Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.Einsiedeleyen, Capellen und Ruinen. und wild; in der Nähe sieht man das Gegentheil; viele Fremde besuchen ihn wegenseiner unvergleichlichen Aussicht. Man besteigt ihn auf verschiedenen Wegen. Nur wenige hundert Schritte über Art zieht sich der Weg sehr steil hinauf; doch wird er einigemal durch kleine Ebenen unterbrochen. Er geht meistens durch Wälder und dazwischen liegende Weiden, wo man große Heerden von Vieh erblickt. Man braucht beynahe vier kleine Stunden, um oben die Capelle oder Einsiedeley zu ersteigen, zu welcher im Sommer viele Wallfahrten geschehen. Der oberste Gipfel dieses Berges, der außerdem noch verschiedene Höhlen enthält, gewährt eine der prächtigsten Aussich- ten auf dieser Erdkugel. Da dieser Berg unter den hohen Bergen Helvetiens von Mitternacht gegen Mittag einer der ersten ist; so breitet sich die Aussicht sowohl auf die noch höhern Berge der Cantons Schweiz, Lucern, Uri und Unterwalden, als auch über die anmuthigen und fruchtbaren Gefilde des Lucerner und Zürcher Gebiets, in das Aargau und weiter aus, und bey heller Luft fallen zehn verschiedene Seen auf einmal in die Augen mit einer Wirkung, die keine Sprache beschreibt. -- Eine andre Einsiedeley von einer überaus merkwürdigen Lage und Einrichtung und *) Reise durch Portugall, Spanien, u. s. f. 1ster B. 28ster Br. N 3
Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen. und wild; in der Naͤhe ſieht man das Gegentheil; viele Fremde beſuchen ihn wegenſeiner unvergleichlichen Ausſicht. Man beſteigt ihn auf verſchiedenen Wegen. Nur wenige hundert Schritte uͤber Art zieht ſich der Weg ſehr ſteil hinauf; doch wird er einigemal durch kleine Ebenen unterbrochen. Er geht meiſtens durch Waͤlder und dazwiſchen liegende Weiden, wo man große Heerden von Vieh erblickt. Man braucht beynahe vier kleine Stunden, um oben die Capelle oder Einſiedeley zu erſteigen, zu welcher im Sommer viele Wallfahrten geſchehen. Der oberſte Gipfel dieſes Berges, der außerdem noch verſchiedene Hoͤhlen enthaͤlt, gewaͤhrt eine der praͤchtigſten Ausſich- ten auf dieſer Erdkugel. Da dieſer Berg unter den hohen Bergen Helvetiens von Mitternacht gegen Mittag einer der erſten iſt; ſo breitet ſich die Ausſicht ſowohl auf die noch hoͤhern Berge der Cantons Schweiz, Lucern, Uri und Unterwalden, als auch uͤber die anmuthigen und fruchtbaren Gefilde des Lucerner und Zuͤrcher Gebiets, in das Aargau und weiter aus, und bey heller Luft fallen zehn verſchiedene Seen auf einmal in die Augen mit einer Wirkung, die keine Sprache beſchreibt. — Eine andre Einſiedeley von einer uͤberaus merkwuͤrdigen Lage und Einrichtung und *) Reiſe durch Portugall, Spanien, u. ſ. f. 1ſter B. 28ſter Br. N 3
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0105" n="101"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.