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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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vier Krebse zu Stützen angebracht sind. Man hat sich nicht gescheut, solche scharf-
sinnige Erfindungen von Ungereimtheiten selbst in Schriften zu empfehlen. So zeich-
net z. B. Decker *) eine Fontaine vor, in deren Bassin ein Hirsch, ein Reh, ein
Wolf, ein wildes Schwein, ein Fuchs und ein Hund liegen und Wasserstralen in
die Höhe werfen; bey einer andern läßt er Schlangen, Störche, Pfaue, Schwäne,
Tauben, und mit unter eine Kuh Wasser geben; und noch in einer andern zei-
gen sich Löwen, Tiger, Kamele, Enten, ein Affe und eine Eselinn in Gesellschaft,
und die Hauptfigur dieser feinen Gruppe ist -- Apoll! -- Und Seethiere in den Gär-
ten? Diese Vermengung dessen, was allein dem Meere zugehört, mit dem, was
dem Lande eigen ist, scheint wenigstens sehr sonderbar; und warum denn eben eine
solche Vermengung in den Gärten? Rinnt nicht schon ein klares Gewässer von
dem Abhange eines grünen Hügels anmuthig genug herab? Wird es schöner,
wenn es von einem Seethiere, dessen Gestalt oft schon fürchterlich ist, oder we-
nigstens die fürchterliche Erinnerung an die Geschichte seiner Feindseligkeiten ge-
gen den Menschen erneuert, emporgestürmt wird? Oder muß nicht vielmehr
der Anblick solcher Geschöpfe dazu dienen, die angenehme Bewegung zu stören,
die ein lebendiges sanftmurmelndes Wasser erweckt? Können sich täuschende Ein-
drücke von dieser Art mit der Bestimmung der Gärten vertragen? Und wenn
auch der nachgebildete Wallfisch, der Krokodil, oder ein anderes Seethier in ei-
nem weiten Wasserraum nicht ganz unnatürlich scheinen würde: ist er es denn noch
in einem Bassin, dessen kleiner Umfang von allen Seiten beufert auf einmal in die
Augen fällt, das von hohen Lauben und Hecken beschattet wird? Weg mit den
schrecklichen Seeungeheuern aus den Gärten, auch wenn sie le Notre empfiehlt
und Ludewig der Große sie billigt!

Diese Bemerkungen werden hinreichen, die Vorrecht eder Natur auch von die-
ser Seite gegen die Eingriffe eines falschen Geschmacks zu sichern. Springbrun-
[n]en bleiben, besonders in warmen Himmelsstrichen, wo sie ihren Ursprung nah-
men, eine angenehme Erfrischung; in nördlichen Gegenden sind sie mehr bloße
Nachahmungen und mehr entbehrlich, zuweilen auch durch Verbreitung der Feuch-
tigkeit nahen Gebäuden schädlich. Doch an schicklichen Stellen angebracht, und
frey von den gewöhnlichen Verunstaltungen der Behältnisse, mögen sie ferner den
Liebhaber ergötzen. Aber wer wird nicht lieber dem Lauf und Fall und Geräusch
eines hellen Bachs den Vorzug gönnen?

Ce
*) In seinem Werk: Der fürstliche Baumeister, Fol. Augsburg, 1713.

Fuͤnſter Abſchnitt.
vier Krebſe zu Stuͤtzen angebracht ſind. Man hat ſich nicht geſcheut, ſolche ſcharf-
ſinnige Erfindungen von Ungereimtheiten ſelbſt in Schriften zu empfehlen. So zeich-
net z. B. Decker *) eine Fontaine vor, in deren Baſſin ein Hirſch, ein Reh, ein
Wolf, ein wildes Schwein, ein Fuchs und ein Hund liegen und Waſſerſtralen in
die Hoͤhe werfen; bey einer andern laͤßt er Schlangen, Stoͤrche, Pfaue, Schwaͤne,
Tauben, und mit unter eine Kuh Waſſer geben; und noch in einer andern zei-
gen ſich Loͤwen, Tiger, Kamele, Enten, ein Affe und eine Eſelinn in Geſellſchaft,
und die Hauptfigur dieſer feinen Gruppe iſt — Apoll! — Und Seethiere in den Gaͤr-
ten? Dieſe Vermengung deſſen, was allein dem Meere zugehoͤrt, mit dem, was
dem Lande eigen iſt, ſcheint wenigſtens ſehr ſonderbar; und warum denn eben eine
ſolche Vermengung in den Gaͤrten? Rinnt nicht ſchon ein klares Gewaͤſſer von
dem Abhange eines gruͤnen Huͤgels anmuthig genug herab? Wird es ſchoͤner,
wenn es von einem Seethiere, deſſen Geſtalt oft ſchon fuͤrchterlich iſt, oder we-
nigſtens die fuͤrchterliche Erinnerung an die Geſchichte ſeiner Feindſeligkeiten ge-
gen den Menſchen erneuert, emporgeſtuͤrmt wird? Oder muß nicht vielmehr
der Anblick ſolcher Geſchoͤpfe dazu dienen, die angenehme Bewegung zu ſtoͤren,
die ein lebendiges ſanftmurmelndes Waſſer erweckt? Koͤnnen ſich taͤuſchende Ein-
druͤcke von dieſer Art mit der Beſtimmung der Gaͤrten vertragen? Und wenn
auch der nachgebildete Wallfiſch, der Krokodil, oder ein anderes Seethier in ei-
nem weiten Waſſerraum nicht ganz unnatuͤrlich ſcheinen wuͤrde: iſt er es denn noch
in einem Baſſin, deſſen kleiner Umfang von allen Seiten beufert auf einmal in die
Augen faͤllt, das von hohen Lauben und Hecken beſchattet wird? Weg mit den
ſchrecklichen Seeungeheuern aus den Gaͤrten, auch wenn ſie le Notre empfiehlt
und Ludewig der Große ſie billigt!

