Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Anhang.
zug bilden. In dem ganzen Bezirk ist alles Ländlichkeit, Einsamkeit, Ruhe; al-
les sanft und milde, in stille Anmuth dahin gegossen, erquickt und erquickend für
jedes empfindsame Herz, das sich diesen Scenen nähert. Ihren Eindruck ver-
stärkt noch die Stille, die hier herrscht, die von nichts unterbrochen wird, als zu-
weilen von dem muthigen Gebrüll umhergrasender Heerden und von den Gesängen der
Vögel, die in diesen waldigten Revieren frohlocken.

Dieser Ort schien nach seinem Charakter und nach seinen Wirkungen vorzüg-
lich von der Natur zum Ruheplatz eines Geistes bestimmt, der von den großen Ge-
schäften der Welt zurückkehrt zu der Einsamkeit des geliebten Landes, der seinen Abend
im eigenen ruhigen Schatten feyern will, unter dem Nachgenuß seiner öffentlichen
Verdienste, und unter der stillen Wonne eines wohlthätigen Privatlebens. Wie
verändert, und doch wie reizend und belebend! Kein Sturm der Höfe, kein Zwist
der Könige mehr; die ganze Welt scheint von hier aus besänftigt und befriedigt.
Alle Scenen umher winken Ihm Ruhe und sanfte Erquickung zu. Indem Er hier
unter den Empfindungen, womit Ihn Natur und Zurückerinnerung lohnen, umher-
wandelt, so steigt der Mond hinter den Wäldern herauf, und bescheint die selige
Scene mit stillem Beyfall; unterdessen noch die westliche Spitze der umliegenden
Waldung sich erheitert gegen den Schimmer der Abendröthe malt, die am Horizont
länger zu verweilen scheint.

Der Charakter der Ruhe und der ländlichen Erfrischung, den die Natur der
Landschaft eingeprägt hat, ist auch durch alle Anlagen und Einrichtungen fortgesetzt,
die Geschmack und Kunst hinzugefügt haben. Denn sich blos mit Bewohnung
und Genuß begnügen, konnte nicht der thätige Geist des Besitzers; gewohnt zu
schaffen, breitete er auch hier seine Wirksamkeit in mannichfaltigen Verschönerun-
gen aus.

Auf der Höhe des waldigten Heeschenberges zeigt sich zuvörderst der große
Pavillon, ohne Pomp, aber in einem reinen und edlen Geschmack der Architektur,
mit der Vorderseite gegen Abend gerichtet.

Anhang.
zug bilden. In dem ganzen Bezirk iſt alles Laͤndlichkeit, Einſamkeit, Ruhe; al-
les ſanft und milde, in ſtille Anmuth dahin gegoſſen, erquickt und erquickend fuͤr
jedes empfindſame Herz, das ſich dieſen Scenen naͤhert. Ihren Eindruck ver-
ſtaͤrkt noch die Stille, die hier herrſcht, die von nichts unterbrochen wird, als zu-
weilen von dem muthigen Gebruͤll umhergraſender Heerden und von den Geſaͤngen der
Voͤgel, die in dieſen waldigten Revieren frohlocken.

Dieſer Ort ſchien nach ſeinem Charakter und nach ſeinen Wirkungen vorzuͤg-
lich von der Natur zum Ruheplatz eines Geiſtes beſtimmt, der von den großen Ge-
ſchaͤften der Welt zuruͤckkehrt zu der Einſamkeit des geliebten Landes, der ſeinen Abend
im eigenen ruhigen Schatten feyern will, unter dem Nachgenuß ſeiner oͤffentlichen
Verdienſte, und unter der ſtillen Wonne eines wohlthaͤtigen Privatlebens. Wie
veraͤndert, und doch wie reizend und belebend! Kein Sturm der Hoͤfe, kein Zwiſt
der Koͤnige mehr; die ganze Welt ſcheint von hier aus beſaͤnftigt und befriedigt.
Alle Scenen umher winken Ihm Ruhe und ſanfte Erquickung zu. Indem Er hier
unter den Empfindungen, womit Ihn Natur und Zuruͤckerinnerung lohnen, umher-
wandelt, ſo ſteigt der Mond hinter den Waͤldern herauf, und beſcheint die ſelige
Scene mit ſtillem Beyfall; unterdeſſen noch die weſtliche Spitze der umliegenden
Waldung ſich erheitert gegen den Schimmer der Abendroͤthe malt, die am Horizont
laͤnger zu verweilen ſcheint.

