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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Monumenten und Inschriften.
hervorbringen kann. Sie machen den Anschauer schon auf den ersten Blick aufmerk-
sam; er wird unter einer bangen Ahndung herbeygelockt; Verehrung, Liebe, Verbin-
dung, Trennung, Thränen, Sehnsucht, Schmerz, alle diese rührenden Vorstellun-
gen drängen sich seiner Seele entgegen; er tritt näher, sieht, lieset; er höret die
stumme Klage der Freundschaft, und stimmt bald mit ein; und indem er in das sym-
pathetische Gefühl dahinfließt, empfindet er wieder, was auch er einst verlor, und was
vielleicht bald sein Freund oder seine Gattinn an ihm selbst verlieren wird; ein Gemisch
von melancholischem Schauer, von sanfter Wehmuth, von zärtlichem Verlangen,
und von dunklen Hoffnungen durchwallet sein Herz; und mit einem Seufzer, der die
ganze Fülle seiner Bewegungen verräth, schleicht er davon. Mehr noch müssen sol-
che wirkliche Denkmäler in Gärten rühren, als Poussins berühmtes Gemälde Ar-
cadien,
*) das mitten in einer reizenden Landschaft das Grabmal einer jungen Schä-
ferinn vorstellt, die in der Blüthe ihres Alters gestorben ist. Die Grabschrift besteht
blos aus diesen Worten: Et in Arcadia ego! Aber diese kurze Inschrift erweckt die
ernsthaftesten Betrachtungen in zween Jünglingen und zwo Mädchen, die mit Blu-
menkränzen geschmückt sind, und, wie es scheint, dieses traurige Denkmal von ohn-
gefähr an einem Orte angetroffen haben, wo sie keinen solchen Gegenstand aufsuchten.
Einer von ihnen läßt die übrigen diese Inschrift bemerken, indem er mit dem Finger
dahin zeigt, und man nimmt in ihren Gesichtern, durch den Schmerz, der sich ihrer
bemächtigt, nun nichts mehr, als die letzten Ueberreste einer sterbenden Freude wahr.
Man glaubt die Betrachtungen zu hören, die diese jungen Personen über den Tod ma-
chen, der weder des Alters, noch der Schönheit schont, und vor dem die glücklichsten
Himmelsgegenden keine Freystätte haben.

Dem Künstler steht bey dem Bau eines Monuments eine Menge von Formen
zu Gebot, wenn sie nur sowohl an sich in einem richtigen Geschmack sind, als auch sich
zu dem Charakter seines Werks schicken. Die Erfindung aller Theile des Baues,
die ganze Ausführung und selbst die Verzierung, muß nach dem mehr oder weniger
Wichtigen, nach den Regeln der Schicklichkeit, und nach der besondern Art und Be-
stimmung des Werks genau beurtheilt und abgemessen werden. Die ganze äußere
Gestalt muß auf eine gefällige Weise das Auge an sich ziehen. Es muß einen deut-
lich ausgedruckten Charakter haben, der den Anschauer nicht lange über die Bedeutung
zweifelhaft läßt; und dieser Charakter muß schon begriffen werden können, ehe noch die
Lesung einer Inschrift die Aufklärung vollendet. Eine Urne, ein Grabmal ist schon

durch
*) Du Bos in den Reflexions critiques sur la Poesie & la Peinture. Tom. I. ch. 6.
III Band. T

Monumenten und Inſchriften.
hervorbringen kann. Sie machen den Anſchauer ſchon auf den erſten Blick aufmerk-
ſam; er wird unter einer bangen Ahndung herbeygelockt; Verehrung, Liebe, Verbin-
dung, Trennung, Thraͤnen, Sehnſucht, Schmerz, alle dieſe ruͤhrenden Vorſtellun-
gen draͤngen ſich ſeiner Seele entgegen; er tritt naͤher, ſieht, lieſet; er hoͤret die
ſtumme Klage der Freundſchaft, und ſtimmt bald mit ein; und indem er in das ſym-
pathetiſche Gefuͤhl dahinfließt, empfindet er wieder, was auch er einſt verlor, und was
vielleicht bald ſein Freund oder ſeine Gattinn an ihm ſelbſt verlieren wird; ein Gemiſch
von melancholiſchem Schauer, von ſanfter Wehmuth, von zaͤrtlichem Verlangen,
und von dunklen Hoffnungen durchwallet ſein Herz; und mit einem Seufzer, der die
ganze Fuͤlle ſeiner Bewegungen verraͤth, ſchleicht er davon. Mehr noch muͤſſen ſol-
che wirkliche Denkmaͤler in Gaͤrten ruͤhren, als Pouſſins beruͤhmtes Gemaͤlde Ar-
cadien,
*) das mitten in einer reizenden Landſchaft das Grabmal einer jungen Schaͤ-
ferinn vorſtellt, die in der Bluͤthe ihres Alters geſtorben iſt. Die Grabſchrift beſteht
blos aus dieſen Worten: Et in Arcadia ego! Aber dieſe kurze Inſchrift erweckt die
ernſthafteſten Betrachtungen in zween Juͤnglingen und zwo Maͤdchen, die mit Blu-
menkraͤnzen geſchmuͤckt ſind, und, wie es ſcheint, dieſes traurige Denkmal von ohn-
gefaͤhr an einem Orte angetroffen haben, wo ſie keinen ſolchen Gegenſtand aufſuchten.
Einer von ihnen laͤßt die uͤbrigen dieſe Inſchrift bemerken, indem er mit dem Finger
dahin zeigt, und man nimmt in ihren Geſichtern, durch den Schmerz, der ſich ihrer
bemaͤchtigt, nun nichts mehr, als die letzten Ueberreſte einer ſterbenden Freude wahr.
Man glaubt die Betrachtungen zu hoͤren, die dieſe jungen Perſonen uͤber den Tod ma-
chen, der weder des Alters, noch der Schoͤnheit ſchont, und vor dem die gluͤcklichſten
Himmelsgegenden keine Freyſtaͤtte haben.