</hi></fw><lb/> und wild; in der Naͤhe ſieht man das Gegentheil; viele Fremde beſuchen ihn wegen<lb/> ſeiner unvergleichlichen Ausſicht. Man beſteigt ihn auf verſchiedenen Wegen. Nur<lb/> wenige hundert Schritte uͤber <hi rendition="#fr">Art</hi> zieht ſich der Weg ſehr ſteil hinauf; doch wird er<lb/> einigemal durch kleine Ebenen unterbrochen. Er geht meiſtens durch Waͤlder und<lb/> dazwiſchen liegende Weiden, wo man große Heerden von Vieh erblickt. Man braucht<lb/> beynahe vier kleine Stunden, um oben die Capelle oder Einſiedeley zu erſteigen, zu<lb/> welcher im Sommer viele Wallfahrten geſchehen. Der oberſte Gipfel dieſes Berges,<lb/> der außerdem noch verſchiedene Hoͤhlen enthaͤlt, gewaͤhrt eine der praͤchtigſten Ausſich-<lb/> ten auf dieſer Erdkugel. Da dieſer Berg unter den hohen Bergen <hi rendition="#fr">Helvetiens</hi> von<lb/> Mitternacht gegen Mittag einer der erſten iſt; ſo breitet ſich die Ausſicht ſowohl auf<lb/> die noch hoͤhern Berge der Cantons <hi rendition="#fr">Schweiz, Lucern, Uri</hi> und <hi rendition="#fr">Unterwalden,</hi> als<lb/> auch uͤber die anmuthigen und fruchtbaren Gefilde des <hi rendition="#fr">Lucerner</hi> und <hi rendition="#fr">Zuͤrcher</hi> Gebiets,<lb/> in das <hi rendition="#fr">Aargau</hi> und weiter aus, und bey heller Luft fallen zehn verſchiedene Seen auf<lb/> einmal in die Augen mit einer Wirkung, die keine Sprache beſchreibt. —</p><lb/> <p>Eine andre Einſiedeley von einer uͤberaus merkwuͤrdigen Lage und Einrichtung<lb/> iſt das ſo genannte Korkkloſter auf dem Felſen <hi rendition="#fr">Cabo di Rora</hi> bey <hi rendition="#fr">Liſſabon,</hi> das<lb/><hi rendition="#fr">Baretti</hi> <note place="foot" n="*)">Reiſe durch Portugall, Spanien, u. ſ. f. 1ſter B. 28ſter Br.</note> beſchreibt. Zu dieſer Einſiedeley fuͤhrt nur ein einziger Weg durch einen<lb/> Bogen, den die Natur in einem Felſen gemacht hat. Er ſteht ungefaͤhr zweyhundert<lb/> Fuß niedriger, als die Einſiedeley; ſonſt iſt es nirgends moͤglich hinanzuklettern.<lb/> Man kann ſich dieſen Ort nicht ſonderbarer, wilder, romanmaͤßiger denken. Zuerſt<lb/> kommt man auf einen unregelmaͤßigen Platz, der ohngefaͤhr vierzig Ellen ins Gevierte<lb/> haͤlt. Vor demſelben liegt ein hoher, hin und wieder durchloͤcherter Felſen, und aus<lb/> dieſen Loͤchern und Kellern beſteht die ganze Einſiedeley. Die Kirche iſt eine beſon-<lb/> dere Hoͤhle, die Sacriſtey wieder eine andre; der Beichtſtuhl, die Kuͤche, das Schlaf-<lb/> und das Speiſezimmer, alle Zellen ſind eben ſo viele Hoͤhlen, und andre Oeffnungen<lb/> dienen zur Thuͤre und zu den Fenſtern. Keine Hoͤhle aber unter allen kann geraͤumig<lb/> genannt werden. Die Natur hat hier allerdings einen ſonderbaren Ort gebildet, denn<lb/> die Kunſt hat fuͤr die jetzigen Bewohner ſehr wenig gethan. Das Erdbeben wuͤtete<lb/> hier entſetzlich, konnte aber nichts ausrichten. Dieſe Wohnungen koͤnnen nicht an-<lb/> ders, als mit dem Berge ſelbſt, uͤber den Haufen fallen. Was dieſen von der Na-<lb/> tur gebaueten Ort noch ſonderbarer macht, iſt dieſes, daß alle Waͤnde und Fußboͤden<lb/> mit Kork oder Pantoffelholzrinde bedeckt ſind, wodurch die ſchaͤdliche Feuchtigkeit ab-<lb/> gehalten wird. Die Einſiedler ſteigen durch eine Reihe ſehr unregelmaͤßiger Stufen<lb/> zu ihrem Waſſerbehaͤltniſſe und zu ihrem kleinen Stuͤck Gartenland hinab, das da-<lb/> durch gewaͤſſert wird. Sie nennen die vielen kleinen Fußſteige ihre Spaziergaͤnge;<lb/> <fw place="bottom" type="sig">N 3</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [101/0105]
Einſiedeleyen, Capellen und Ruinen.
