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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Beschreibungen von Gärten.
wegen der Abwechselung in den Gegenständen und Lagen ohnstreitig einen großen
Vorzug vor jenen geraden Alleen von gleichhohen und sich einander ähnlich sehenden
Bäumen, die desto trauriger und langweiliger sind, je mehr eingebildete Schönheit,
das heißt Länge, sie haben.

Der See verdient wegen der großen Rolle, die er in diesem Garten spielt,
noch einige Bemerkungen. Dieses große Wasserbehältniß, welches über sechzig
Acker Landes einnimmt, wird bald vollendet seyn. Ursprünglich bestand dieser See
aus zween Teichen, deren einer höher als der andre, einer in dem Park, und der
andre vor demselben lag; zwischen beyden gieng ein breiter Weg durch. Beyde
sind jetzt in dem Park eingeschlossen, und werden bald mit einander vereinigt wer-
den, um einen einzigen länglichen See von unregelmäßiger Form auszumachen.
Die Ufer werden sich nach der ungleichen Lage des daranstoßenden Landes richten.
Gegen den großen Rasenplatz hat der Boden einen unmerklichen Abhang, zumal
dem Schlosse gegenüber: daher kann man das Wasser aus demselben bequem über-
sehen; und die kleinen Wellen, welche der Wind beständig gegen das Ufer schlägt,
halten das Wasser rein und klar. Hin und wieder dringt er mit ansehnlichen Buch-
ten von verschiedener Größe in das Ufer; an andern Orten schiebt sich eine Land-
zunge hinein, und nöthigt das Wasser, sich zurückzuziehen. Auf der Seite gegen-
über ist das Ufer steiler, gleichförmiger, und zum Theil mit Pflanzungen besetzt.
An einigen Stellen stoßen diese dicht ans Wasser, tauchen so zu sagen hinein,
und spiegeln sich darin; an andern sind sie weiter davon entfernt, daß man die
abwechselnde Ungleichheit des Ufers deutlich sehen kann. Entweder richten sie sich
nach der Form desselben, oder machen einen Contrast damit. Diese beständi-
gen Abwechselungen werden einen nicht geringen Theil ihrer Schönheit aus-
machen.

Mitten in diesen Plantationen wird man kleine ländliche Lustgebüsche, mit
Weiden besetzte Fußsteige, Schatten von Bäumen aller Art, und mit Rasen be-
legte Plätze antreffen. Hier wird man für die flach fortschießenden Stralen der nie-
dergehenden Sonne des Abends einen kühlen und angenehmen Spaziergang ha-
ben. Man sieht von hier aus, außer dem Prospect über den See, einen Theil
des Parks, der aus diesem Standpuncte neue Gemälde darstellt, den Rasenplatz
mit dem darauf stehenden Schlosse, den großen mit einzelnen Bäumen besetzten
Platz, welcher an selbiges stößt, und was man jenfeits desselben sonst noch zu Gesichte
bekommt. Auf dem gegenüber liegenden, mit ansehnlichen Bäumen besetzten, und

dadurch
C c 3

Beſchreibungen von Gaͤrten.
wegen der Abwechſelung in den Gegenſtaͤnden und Lagen ohnſtreitig einen großen
Vorzug vor jenen geraden Alleen von gleichhohen und ſich einander aͤhnlich ſehenden
Baͤumen, die deſto trauriger und langweiliger ſind, je mehr eingebildete Schoͤnheit,
das heißt Laͤnge, ſie haben.

Der See verdient wegen der großen Rolle, die er in dieſem Garten ſpielt,
noch einige Bemerkungen. Dieſes große Waſſerbehaͤltniß, welches uͤber ſechzig
Acker Landes einnimmt, wird bald vollendet ſeyn. Urſpruͤnglich beſtand dieſer See
aus zween Teichen, deren einer hoͤher als der andre, einer in dem Park, und der
andre vor demſelben lag; zwiſchen beyden gieng ein breiter Weg durch. Beyde
ſind jetzt in dem Park eingeſchloſſen, und werden bald mit einander vereinigt wer-
den, um einen einzigen laͤnglichen See von unregelmaͤßiger Form auszumachen.
Die Ufer werden ſich nach der ungleichen Lage des daranſtoßenden Landes richten.
Gegen den großen Raſenplatz hat der Boden einen unmerklichen Abhang, zumal
dem Schloſſe gegenuͤber: daher kann man das Waſſer aus demſelben bequem uͤber-
ſehen; und die kleinen Wellen, welche der Wind beſtaͤndig gegen das Ufer ſchlaͤgt,
halten das Waſſer rein und klar. Hin und wieder dringt er mit anſehnlichen Buch-
ten von verſchiedener Groͤße in das Ufer; an andern Orten ſchiebt ſich eine Land-
zunge hinein, und noͤthigt das Waſſer, ſich zuruͤckzuziehen. Auf der Seite gegen-
uͤber iſt das Ufer ſteiler, gleichfoͤrmiger, und zum Theil mit Pflanzungen beſetzt.
An einigen Stellen ſtoßen dieſe dicht ans Waſſer, tauchen ſo zu ſagen hinein,
und ſpiegeln ſich darin; an andern ſind ſie weiter davon entfernt, daß man die
abwechſelnde Ungleichheit des Ufers deutlich ſehen kann. Entweder richten ſie ſich
nach der Form deſſelben, oder machen einen Contraſt damit. Dieſe beſtaͤndi-
gen Abwechſelungen werden einen nicht geringen Theil ihrer Schoͤnheit aus-
machen.