Der Charakter der Ruhe und der laͤndlichen Erfriſchung, den die Natur der
Landſchaft eingepraͤgt hat, iſt auch durch alle Anlagen und Einrichtungen fortgeſetzt,
die Geſchmack und Kunſt hinzugefuͤgt haben. Denn ſich blos mit Bewohnung
und Genuß begnuͤgen, konnte nicht der thaͤtige Geiſt des Beſitzers; gewohnt zu
ſchaffen, breitete er auch hier ſeine Wirkſamkeit in mannichfaltigen Verſchoͤnerun-
gen aus.

Auf der Hoͤhe des waldigten Heeſchenberges zeigt ſich zuvoͤrderſt der große
Pavillon, ohne Pomp, aber in einem reinen und edlen Geſchmack der Architektur,
mit der Vorderſeite gegen Abend gerichtet.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0142" n="138"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Anhang</hi>.</hi></fw><lb/>
zug bilden. In dem ganzen Bezirk i&#x017F;t alles La&#x0364;ndlichkeit, Ein&#x017F;amkeit, Ruhe; al-<lb/>
les &#x017F;anft und milde, in &#x017F;tille Anmuth dahin gego&#x017F;&#x017F;en, erquickt und erquickend fu&#x0364;r<lb/>
jedes empfind&#x017F;ame Herz, das &#x017F;ich die&#x017F;en Scenen na&#x0364;hert. Ihren Eindruck ver-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rkt noch die Stille, die hier herr&#x017F;cht, die von nichts unterbrochen wird, als zu-<lb/>
weilen von dem muthigen Gebru&#x0364;ll umhergra&#x017F;ender Heerden und von den Ge&#x017F;a&#x0364;ngen der<lb/>
Vo&#x0364;gel, die in die&#x017F;en waldigten Revieren frohlocken.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;er Ort &#x017F;chien nach &#x017F;einem Charakter und nach &#x017F;einen Wirkungen vorzu&#x0364;g-<lb/>
lich von der Natur zum Ruheplatz eines Gei&#x017F;tes be&#x017F;timmt, der von den großen Ge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ften der Welt zuru&#x0364;ckkehrt zu der Ein&#x017F;amkeit des geliebten Landes, der &#x017F;einen Abend<lb/>
im eigenen ruhigen Schatten feyern will, unter dem Nachgenuß &#x017F;einer o&#x0364;ffentlichen<lb/>
Verdien&#x017F;te, und unter der &#x017F;tillen Wonne eines wohltha&#x0364;tigen Privatlebens. Wie<lb/>
vera&#x0364;ndert, und doch wie reizend und belebend! Kein Sturm der Ho&#x0364;fe, kein Zwi&#x017F;t<lb/>
der Ko&#x0364;nige mehr; die ganze Welt &#x017F;cheint von hier aus be&#x017F;a&#x0364;nftigt und befriedigt.<lb/>
Alle Scenen umher winken Ihm Ruhe und &#x017F;anfte Erquickung zu. Indem Er hier<lb/>
unter den Empfindungen, womit Ihn Natur und Zuru&#x0364;ckerinnerung lohnen, umher-<lb/>
wandelt, &#x017F;o &#x017F;teigt der Mond hinter den Wa&#x0364;ldern herauf, und be&#x017F;cheint die &#x017F;elige<lb/>
Scene mit &#x017F;tillem Beyfall; unterde&#x017F;&#x017F;en noch die we&#x017F;tliche Spitze der umliegenden<lb/>
Waldung &#x017F;ich erheitert gegen den Schimmer der Abendro&#x0364;the malt, die am Horizont<lb/>
la&#x0364;nger zu verweilen &#x017F;cheint.</p><lb/>
        <p>Der Charakter der Ruhe und der la&#x0364;ndlichen Erfri&#x017F;chung, den die Natur der<lb/>
