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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Fünfter Abschnitt. Von Statüen,
Wohlstand, Vergnügen verdanken. Allerdings hat das Verdienst auf eine solche
Art von Belohnung Anspruch. Der Nachkömmling verweilt vielleicht vor dem Bild-
nisse, überdenkt eine ganze Reihe von edlen oder großen Thaten oder Bestrebungen,
wird gerührt, zur Nacheiferung hingerissen, vergießt wohl selbst eine Thräne, die den
aufkeimenden Entschluß befruchtet; vielleicht giebt auch die Einsamkeit, die hier mehr
als anderswo herrscht, seiner Betrachtung mit der Ruhe mehr Stärke, und beschleu-
nigt die Thätigkeit. Wenn dieses auch nicht immer die Wirkung der Bildnisse ver-
dienstvoller Männer ist, so kann sie es doch seyn, und ist es oft gewesen, wo, anstatt
eines flüchtigen Begaffers, ein empfindsamer Betrachter hinzutrat. Man weiß, wie
oft die edlen Jünglinge des Alterthums von den Statüen ihrer berühmten Vorfahren
begeistert wurden, wie viel man damals auf diese Wirkungen rechnen durfte, wie nach-
drücklich die Philosophen sowohl als die Väter auf diese Bildnisse hinwiesen, auf diese

Ora ducum et vatum, sapientumque ora priorum,
Quos tibi cura sequi, quos toto pectore sentis.

Statius l. 2. car. 2.

Indessen gehören den Statüen der Helden, der Gesetzgeber, der Erretter und
Aufklärer des Vaterlandes, mehr freye, als verborgene Scenen; sie sind schicklicher
auf öffentlichen Plätzen in den Städten, um die Schlösser der Regenten, um die Pa-
läste der Großen her, wo die Würde des Orts ihrem Charakter beystimmt, und sie
dem Volke mehr ins Auge fallen. In den Gärten, vornehmlich der Privatpersonen,
würden Statüen der Landschaftmaler, der Dichter, welche die Schönheit der Schö-
pfung besangen, der Philosophen, die uns über die Weisheit der Natur und über den
Gebrauch des Lebens unterrichteten, mehr an ihrer Stelle seyn. Sollte dieser Gedan-
ke irgendwo eine Anwendung finden, so wird der Deutsche doch wohl so patriotisch ge-
sinnt seyn, dem einheimischen Verdienst vor dem auswärtigen den Vorgang zu gönnen.
Dadurch würden unsere Gärten, die so lange Nachahmungen der Mode und so selten
Werke unsers Genies sind, nicht allein einen Theil von einem eigenen Nationalcha-
rakter, sondern auch eine Kraft zu weit lehrreichern Unterhaltungen gewinnen, als alle
die gewöhnlichen Kopien von Statüen des Alterthums nicht geben können. Aber so-
dann müßte auch ein Andreas von Schlüter und ein Balthasar Permoser nicht
mehr so selten unter uns auftreten.

5.

In Absicht auf die gute Wirkung der Statüen hängt viel von dem Ort und der
Stellung ab, die man ihnen giebt.

Zunächst

Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen,
Wohlſtand, Vergnuͤgen verdanken. Allerdings hat das Verdienſt auf eine ſolche
Art von Belohnung Anſpruch. Der Nachkoͤmmling verweilt vielleicht vor dem Bild-
niſſe, uͤberdenkt eine ganze Reihe von edlen oder großen Thaten oder Beſtrebungen,
wird geruͤhrt, zur Nacheiferung hingeriſſen, vergießt wohl ſelbſt eine Thraͤne, die den
aufkeimenden Entſchluß befruchtet; vielleicht giebt auch die Einſamkeit, die hier mehr
als anderswo herrſcht, ſeiner Betrachtung mit der Ruhe mehr Staͤrke, und beſchleu-
nigt die Thaͤtigkeit. Wenn dieſes auch nicht immer die Wirkung der Bildniſſe ver-
dienſtvoller Maͤnner iſt, ſo kann ſie es doch ſeyn, und iſt es oft geweſen, wo, anſtatt
eines fluͤchtigen Begaffers, ein empfindſamer Betrachter hinzutrat. Man weiß, wie
oft die edlen Juͤnglinge des Alterthums von den Statuͤen ihrer beruͤhmten Vorfahren
begeiſtert wurden, wie viel man damals auf dieſe Wirkungen rechnen durfte, wie nach-
druͤcklich die Philoſophen ſowohl als die Vaͤter auf dieſe Bildniſſe hinwieſen, auf dieſe

Ora ducum et vatum, ſapientumque ora priorum,
Quos tibi cura ſequi, quos toto pectore ſentis.

Statius l. 2. car. 2.

