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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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von Landhäusern.
Was hier vor Augen schwebet,
Gefällt und hüpft und singt;
Und alles, alles lebet,
Und alles scheint verjüngt. *)

Ein tausendfältig gemischter Duft verbreitet sich aus diesem Lustrevier über die benach-
barten Gegenden hinaus, und kündigt den Sitz einer Göttinn an. Dieser zauberi-
sche Platz ist rings umher von den übrigen Lustgebüschen umschlossen; um seinen run-
den Umkreis schlängelt sich ein Gang. Er hat, außer dem Sitz nahe bey der Brücke,
noch einen andern auf einer Erhöhung, wo man gerne ruhet und sich mit der Wollust
dieser Scene tränkt. Die große Mannigfaltigkeit der ausländischen, besonders nord-
amerikanischen Gewächse, bezaubert, und ihr glücklicher Wachsthum geht bis zum
Erstaunen.

Hinter dieser reizenden Scene hinauf liegen noch zwey kleine Rasenplätze; auf
einem steht auf einer grünen Erderhöhung ein gläserner Bienenkorb, worinn man die
Aemsigkeit der nützlichsten Republik nicht ohne Vergnügen belauscht.

Aus diesen schönen Lustgebüschen kann man sich dem Canal auf verschiedenen
Gängen nähern; der angenehmste läuft an dem schlängelnden Bach hinab, der auf
beyden Seiten mit einem kleinen Rasenufer verziert ist. Wo er in den Canal fällt,
hat er noch eine kleine flache Brücke, ohne Lehne, mit vier Vasen besetzt. Er durch-
schneidet den Canal, und geht aus diesem mit verstärktem Wasser in einen Fluß über,
der auf der nördlichen Seite durch eine andre große Gegend des Gartens fließt.

Man wird diesem Canal gerne vergeben, daß er Canal ist, ein reguläres Wasser-
behältniß, das sich in einer langen Strecke hinaufzieht. Ein vorhandener wasserrei-
cher Graben, der nicht verlegt werden konnte, und die Beschaffenheit des Platzes, der
hier nicht wohl einen schlängelnden Bach zu verstatten schien, machten ihn nothwendig;
und seine Anlage ist von den gewöhnlichen Fehlern der Canäle frey. Er hat ein rei-
nes und helles Wasser, worinn Fische gehen; er wird, außer daß zwey Bäche, wo-
von einer durch ihn hindurch in einen Fluß übergeht, sich in ihn ergießen, von kleinen
Wassergüssen und sprudelnden Quellen belebt. Seine Ufer sind mit Rasen bekleidet;
zu beyden Seiten laufen bequeme Gänge; ihre Außenlinien sind mit einer einfachen
Reihe von schönen schwarzen Pappeln besetzt, deren immer schwankende Zweige und
Blätter das rege Wasser durch Wiederscheine beleben, und die Erfrischung der Scene
vermehren helfen.

An
*) v. Hagedorn.
G g 2
von Landhaͤuſern.
Was hier vor Augen ſchwebet,
Gefaͤllt und huͤpft und ſingt;
Und alles, alles lebet,
Und alles ſcheint verjuͤngt. *)

Ein tauſendfaͤltig gemiſchter Duft verbreitet ſich aus dieſem Luſtrevier uͤber die benach-
barten Gegenden hinaus, und kuͤndigt den Sitz einer Goͤttinn an. Dieſer zauberi-
ſche Platz iſt rings umher von den uͤbrigen Luſtgebuͤſchen umſchloſſen; um ſeinen run-
den Umkreis ſchlaͤngelt ſich ein Gang. Er hat, außer dem Sitz nahe bey der Bruͤcke,
noch einen andern auf einer Erhoͤhung, wo man gerne ruhet und ſich mit der Wolluſt
dieſer Scene traͤnkt. Die große Mannigfaltigkeit der auslaͤndiſchen, beſonders nord-
amerikaniſchen Gewaͤchſe, bezaubert, und ihr gluͤcklicher Wachsthum geht bis zum
Erſtaunen.

Hinter dieſer reizenden Scene hinauf liegen noch zwey kleine Raſenplaͤtze; auf
einem ſteht auf einer gruͤnen Erderhoͤhung ein glaͤſerner Bienenkorb, worinn man die
Aemſigkeit der nuͤtzlichſten Republik nicht ohne Vergnuͤgen belauſcht.

Aus dieſen ſchoͤnen Luſtgebuͤſchen kann man ſich dem Canal auf verſchiedenen
Gaͤngen naͤhern; der angenehmſte laͤuft an dem ſchlaͤngelnden Bach hinab, der auf
beyden Seiten mit einem kleinen Raſenufer verziert iſt. Wo er in den Canal faͤllt,
hat er noch eine kleine flache Bruͤcke, ohne Lehne, mit vier Vaſen beſetzt. Er durch-
ſchneidet den Canal, und geht aus dieſem mit verſtaͤrktem Waſſer in einen Fluß uͤber,
der auf der noͤrdlichen Seite durch eine andre große Gegend des Gartens fließt.

