wasserkünste zu St. Cloud, zu Herrenhausen und die auf dem Winter-
kasten
bey Cassel steigen. Einige kochende Quellen werfen eine Wassersäule, die
einige Fuß dick ist, weit über hundert Fuß in die Höhe; einige springen nur zu ge-
wissen Zeiten, andere beständig. Um einen kleinen Landsee sah Troil*) auf einmal
acht verschiedene Quellen, woraus Wasser in die Höhe sprang, und in der klaren
Morgenluft einen Dampf verbreitete; eine davon warf beständig eine Wassersäule, die
sechs bis acht Fuß dick war, und auf vier und zwanzig Fuß hoch stieg. Bey Gey-
ser
, nicht weit von Skallholt, einem der bischöflichen Sitze auf Island, fand er,
in dem Bezirk einer halben Meile, bis auf funfzig siedende Quellen, wovon die größ-
te eine zirkelrunde Röhre von neunzehn Fuß im Durchmesser hatte, die sich oben in
ein Becken von neun und funfzig Fuß im Durchmesser endigte, und das Wasser bis
zu sechzig Faden in die Höhe warf.

Nach dieser Bemerkung glaube ich, daß in einem romantischen Reviere, das
sich durch seltsame und beynahe abentheuerliche Scenen und Zufälligkeiten unterscheidet,
die Kunst vornehmlich berechtiget ist, hochsteigende Wassersäulen nachzubilden. Sie
scheinen hier recht an ihrem Orte zu seyn, und helfen die Wirkung sehr verstärken.
Man sieht in einigen Gegenden des Canton Bern auf freyem Felde, oft an dem Fuß
felsigter Höhen, Springbrunnen, die zur Tränkung der Herden angelegt sind, ihren
silbernen Stral emporschießen. Sie sind da von einer desto lebhaftern Wirkung, je
weniger man sie erwartet. Ich habe sie nie ohne Verwunderung und angenehme
Ueberraschung erblickt.

In romantischen Gärten verdienen demnach die springenden Wasser eine vorzügli-
che Empfehlung. In andern aber scheinen sie mehr eine entbehrliche Künsteley, zumal
wenn sie gehäuft werden. In Gegenden von einem einfachen und bescheidenen Reiz,
in Anlagen von einer ländlichen Einfalt wird der Bach oder Wasserguß sein Vor-
recht behaupten; ein prächtiges Springwasser würde hier mit dem Charakter der übri-
gen Auftritte unvereinbar seyn. Doch wollen wir es auch ohne Eigensinn an einzel-
nen Stellen zulassen, wenn es nur mit so viel Geschmack angebracht wird, daß es
nicht beleidigt. So würde eine mäßige, mit hellem lebhaften Geplätscher emporspie-
lende Fontaine immer eine anmuthige Verzierung in der Mitte eines kleinen mit Blu-
men besetzten Platzes seyn. Man sieht mit Vergnügen zwischen hundert leuchtenden
Farben den weißen krystallenen Stral sich erheben, fallen, und plätschernd ein leich-

tes
*) Briefe, welche eine 1772 nach Island angestellte Reise betreffen. Aus dem Schwe-
dischen, 8. 1779. 1 und 21. Br.

Fuͤnfter Abſchnitt.
bekannten Welt wird das Waſſer ſo hoch in die Luft geſpielt als hier, hoͤher als die be-
ruͤhmten Waſſerkuͤnſte zu St. Cloud, zu Herrenhauſen und die auf dem Winter-
kaſten
bey Caſſel ſteigen. Einige kochende Quellen werfen eine Waſſerſaͤule, die
einige Fuß dick iſt, weit uͤber hundert Fuß in die Hoͤhe; einige ſpringen nur zu ge-
wiſſen Zeiten, andere beſtaͤndig. Um einen kleinen Landſee ſah Troil*) auf einmal
acht verſchiedene Quellen, woraus Waſſer in die Hoͤhe ſprang, und in der klaren
Morgenluft einen Dampf verbreitete; eine davon warf beſtaͤndig eine Waſſerſaͤule, die
ſechs bis acht Fuß dick war, und auf vier und zwanzig Fuß hoch ſtieg. Bey Gey-
ſer
, nicht weit von Skallholt, einem der biſchoͤflichen Sitze auf Island, fand er,
in dem Bezirk einer halben Meile, bis auf funfzig ſiedende Quellen, wovon die groͤß-
te eine zirkelrunde Roͤhre von neunzehn Fuß im Durchmeſſer hatte, die ſich oben in
ein Becken von neun und funfzig Fuß im Durchmeſſer endigte, und das Waſſer bis
zu ſechzig Faden in die Hoͤhe warf.

Nach dieſer Bemerkung glaube ich, daß in einem romantiſchen Reviere, das
ſich durch ſeltſame und beynahe abentheuerliche Scenen und Zufaͤlligkeiten unterſcheidet,
die Kunſt vornehmlich berechtiget iſt, hochſteigende Waſſerſaͤulen nachzubilden. Sie
ſcheinen hier recht an ihrem Orte zu ſeyn, und helfen die Wirkung ſehr verſtaͤrken.
Man ſieht in einigen Gegenden des Canton Bern auf freyem Felde, oft an dem Fuß
felſigter Hoͤhen, Springbrunnen, die zur Traͤnkung der Herden angelegt ſind, ihren
ſilbernen Stral emporſchießen. Sie ſind da von einer deſto lebhaftern Wirkung, je
weniger man ſie erwartet. Ich habe ſie nie ohne Verwunderung und angenehme
Ueberraſchung erblickt.