Indeſſen gehoͤren den Statuͤen der Helden, der Geſetzgeber, der Erretter und
Aufklaͤrer des Vaterlandes, mehr freye, als verborgene Scenen; ſie ſind ſchicklicher
auf oͤffentlichen Plaͤtzen in den Staͤdten, um die Schloͤſſer der Regenten, um die Pa-
laͤſte der Großen her, wo die Wuͤrde des Orts ihrem Charakter beyſtimmt, und ſie
dem Volke mehr ins Auge fallen. In den Gaͤrten, vornehmlich der Privatperſonen,
wuͤrden Statuͤen der Landſchaftmaler, der Dichter, welche die Schoͤnheit der Schoͤ-
pfung beſangen, der Philoſophen, die uns uͤber die Weisheit der Natur und uͤber den
Gebrauch des Lebens unterrichteten, mehr an ihrer Stelle ſeyn. Sollte dieſer Gedan-
ke irgendwo eine Anwendung finden, ſo wird der Deutſche doch wohl ſo patriotiſch ge-
ſinnt ſeyn, dem einheimiſchen Verdienſt vor dem auswaͤrtigen den Vorgang zu goͤnnen.
Dadurch wuͤrden unſere Gaͤrten, die ſo lange Nachahmungen der Mode und ſo ſelten
Werke unſers Genies ſind, nicht allein einen Theil von einem eigenen Nationalcha-
rakter, ſondern auch eine Kraft zu weit lehrreichern Unterhaltungen gewinnen, als alle
die gewoͤhnlichen Kopien von Statuͤen des Alterthums nicht geben koͤnnen. Aber ſo-
dann muͤßte auch ein Andreas von Schluͤter und ein Balthaſar Permoſer nicht
mehr ſo ſelten unter uns auftreten.

5.

In Abſicht auf die gute Wirkung der Statuͤen haͤngt viel von dem Ort und der
Stellung ab, die man ihnen giebt.

Zunaͤchſt
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[132/0136] Fuͤnfter Abſchnitt. Von Statuͤen, Wohlſtand, Vergnuͤgen verdanken. Allerdings hat das Verdienſt auf eine ſolche Art von Belohnung Anſpruch. Der Nachkoͤmmling verweilt vielleicht vor dem Bild- niſſe, uͤberdenkt eine ganze Reihe von edlen oder großen Thaten oder Beſtrebungen, wird geruͤhrt, zur Nacheiferung hingeriſſen, vergießt wohl ſelbſt eine Thraͤne, die den aufkeimenden Entſchluß befruchtet; vielleicht giebt auch die Einſamkeit, die hier mehr als anderswo herrſcht, ſeiner Betrachtung mit der Ruhe mehr Staͤrke, und beſchleu- nigt die Thaͤtigkeit. Wenn dieſes auch nicht immer die Wirkung der Bildniſſe ver- dienſtvoller Maͤnner iſt, ſo kann ſie es doch ſeyn, und iſt es oft geweſen, wo, anſtatt eines fluͤchtigen Begaffers, ein empfindſamer Betrachter hinzutrat. Man weiß, wie oft die edlen Juͤnglinge des Alterthums von den Statuͤen ihrer beruͤhmten Vorfahren begeiſtert wurden, wie viel man damals auf dieſe Wirkungen rechnen durfte, wie nach- druͤcklich die Philoſophen ſowohl als die Vaͤter auf dieſe Bildniſſe hinwieſen, auf dieſe Ora ducum et vatum, ſapientumque ora priorum, Quos tibi cura ſequi, quos toto pectore ſentis. Statius l. 2. car. 2. Indeſſen gehoͤren den Statuͤen der Helden, der Geſetzgeber, der Erretter und Aufklaͤrer des Vaterlandes, mehr freye, als verborgene Scenen; ſie ſind ſchicklicher auf oͤffentlichen Plaͤtzen in den Staͤdten, um die Schloͤſſer der Regenten, um die Pa- laͤſte der Großen her, wo die Wuͤrde des Orts ihrem Charakter beyſtimmt, und ſie dem Volke mehr ins Auge fallen. In den Gaͤrten, vornehmlich der Privatperſonen, wuͤrden Statuͤen der Landſchaftmaler, der Dichter, welche die Schoͤnheit der Schoͤ- pfung beſangen, der Philoſophen, die uns uͤber die Weisheit der Natur und uͤber den Gebrauch des Lebens unterrichteten, mehr an ihrer Stelle ſeyn. Sollte dieſer Gedan- ke irgendwo eine Anwendung finden, ſo wird der Deutſche doch wohl ſo patriotiſch ge- ſinnt ſeyn, dem einheimiſchen Verdienſt vor dem auswaͤrtigen den Vorgang zu goͤnnen. Dadurch wuͤrden unſere Gaͤrten, die ſo lange Nachahmungen der Mode und ſo ſelten Werke unſers Genies ſind, nicht allein einen Theil von einem eigenen Nationalcha- rakter, ſondern auch eine Kraft zu weit lehrreichern Unterhaltungen gewinnen, als alle die gewoͤhnlichen Kopien von Statuͤen des Alterthums nicht geben koͤnnen. Aber ſo- dann muͤßte auch ein Andreas von Schluͤter und ein Balthaſar Permoſer nicht mehr ſo ſelten unter uns auftreten. 5. In Abſicht auf die gute Wirkung der Statuͤen haͤngt viel von dem Ort und der Stellung ab, die man ihnen giebt. Zunaͤchſt

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/136>, abgerufen am 21.11.2024.