Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.Monumenten und Inschriften. scheinen, noch sich im Ganzen durch eine Vermischung der Zeiten und Sprachen,woraus sie entlehnt sind, widersprechen. Vornehmlich müssen sie, wenn sie moralisch sind, einen wichtigen Gedanken oder eine wahre und edle Empfindung ausdrücken; wenn sie auf den Charakter des Auftritts weisen, treffend und stark seyn. Wenn die Inschriften glücklich erfunden und an ihren Plätzen schicklich ange- Zum klugen Gebrauch der Inschriften gehört, daß sie überhaupt in einem Gar- Man kann Inschriften aus verschiedenen Quellen, besonders aus den Dichtern 2. Weil U 2
Monumenten und Inſchriften. ſcheinen, noch ſich im Ganzen durch eine Vermiſchung der Zeiten und Sprachen,woraus ſie entlehnt ſind, widerſprechen. Vornehmlich muͤſſen ſie, wenn ſie moraliſch ſind, einen wichtigen Gedanken oder eine wahre und edle Empfindung ausdruͤcken; wenn ſie auf den Charakter des Auftritts weiſen, treffend und ſtark ſeyn. Wenn die Inſchriften gluͤcklich erfunden und an ihren Plaͤtzen ſchicklich ange- Zum klugen Gebrauch der Inſchriften gehoͤrt, daß ſie uͤberhaupt in einem Gar- Man kann Inſchriften aus verſchiedenen Quellen, beſonders aus den Dichtern 2. Weil U 2
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Monumenten und Inſchriften.
ſcheinen, noch ſich im Ganzen durch eine Vermiſchung der Zeiten und Sprachen,
woraus ſie entlehnt ſind, widerſprechen. Vornehmlich muͤſſen ſie, wenn ſie moraliſch
ſind, einen wichtigen Gedanken oder eine wahre und edle Empfindung ausdruͤcken;
wenn ſie auf den Charakter des Auftritts weiſen, treffend und ſtark ſeyn.
Wenn die Inſchriften gluͤcklich erfunden und an ihren Plaͤtzen ſchicklich ange-
bracht ſind, ſo beweiſen ſie immer eine gute Wirkung. Sie ſind freylich entbehrlich,
indem die Eindruͤcke eines Gartens ſehr ſchwach ſeyn muͤßten, wenn ſie erſt einer ſol-
chen Unterſtuͤtzung beduͤrftig waͤren. Allein ſie halten doch oft den fluͤchtigen Luſt-
wandler an; ſie reizen das Nachdenken zu einer Zeit, da man ſich blos den ſinnlichen
Bewegungen uͤberlaͤßt, ſie unterhalten in der Einſamkeit, beleben die Einbildungskraft,
wecken die Empfindlichkeit, oder ſtreuen nuͤtzliche Erinnerungen uͤber den Pfad des
Vergnuͤgens oder uͤber den Sitz der Ruhe aus; und faſt immer ſind ſie doch wichtig
als Veranlaſſung zu einer Folge von Ideen und Empfindungen, welchen ſich die Seele
vielleicht ohne ſie nicht ſo leicht uͤberlaſſen haͤtte.
Zum klugen Gebrauch der Inſchriften gehoͤrt, daß ſie uͤberhaupt in einem Gar-
ten nur uͤberaus ſparſam angebracht werden. Nicht jede Scene verlangt ſo wenig,
als jedes Gebaͤude, eine Inſchrift; und wenn ſich ihre Zahl zu ſehr vermehrt, ſo ver-
lieren ſie zuletzt ihre Wirkung, weil ſich die Aufmerkſamkeit auf ſie vermindert. Es
iſt angenehm, an dieſem oder jenem Orte eine hingeſtreute Inſchrift zu finden; aber
es wird beſchwerlich, wenn ſich eine Menge dem Auge zudraͤngt. Ein Gartenkuͤnſtler,
der uͤberall, wo man ruhen will, zum Leſen auffordert, der jede Bank, jedes Bret mit
einer Inſchrift bekleckt, iſt eben ſo unertraͤglich, als ein dreiſter Schwaͤtzer, der uns
ſeine Einfaͤlle oder ſeine Beleſenheit unaufhoͤrlich aufdringen will.
Man kann Inſchriften aus verſchiedenen Quellen, beſonders aus den Dichtern
des Alterthums oder ſeiner Nation, oder aus eigener Erfindungskraft ſchoͤpfen. Es
iſt bekannt, wie vortrefflich ſich die Sprache der Alten zu Inſchriften ſchickt, und wie
oft ihre Schaͤtze in dieſer Abſicht genutzt ſind. Indeſſen ſollten doch, in den meiſten
Faͤllen, die Inſchriften in der bekannten Sprache des Landes abgefaßt ſeyn, weil in
einer alten oder auslaͤndiſchen Sprache ihre Wirkung fuͤr den groͤßern Haufen verloren
geht. Es iſt ſonderbar, wenn man in einem Garten ein Gemenge von lateiniſchen,
engliſchen, franzoͤſiſchen und deutſchen Aufſchriften zuſammenwirft. Der ver-
nuͤnftige Britte ſchreibt ſie in ſeiner Sprache, wenn er nicht aus Roms Dichtern
ſchoͤpft. Nur der Deutſche kann ſeine eigene Sprache, ſeine eigene Dichter uͤberſe-
hen; und ſcheint mit ſich zufriedener, wenn er englaͤndiſche oder franzoͤſiſche In-
ſchriften ausſtellt.
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