In romantiſchen Gaͤrten verdienen demnach die ſpringenden Waſſer eine vorzuͤgli-
che Empfehlung. In andern aber ſcheinen ſie mehr eine entbehrliche Kuͤnſteley, zumal
wenn ſie gehaͤuft werden. In Gegenden von einem einfachen und beſcheidenen Reiz,
in Anlagen von einer laͤndlichen Einfalt wird der Bach oder Waſſerguß ſein Vor-
recht behaupten; ein praͤchtiges Springwaſſer wuͤrde hier mit dem Charakter der uͤbri-
gen Auftritte unvereinbar ſeyn. Doch wollen wir es auch ohne Eigenſinn an einzel-
nen Stellen zulaſſen, wenn es nur mit ſo viel Geſchmack angebracht wird, daß es
nicht beleidigt. So wuͤrde eine maͤßige, mit hellem lebhaften Geplaͤtſcher emporſpie-
lende Fontaine immer eine anmuthige Verzierung in der Mitte eines kleinen mit Blu-
men beſetzten Platzes ſeyn. Man ſieht mit Vergnuͤgen zwiſchen hundert leuchtenden
Farben den weißen kryſtallenen Stral ſich erheben, fallen, und plaͤtſchernd ein leich-

tes
*) Briefe, welche eine 1772 nach Island angeſtellte Reiſe betreffen. Aus dem Schwe-
diſchen, 8. 1779. 1 und 21. Br.
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[126/0130] Fuͤnfter Abſchnitt. bekannten Welt wird das Waſſer ſo hoch in die Luft geſpielt als hier, hoͤher als die be- ruͤhmten Waſſerkuͤnſte zu St. Cloud, zu Herrenhauſen und die auf dem Winter- kaſten bey Caſſel ſteigen. Einige kochende Quellen werfen eine Waſſerſaͤule, die einige Fuß dick iſt, weit uͤber hundert Fuß in die Hoͤhe; einige ſpringen nur zu ge- wiſſen Zeiten, andere beſtaͤndig. Um einen kleinen Landſee ſah Troil *) auf einmal acht verſchiedene Quellen, woraus Waſſer in die Hoͤhe ſprang, und in der klaren Morgenluft einen Dampf verbreitete; eine davon warf beſtaͤndig eine Waſſerſaͤule, die ſechs bis acht Fuß dick war, und auf vier und zwanzig Fuß hoch ſtieg. Bey Gey- ſer, nicht weit von Skallholt, einem der biſchoͤflichen Sitze auf Island, fand er, in dem Bezirk einer halben Meile, bis auf funfzig ſiedende Quellen, wovon die groͤß- te eine zirkelrunde Roͤhre von neunzehn Fuß im Durchmeſſer hatte, die ſich oben in ein Becken von neun und funfzig Fuß im Durchmeſſer endigte, und das Waſſer bis zu ſechzig Faden in die Hoͤhe warf. Nach dieſer Bemerkung glaube ich, daß in einem romantiſchen Reviere, das ſich durch ſeltſame und beynahe abentheuerliche Scenen und Zufaͤlligkeiten unterſcheidet, die Kunſt vornehmlich berechtiget iſt, hochſteigende Waſſerſaͤulen nachzubilden. Sie ſcheinen hier recht an ihrem Orte zu ſeyn, und helfen die Wirkung ſehr verſtaͤrken. Man ſieht in einigen Gegenden des Canton Bern auf freyem Felde, oft an dem Fuß felſigter Hoͤhen, Springbrunnen, die zur Traͤnkung der Herden angelegt ſind, ihren ſilbernen Stral emporſchießen. Sie ſind da von einer deſto lebhaftern Wirkung, je weniger man ſie erwartet. Ich habe ſie nie ohne Verwunderung und angenehme Ueberraſchung erblickt. In romantiſchen Gaͤrten verdienen demnach die ſpringenden Waſſer eine vorzuͤgli- che Empfehlung. In andern aber ſcheinen ſie mehr eine entbehrliche Kuͤnſteley, zumal wenn ſie gehaͤuft werden. In Gegenden von einem einfachen und beſcheidenen Reiz, in Anlagen von einer laͤndlichen Einfalt wird der Bach oder Waſſerguß ſein Vor- recht behaupten; ein praͤchtiges Springwaſſer wuͤrde hier mit dem Charakter der uͤbri- gen Auftritte unvereinbar ſeyn. Doch wollen wir es auch ohne Eigenſinn an einzel- nen Stellen zulaſſen, wenn es nur mit ſo viel Geſchmack angebracht wird, daß es nicht beleidigt. So wuͤrde eine maͤßige, mit hellem lebhaften Geplaͤtſcher emporſpie- lende Fontaine immer eine anmuthige Verzierung in der Mitte eines kleinen mit Blu- men beſetzten Platzes ſeyn. Man ſieht mit Vergnuͤgen zwiſchen hundert leuchtenden Farben den weißen kryſtallenen Stral ſich erheben, fallen, und plaͤtſchernd ein leich- tes *) Briefe, welche eine 1772 nach Island angeſtellte Reiſe betreffen. Aus dem Schwe- diſchen, 8. 1779. 1 und 21. Br.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/130>, abgerufen am 04.12.2024.