Man wird dieſem Canal gerne vergeben, daß er Canal iſt, ein regulaͤres Waſſer-
behaͤltniß, das ſich in einer langen Strecke hinaufzieht. Ein vorhandener waſſerrei-
cher Graben, der nicht verlegt werden konnte, und die Beſchaffenheit des Platzes, der
hier nicht wohl einen ſchlaͤngelnden Bach zu verſtatten ſchien, machten ihn nothwendig;
und ſeine Anlage iſt von den gewoͤhnlichen Fehlern der Canaͤle frey. Er hat ein rei-
nes und helles Waſſer, worinn Fiſche gehen; er wird, außer daß zwey Baͤche, wo-
von einer durch ihn hindurch in einen Fluß uͤbergeht, ſich in ihn ergießen, von kleinen
Waſſerguͤſſen und ſprudelnden Quellen belebt. Seine Ufer ſind mit Raſen bekleidet;
zu beyden Seiten laufen bequeme Gaͤnge; ihre Außenlinien ſind mit einer einfachen
Reihe von ſchoͤnen ſchwarzen Pappeln beſetzt, deren immer ſchwankende Zweige und
Blaͤtter das rege Waſſer durch Wiederſcheine beleben, und die Erfriſchung der Scene
vermehren helfen.

An
*) v. Hagedorn.
G g 2
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[235/0246] von Landhaͤuſern. Was hier vor Augen ſchwebet, Gefaͤllt und huͤpft und ſingt; Und alles, alles lebet, Und alles ſcheint verjuͤngt. *) Ein tauſendfaͤltig gemiſchter Duft verbreitet ſich aus dieſem Luſtrevier uͤber die benach- barten Gegenden hinaus, und kuͤndigt den Sitz einer Goͤttinn an. Dieſer zauberi- ſche Platz iſt rings umher von den uͤbrigen Luſtgebuͤſchen umſchloſſen; um ſeinen run- den Umkreis ſchlaͤngelt ſich ein Gang. Er hat, außer dem Sitz nahe bey der Bruͤcke, noch einen andern auf einer Erhoͤhung, wo man gerne ruhet und ſich mit der Wolluſt dieſer Scene traͤnkt. Die große Mannigfaltigkeit der auslaͤndiſchen, beſonders nord- amerikaniſchen Gewaͤchſe, bezaubert, und ihr gluͤcklicher Wachsthum geht bis zum Erſtaunen. Hinter dieſer reizenden Scene hinauf liegen noch zwey kleine Raſenplaͤtze; auf einem ſteht auf einer gruͤnen Erderhoͤhung ein glaͤſerner Bienenkorb, worinn man die Aemſigkeit der nuͤtzlichſten Republik nicht ohne Vergnuͤgen belauſcht. Aus dieſen ſchoͤnen Luſtgebuͤſchen kann man ſich dem Canal auf verſchiedenen Gaͤngen naͤhern; der angenehmſte laͤuft an dem ſchlaͤngelnden Bach hinab, der auf beyden Seiten mit einem kleinen Raſenufer verziert iſt. Wo er in den Canal faͤllt, hat er noch eine kleine flache Bruͤcke, ohne Lehne, mit vier Vaſen beſetzt. Er durch- ſchneidet den Canal, und geht aus dieſem mit verſtaͤrktem Waſſer in einen Fluß uͤber, der auf der noͤrdlichen Seite durch eine andre große Gegend des Gartens fließt. Man wird dieſem Canal gerne vergeben, daß er Canal iſt, ein regulaͤres Waſſer- behaͤltniß, das ſich in einer langen Strecke hinaufzieht. Ein vorhandener waſſerrei- cher Graben, der nicht verlegt werden konnte, und die Beſchaffenheit des Platzes, der hier nicht wohl einen ſchlaͤngelnden Bach zu verſtatten ſchien, machten ihn nothwendig; und ſeine Anlage iſt von den gewoͤhnlichen Fehlern der Canaͤle frey. Er hat ein rei- nes und helles Waſſer, worinn Fiſche gehen; er wird, außer daß zwey Baͤche, wo- von einer durch ihn hindurch in einen Fluß uͤbergeht, ſich in ihn ergießen, von kleinen Waſſerguͤſſen und ſprudelnden Quellen belebt. Seine Ufer ſind mit Raſen bekleidet; zu beyden Seiten laufen bequeme Gaͤnge; ihre Außenlinien ſind mit einer einfachen Reihe von ſchoͤnen ſchwarzen Pappeln beſetzt, deren immer ſchwankende Zweige und Blaͤtter das rege Waſſer durch Wiederſcheine beleben, und die Erfriſchung der Scene vermehren helfen. An *) v. Hagedorn. G g 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/246>, abgerufen am 23.11.2024.