Dieſe Bemerkungen werden hinreichen, die Vorrecht eder Natur auch von die-
ſer Seite gegen die Eingriffe eines falſchen Geſchmacks zu ſichern. Springbrun-
[n]en bleiben, beſonders in warmen Himmelsſtrichen, wo ſie ihren Urſprung nah-
men, eine angenehme Erfriſchung; in noͤrdlichen Gegenden ſind ſie mehr bloße
Nachahmungen und mehr entbehrlich, zuweilen auch durch Verbreitung der Feuch-
tigkeit nahen Gebaͤuden ſchaͤdlich. Doch an ſchicklichen Stellen angebracht, und
frey von den gewoͤhnlichen Verunſtaltungen der Behaͤltniſſe, moͤgen ſie ferner den
Liebhaber ergoͤtzen. Aber wer wird nicht lieber dem Lauf und Fall und Geraͤuſch
eines hellen Bachs den Vorzug goͤnnen?

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*) In ſeinem Werk: Der fuͤrſtliche Baumeiſter, Fol. Augsburg, 1713.
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[128/0132] Fuͤnſter Abſchnitt. vier Krebſe zu Stuͤtzen angebracht ſind. Man hat ſich nicht geſcheut, ſolche ſcharf- ſinnige Erfindungen von Ungereimtheiten ſelbſt in Schriften zu empfehlen. So zeich- net z. B. Decker *) eine Fontaine vor, in deren Baſſin ein Hirſch, ein Reh, ein Wolf, ein wildes Schwein, ein Fuchs und ein Hund liegen und Waſſerſtralen in die Hoͤhe werfen; bey einer andern laͤßt er Schlangen, Stoͤrche, Pfaue, Schwaͤne, Tauben, und mit unter eine Kuh Waſſer geben; und noch in einer andern zei- gen ſich Loͤwen, Tiger, Kamele, Enten, ein Affe und eine Eſelinn in Geſellſchaft, und die Hauptfigur dieſer feinen Gruppe iſt — Apoll! — Und Seethiere in den Gaͤr- ten? Dieſe Vermengung deſſen, was allein dem Meere zugehoͤrt, mit dem, was dem Lande eigen iſt, ſcheint wenigſtens ſehr ſonderbar; und warum denn eben eine ſolche Vermengung in den Gaͤrten? Rinnt nicht ſchon ein klares Gewaͤſſer von dem Abhange eines gruͤnen Huͤgels anmuthig genug herab? Wird es ſchoͤner, wenn es von einem Seethiere, deſſen Geſtalt oft ſchon fuͤrchterlich iſt, oder we- nigſtens die fuͤrchterliche Erinnerung an die Geſchichte ſeiner Feindſeligkeiten ge- gen den Menſchen erneuert, emporgeſtuͤrmt wird? Oder muß nicht vielmehr der Anblick ſolcher Geſchoͤpfe dazu dienen, die angenehme Bewegung zu ſtoͤren, die ein lebendiges ſanftmurmelndes Waſſer erweckt? Koͤnnen ſich taͤuſchende Ein- druͤcke von dieſer Art mit der Beſtimmung der Gaͤrten vertragen? Und wenn auch der nachgebildete Wallfiſch, der Krokodil, oder ein anderes Seethier in ei- nem weiten Waſſerraum nicht ganz unnatuͤrlich ſcheinen wuͤrde: iſt er es denn noch in einem Baſſin, deſſen kleiner Umfang von allen Seiten beufert auf einmal in die Augen faͤllt, das von hohen Lauben und Hecken beſchattet wird? Weg mit den ſchrecklichen Seeungeheuern aus den Gaͤrten, auch wenn ſie le Notre empfiehlt und Ludewig der Große ſie billigt! Dieſe Bemerkungen werden hinreichen, die Vorrecht eder Natur auch von die- ſer Seite gegen die Eingriffe eines falſchen Geſchmacks zu ſichern. Springbrun- nen bleiben, beſonders in warmen Himmelsſtrichen, wo ſie ihren Urſprung nah- men, eine angenehme Erfriſchung; in noͤrdlichen Gegenden ſind ſie mehr bloße Nachahmungen und mehr entbehrlich, zuweilen auch durch Verbreitung der Feuch- tigkeit nahen Gebaͤuden ſchaͤdlich. Doch an ſchicklichen Stellen angebracht, und frey von den gewoͤhnlichen Verunſtaltungen der Behaͤltniſſe, moͤgen ſie ferner den Liebhaber ergoͤtzen. Aber wer wird nicht lieber dem Lauf und Fall und Geraͤuſch eines hellen Bachs den Vorzug goͤnnen? Ce *) In ſeinem Werk: Der fuͤrſtliche Baumeiſter, Fol. Augsburg, 1713.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/132>, abgerufen am 04.12.2024.