Land&#x017F;chaft eingepra&#x0364;gt hat, i&#x017F;t auch durch alle Anlagen und Einrichtungen fortge&#x017F;etzt,<lb/>
die Ge&#x017F;chmack und Kun&#x017F;t hinzugefu&#x0364;gt haben. Denn &#x017F;ich blos mit Bewohnung<lb/>
und Genuß begnu&#x0364;gen, konnte nicht der tha&#x0364;tige Gei&#x017F;t des Be&#x017F;itzers; gewohnt zu<lb/>
&#x017F;chaffen, breitete er auch hier &#x017F;eine Wirk&#x017F;amkeit in mannichfaltigen Ver&#x017F;cho&#x0364;nerun-<lb/>
gen aus.</p><lb/>
        <p>Auf der Ho&#x0364;he des waldigten <hi rendition="#fr">Hee&#x017F;chenberges</hi> zeigt &#x017F;ich zuvo&#x0364;rder&#x017F;t der große<lb/>
Pavillon, ohne Pomp, aber in einem reinen und edlen Ge&#x017F;chmack der Architektur,<lb/>
mit der Vorder&#x017F;eite gegen Abend gerichtet.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0142] Anhang. zug bilden. In dem ganzen Bezirk iſt alles Laͤndlichkeit, Einſamkeit, Ruhe; al- les ſanft und milde, in ſtille Anmuth dahin gegoſſen, erquickt und erquickend fuͤr jedes empfindſame Herz, das ſich dieſen Scenen naͤhert. Ihren Eindruck ver- ſtaͤrkt noch die Stille, die hier herrſcht, die von nichts unterbrochen wird, als zu- weilen von dem muthigen Gebruͤll umhergraſender Heerden und von den Geſaͤngen der Voͤgel, die in dieſen waldigten Revieren frohlocken. Dieſer Ort ſchien nach ſeinem Charakter und nach ſeinen Wirkungen vorzuͤg- lich von der Natur zum Ruheplatz eines Geiſtes beſtimmt, der von den großen Ge- ſchaͤften der Welt zuruͤckkehrt zu der Einſamkeit des geliebten Landes, der ſeinen Abend im eigenen ruhigen Schatten feyern will, unter dem Nachgenuß ſeiner oͤffentlichen Verdienſte, und unter der ſtillen Wonne eines wohlthaͤtigen Privatlebens. Wie veraͤndert, und doch wie reizend und belebend! Kein Sturm der Hoͤfe, kein Zwiſt der Koͤnige mehr; die ganze Welt ſcheint von hier aus beſaͤnftigt und befriedigt. Alle Scenen umher winken Ihm Ruhe und ſanfte Erquickung zu. Indem Er hier unter den Empfindungen, womit Ihn Natur und Zuruͤckerinnerung lohnen, umher- wandelt, ſo ſteigt der Mond hinter den Waͤldern herauf, und beſcheint die ſelige Scene mit ſtillem Beyfall; unterdeſſen noch die weſtliche Spitze der umliegenden Waldung ſich erheitert gegen den Schimmer der Abendroͤthe malt, die am Horizont laͤnger zu verweilen ſcheint. Der Charakter der Ruhe und der laͤndlichen Erfriſchung, den die Natur der Landſchaft eingepraͤgt hat, iſt auch durch alle Anlagen und Einrichtungen fortgeſetzt, die Geſchmack und Kunſt hinzugefuͤgt haben. Denn ſich blos mit Bewohnung und Genuß begnuͤgen, konnte nicht der thaͤtige Geiſt des Beſitzers; gewohnt zu ſchaffen, breitete er auch hier ſeine Wirkſamkeit in mannichfaltigen Verſchoͤnerun- gen aus. Auf der Hoͤhe des waldigten Heeſchenberges zeigt ſich zuvoͤrderſt der große Pavillon, ohne Pomp, aber in einem reinen und edlen Geſchmack der Architektur, mit der Vorderſeite gegen Abend gerichtet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/142
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/142>, abgerufen am 04.12.2024.