Dem Kuͤnſtler ſteht bey dem Bau eines Monuments eine Menge von Formen
zu Gebot, wenn ſie nur ſowohl an ſich in einem richtigen Geſchmack ſind, als auch ſich
zu dem Charakter ſeines Werks ſchicken. Die Erfindung aller Theile des Baues,
die ganze Ausfuͤhrung und ſelbſt die Verzierung, muß nach dem mehr oder weniger
Wichtigen, nach den Regeln der Schicklichkeit, und nach der beſondern Art und Be-
ſtimmung des Werks genau beurtheilt und abgemeſſen werden. Die ganze aͤußere
Geſtalt muß auf eine gefaͤllige Weiſe das Auge an ſich ziehen. Es muß einen deut-
lich ausgedruckten Charakter haben, der den Anſchauer nicht lange uͤber die Bedeutung
zweifelhaft laͤßt; und dieſer Charakter muß ſchon begriffen werden koͤnnen, ehe noch die
Leſung einer Inſchrift die Aufklaͤrung vollendet. Eine Urne, ein Grabmal iſt ſchon

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III Band. T
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[145/0149] Monumenten und Inſchriften. hervorbringen kann. Sie machen den Anſchauer ſchon auf den erſten Blick aufmerk- ſam; er wird unter einer bangen Ahndung herbeygelockt; Verehrung, Liebe, Verbin- dung, Trennung, Thraͤnen, Sehnſucht, Schmerz, alle dieſe ruͤhrenden Vorſtellun- gen draͤngen ſich ſeiner Seele entgegen; er tritt naͤher, ſieht, lieſet; er hoͤret die ſtumme Klage der Freundſchaft, und ſtimmt bald mit ein; und indem er in das ſym- pathetiſche Gefuͤhl dahinfließt, empfindet er wieder, was auch er einſt verlor, und was vielleicht bald ſein Freund oder ſeine Gattinn an ihm ſelbſt verlieren wird; ein Gemiſch von melancholiſchem Schauer, von ſanfter Wehmuth, von zaͤrtlichem Verlangen, und von dunklen Hoffnungen durchwallet ſein Herz; und mit einem Seufzer, der die ganze Fuͤlle ſeiner Bewegungen verraͤth, ſchleicht er davon. Mehr noch muͤſſen ſol- che wirkliche Denkmaͤler in Gaͤrten ruͤhren, als Pouſſins beruͤhmtes Gemaͤlde Ar- cadien, *) das mitten in einer reizenden Landſchaft das Grabmal einer jungen Schaͤ- ferinn vorſtellt, die in der Bluͤthe ihres Alters geſtorben iſt. Die Grabſchrift beſteht blos aus dieſen Worten: Et in Arcadia ego! Aber dieſe kurze Inſchrift erweckt die ernſthafteſten Betrachtungen in zween Juͤnglingen und zwo Maͤdchen, die mit Blu- menkraͤnzen geſchmuͤckt ſind, und, wie es ſcheint, dieſes traurige Denkmal von ohn- gefaͤhr an einem Orte angetroffen haben, wo ſie keinen ſolchen Gegenſtand aufſuchten. Einer von ihnen laͤßt die uͤbrigen dieſe Inſchrift bemerken, indem er mit dem Finger dahin zeigt, und man nimmt in ihren Geſichtern, durch den Schmerz, der ſich ihrer bemaͤchtigt, nun nichts mehr, als die letzten Ueberreſte einer ſterbenden Freude wahr. Man glaubt die Betrachtungen zu hoͤren, die dieſe jungen Perſonen uͤber den Tod ma- chen, der weder des Alters, noch der Schoͤnheit ſchont, und vor dem die gluͤcklichſten Himmelsgegenden keine Freyſtaͤtte haben. Dem Kuͤnſtler ſteht bey dem Bau eines Monuments eine Menge von Formen zu Gebot, wenn ſie nur ſowohl an ſich in einem richtigen Geſchmack ſind, als auch ſich zu dem Charakter ſeines Werks ſchicken. Die Erfindung aller Theile des Baues, die ganze Ausfuͤhrung und ſelbſt die Verzierung, muß nach dem mehr oder weniger Wichtigen, nach den Regeln der Schicklichkeit, und nach der beſondern Art und Be- ſtimmung des Werks genau beurtheilt und abgemeſſen werden. Die ganze aͤußere Geſtalt muß auf eine gefaͤllige Weiſe das Auge an ſich ziehen. Es muß einen deut- lich ausgedruckten Charakter haben, der den Anſchauer nicht lange uͤber die Bedeutung zweifelhaft laͤßt; und dieſer Charakter muß ſchon begriffen werden koͤnnen, ehe noch die Leſung einer Inſchrift die Aufklaͤrung vollendet. Eine Urne, ein Grabmal iſt ſchon durch *) Du Bos in den Reflexions critiques ſur la Poéſie & la Peinture. Tom. I. ch. 6. III Band. T

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/149>, abgerufen am 24.11.2024.