Mitten in dieſen Plantationen wird man kleine laͤndliche Luſtgebuͤſche, mit
Weiden beſetzte Fußſteige, Schatten von Baͤumen aller Art, und mit Raſen be-
legte Plaͤtze antreffen. Hier wird man fuͤr die flach fortſchießenden Stralen der nie-
dergehenden Sonne des Abends einen kuͤhlen und angenehmen Spaziergang ha-
ben. Man ſieht von hier aus, außer dem Proſpect uͤber den See, einen Theil
des Parks, der aus dieſem Standpuncte neue Gemaͤlde darſtellt, den Raſenplatz
mit dem darauf ſtehenden Schloſſe, den großen mit einzelnen Baͤumen beſetzten
Platz, welcher an ſelbiges ſtoͤßt, und was man jenfeits deſſelben ſonſt noch zu Geſichte
bekommt. Auf dem gegenuͤber liegenden, mit anſehnlichen Baͤumen beſetzten, und

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C c 3
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[195/0199] Beſchreibungen von Gaͤrten. wegen der Abwechſelung in den Gegenſtaͤnden und Lagen ohnſtreitig einen großen Vorzug vor jenen geraden Alleen von gleichhohen und ſich einander aͤhnlich ſehenden Baͤumen, die deſto trauriger und langweiliger ſind, je mehr eingebildete Schoͤnheit, das heißt Laͤnge, ſie haben. Der See verdient wegen der großen Rolle, die er in dieſem Garten ſpielt, noch einige Bemerkungen. Dieſes große Waſſerbehaͤltniß, welches uͤber ſechzig Acker Landes einnimmt, wird bald vollendet ſeyn. Urſpruͤnglich beſtand dieſer See aus zween Teichen, deren einer hoͤher als der andre, einer in dem Park, und der andre vor demſelben lag; zwiſchen beyden gieng ein breiter Weg durch. Beyde ſind jetzt in dem Park eingeſchloſſen, und werden bald mit einander vereinigt wer- den, um einen einzigen laͤnglichen See von unregelmaͤßiger Form auszumachen. Die Ufer werden ſich nach der ungleichen Lage des daranſtoßenden Landes richten. Gegen den großen Raſenplatz hat der Boden einen unmerklichen Abhang, zumal dem Schloſſe gegenuͤber: daher kann man das Waſſer aus demſelben bequem uͤber- ſehen; und die kleinen Wellen, welche der Wind beſtaͤndig gegen das Ufer ſchlaͤgt, halten das Waſſer rein und klar. Hin und wieder dringt er mit anſehnlichen Buch- ten von verſchiedener Groͤße in das Ufer; an andern Orten ſchiebt ſich eine Land- zunge hinein, und noͤthigt das Waſſer, ſich zuruͤckzuziehen. Auf der Seite gegen- uͤber iſt das Ufer ſteiler, gleichfoͤrmiger, und zum Theil mit Pflanzungen beſetzt. An einigen Stellen ſtoßen dieſe dicht ans Waſſer, tauchen ſo zu ſagen hinein, und ſpiegeln ſich darin; an andern ſind ſie weiter davon entfernt, daß man die abwechſelnde Ungleichheit des Ufers deutlich ſehen kann. Entweder richten ſie ſich nach der Form deſſelben, oder machen einen Contraſt damit. Dieſe beſtaͤndi- gen Abwechſelungen werden einen nicht geringen Theil ihrer Schoͤnheit aus- machen. Mitten in dieſen Plantationen wird man kleine laͤndliche Luſtgebuͤſche, mit Weiden beſetzte Fußſteige, Schatten von Baͤumen aller Art, und mit Raſen be- legte Plaͤtze antreffen. Hier wird man fuͤr die flach fortſchießenden Stralen der nie- dergehenden Sonne des Abends einen kuͤhlen und angenehmen Spaziergang ha- ben. Man ſieht von hier aus, außer dem Proſpect uͤber den See, einen Theil des Parks, der aus dieſem Standpuncte neue Gemaͤlde darſtellt, den Raſenplatz mit dem darauf ſtehenden Schloſſe, den großen mit einzelnen Baͤumen beſetzten Platz, welcher an ſelbiges ſtoͤßt, und was man jenfeits deſſelben ſonſt noch zu Geſichte bekommt. Auf dem gegenuͤber liegenden, mit anſehnlichen Baͤumen beſetzten, und dadurch C c 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/199>, abgerufen am 04.12.2024.