und wild; in der Naͤhe ſieht man das Gegentheil; viele Fremde beſuchen ihn wegen
ſeiner unvergleichlichen Ausſicht. Man beſteigt ihn auf verſchiedenen Wegen. Nur
wenige hundert Schritte uͤber Art zieht ſich der Weg ſehr ſteil hinauf; doch wird er
einigemal durch kleine Ebenen unterbrochen. Er geht meiſtens durch Waͤlder und
dazwiſchen liegende Weiden, wo man große Heerden von Vieh erblickt. Man braucht
beynahe vier kleine Stunden, um oben die Capelle oder Einſiedeley zu erſteigen, zu
welcher im Sommer viele Wallfahrten geſchehen. Der oberſte Gipfel dieſes Berges,
der außerdem noch verſchiedene Hoͤhlen enthaͤlt, gewaͤhrt eine der praͤchtigſten Ausſich-
ten auf dieſer Erdkugel. Da dieſer Berg unter den hohen Bergen Helvetiens von
Mitternacht gegen Mittag einer der erſten iſt; ſo breitet ſich die Ausſicht ſowohl auf
die noch hoͤhern Berge der Cantons Schweiz, Lucern, Uri und Unterwalden, als
auch uͤber die anmuthigen und fruchtbaren Gefilde des Lucerner und Zuͤrcher Gebiets,
in das Aargau und weiter aus, und bey heller Luft fallen zehn verſchiedene Seen auf
einmal in die Augen mit einer Wirkung, die keine Sprache beſchreibt. —
Eine andre Einſiedeley von einer uͤberaus merkwuͤrdigen Lage und Einrichtung
iſt das ſo genannte Korkkloſter auf dem Felſen Cabo di Rora bey Liſſabon, das
Baretti *) beſchreibt. Zu dieſer Einſiedeley fuͤhrt nur ein einziger Weg durch einen
Bogen, den die Natur in einem Felſen gemacht hat. Er ſteht ungefaͤhr zweyhundert
Fuß niedriger, als die Einſiedeley; ſonſt iſt es nirgends moͤglich hinanzuklettern.
Man kann ſich dieſen Ort nicht ſonderbarer, wilder, romanmaͤßiger denken. Zuerſt
kommt man auf einen unregelmaͤßigen Platz, der ohngefaͤhr vierzig Ellen ins Gevierte
haͤlt. Vor demſelben liegt ein hoher, hin und wieder durchloͤcherter Felſen, und aus
dieſen Loͤchern und Kellern beſteht die ganze Einſiedeley. Die Kirche iſt eine beſon-
dere Hoͤhle, die Sacriſtey wieder eine andre; der Beichtſtuhl, die Kuͤche, das Schlaf-
und das Speiſezimmer, alle Zellen ſind eben ſo viele Hoͤhlen, und andre Oeffnungen
dienen zur Thuͤre und zu den Fenſtern. Keine Hoͤhle aber unter allen kann geraͤumig
genannt werden. Die Natur hat hier allerdings einen ſonderbaren Ort gebildet, denn
die Kunſt hat fuͤr die jetzigen Bewohner ſehr wenig gethan. Das Erdbeben wuͤtete
hier entſetzlich, konnte aber nichts ausrichten. Dieſe Wohnungen koͤnnen nicht an-
ders, als mit dem Berge ſelbſt, uͤber den Haufen fallen. Was dieſen von der Na-
tur gebaueten Ort noch ſonderbarer macht, iſt dieſes, daß alle Waͤnde und Fußboͤden
mit Kork oder Pantoffelholzrinde bedeckt ſind, wodurch die ſchaͤdliche Feuchtigkeit ab-
gehalten wird. Die Einſiedler ſteigen durch eine Reihe ſehr unregelmaͤßiger Stufen
zu ihrem Waſſerbehaͤltniſſe und zu ihrem kleinen Stuͤck Gartenland hinab, das da-
durch gewaͤſſert wird. Sie nennen die vielen kleinen Fußſteige ihre Spaziergaͤnge;
und
*) Reiſe durch Portugall, Spanien, u. ſ. f. 1ſter B. 28ſter Br.
N 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |