Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

Bild:
<< vorherige Seite

nach dem Charakter der Gegenden.
noch die Cypressen der Königinn Sultaninn, und behauptet, daß es bey diesen Bäu-
men war, wo der treulose Gowel die Tugend dieser Prinzessinn und der Abencarra-
ges
anklagte; die Bäume müssen daher an vierhundert Jahr alt seyn. Ich sahe sie
mit einer Empfindung an, die kein Monument von Stein einflößt; denn hier athmete
Leben. Generalif ist der Lieblingsort der Natur, und wäre ein Landsmann von
Sterne oder Richardson Herr dieses Palastes, so würde er gewiß alle Schilderun-
gen der Romandichter an Schönheit übertreffen. Doch am meisten jammerte es mich,
daß ich ihn von Unempfindlichen bewohnt sahe. Es ist ein trauriger Anblick, wie die
schönen ungekünstelten Abhänge dieser Gärten jetzt mit Steinen belegt sind, und wie
in diesem vormaligen Mittelpunkt der asiatischen Wollust, der jetzt zu einem unfrucht-
baren Schlupfwinkel eines Kapuzinerklosters herabgewürdigt ist, blos noch einige
Rohrstengel wachsen. Die reine Luft, die man hier athmet, die einfache maurische
Bauart des Palastes, die Klarheit und Menge der Gewässer führten mich zu den Zei-
ten zurück, wo Grenada eine der schönsten Städte der Welt war. Jetzt ist sie trau-
rig und öde; Entvölkerung, andere Sitten, andre Regierungen haben ihren Ruhm
vernichtet. Was Generalif ehemals war, sagt noch diese schöne arabische Inschrift:
"Reizender Palast, du zeigst dich mit Majestät, dein Glanz gleicht deiner Größe,
und dein Licht strahlt auf alles, was dich umgiebt, zurück. Du bist jedes Lobes werth,
denn dein Schmuck ist göttlich. Dein Garten ist geziert mit Blumen, die von ihren
Stengeln die süßesten Gerüche aushauchen. Eine frische Luft schüttelt den Pomeran-
zenbaum und verbreitet den Wohlgeruch seiner Blüthen weit umher. Ich höre eine
wollüstige Musik sich mit dem Rauschen der Blätter deiner Gebüsche vermischen.
Rund um mich her giebst du Harmonie, Blüthen und Grün."

c.

Auch kann sich das Romantische in wunderbaren Aussichten und Zufälligkei-
ten*) zeigen, zumal in den Stunden des aufgehenden und niedersinkenden**) Lichts
des Tages, am meisten in gebirgigten Landschaften und an den Gestaden des Meeres.
Hier bilden sich in der Luft die seltsamsten Wolkenspiele. Ein Beobachter der Na-
tur***) sah einst von dem Gipfel einer der vordersten Alpen die ganze Schweitz bis
an den Jura verwandelt in ein Wolkenmeer. Hoch glänzten sie wie Schnee, doch
hatten sie viel von der weichen Farbe der Wolle; die Fläche war eben und gefärbt, wie

das
*) [Spaltenumbruch] S. 1ster B. S. 207. 208.
**) S. 76.
***) [Spaltenumbruch] Deutscher Merkur 1781. May.
IV Band. O

nach dem Charakter der Gegenden.
noch die Cypreſſen der Koͤniginn Sultaninn, und behauptet, daß es bey dieſen Baͤu-
men war, wo der treuloſe Gowel die Tugend dieſer Prinzeſſinn und der Abencarra-
ges
anklagte; die Baͤume muͤſſen daher an vierhundert Jahr alt ſeyn. Ich ſahe ſie
mit einer Empfindung an, die kein Monument von Stein einfloͤßt; denn hier athmete
Leben. Generalif iſt der Lieblingsort der Natur, und waͤre ein Landsmann von
Sterne oder Richardſon Herr dieſes Palaſtes, ſo wuͤrde er gewiß alle Schilderun-
gen der Romandichter an Schoͤnheit uͤbertreffen. Doch am meiſten jammerte es mich,
daß ich ihn von Unempfindlichen bewohnt ſahe. Es iſt ein trauriger Anblick, wie die
ſchoͤnen ungekuͤnſtelten Abhaͤnge dieſer Gaͤrten jetzt mit Steinen belegt ſind, und wie
in dieſem vormaligen Mittelpunkt der aſiatiſchen Wolluſt, der jetzt zu einem unfrucht-
baren Schlupfwinkel eines Kapuzinerkloſters herabgewuͤrdigt iſt, blos noch einige
Rohrſtengel wachſen. Die reine Luft, die man hier athmet, die einfache mauriſche
Bauart des Palaſtes, die Klarheit und Menge der Gewaͤſſer fuͤhrten mich zu den Zei-
ten zuruͤck, wo Grenada eine der ſchoͤnſten Staͤdte der Welt war. Jetzt iſt ſie trau-
rig und oͤde; Entvoͤlkerung, andere Sitten, andre Regierungen haben ihren Ruhm
vernichtet. Was Generalif ehemals war, ſagt noch dieſe ſchoͤne arabiſche Inſchrift:
„Reizender Palaſt, du zeigſt dich mit Majeſtaͤt, dein Glanz gleicht deiner Groͤße,
und dein Licht ſtrahlt auf alles, was dich umgiebt, zuruͤck. Du biſt jedes Lobes werth,
denn dein Schmuck iſt goͤttlich. Dein Garten iſt geziert mit Blumen, die von ihren
Stengeln die ſuͤßeſten Geruͤche aushauchen. Eine friſche Luft ſchuͤttelt den Pomeran-
zenbaum und verbreitet den Wohlgeruch ſeiner Bluͤthen weit umher. Ich hoͤre eine
wolluͤſtige Muſik ſich mit dem Rauſchen der Blaͤtter deiner Gebuͤſche vermiſchen.
Rund um mich her giebſt du Harmonie, Bluͤthen und Gruͤn.“

c.

Auch kann ſich das Romantiſche in wunderbaren Ausſichten und Zufaͤlligkei-
ten*) zeigen, zumal in den Stunden des aufgehenden und niederſinkenden**) Lichts
des Tages, am meiſten in gebirgigten Landſchaften und an den Geſtaden des Meeres.
Hier bilden ſich in der Luft die ſeltſamſten Wolkenſpiele. Ein Beobachter der Na-
tur***) ſah einſt von dem Gipfel einer der vorderſten Alpen die ganze Schweitz bis
an den Jura verwandelt in ein Wolkenmeer. Hoch glaͤnzten ſie wie Schnee, doch
hatten ſie viel von der weichen Farbe der Wolle; die Flaͤche war eben und gefaͤrbt, wie

das
*) [Spaltenumbruch] S. 1ſter B. S. 207. 208.
**) S. 76.
***) [Spaltenumbruch] Deutſcher Merkur 1781. May.
IV Band. O
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <div n="5">
              <div n="6">
                <p><pb facs="#f0109" n="105"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">nach dem Charakter der Gegenden.</hi></fw><lb/>
noch die Cypre&#x017F;&#x017F;en der Ko&#x0364;niginn Sultaninn, und behauptet, daß es bey die&#x017F;en Ba&#x0364;u-<lb/>
men war, wo der treulo&#x017F;e <hi rendition="#fr">Gowel</hi> die Tugend die&#x017F;er Prinze&#x017F;&#x017F;inn und der <hi rendition="#fr">Abencarra-<lb/>
ges</hi> anklagte; die Ba&#x0364;ume mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en daher an vierhundert Jahr alt &#x017F;eyn. Ich &#x017F;ahe &#x017F;ie<lb/>
mit einer Empfindung an, die kein Monument von Stein einflo&#x0364;ßt; denn hier athmete<lb/>
Leben. <hi rendition="#fr">Generalif</hi> i&#x017F;t der Lieblingsort der Natur, und wa&#x0364;re ein Landsmann von<lb/><hi rendition="#fr">Sterne</hi> oder <hi rendition="#fr">Richard&#x017F;on</hi> Herr die&#x017F;es Pala&#x017F;tes, &#x017F;o wu&#x0364;rde er gewiß alle Schilderun-<lb/>
gen der Romandichter an Scho&#x0364;nheit u&#x0364;bertreffen. Doch am mei&#x017F;ten jammerte es mich,<lb/>
daß ich ihn von Unempfindlichen bewohnt &#x017F;ahe. Es i&#x017F;t ein trauriger Anblick, wie die<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen ungeku&#x0364;n&#x017F;telten Abha&#x0364;nge die&#x017F;er Ga&#x0364;rten jetzt mit Steinen belegt &#x017F;ind, und wie<lb/>
in die&#x017F;em vormaligen Mittelpunkt der a&#x017F;iati&#x017F;chen Wollu&#x017F;t, der jetzt zu einem unfrucht-<lb/>
baren Schlupfwinkel eines Kapuzinerklo&#x017F;ters herabgewu&#x0364;rdigt i&#x017F;t, blos noch einige<lb/>
Rohr&#x017F;tengel wach&#x017F;en. Die reine Luft, die man hier athmet, die einfache <hi rendition="#fr">mauri&#x017F;che</hi><lb/>
Bauart des Pala&#x017F;tes, die Klarheit und Menge der Gewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;er fu&#x0364;hrten mich zu den Zei-<lb/>
ten zuru&#x0364;ck, wo <hi rendition="#fr">Grenada</hi> eine der &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Sta&#x0364;dte der Welt war. Jetzt i&#x017F;t &#x017F;ie trau-<lb/>
rig und o&#x0364;de; Entvo&#x0364;lkerung, andere Sitten, andre Regierungen haben ihren Ruhm<lb/>
vernichtet. Was <hi rendition="#fr">Generalif</hi> ehemals war, &#x017F;agt noch die&#x017F;e &#x017F;cho&#x0364;ne arabi&#x017F;che In&#x017F;chrift:<lb/>
&#x201E;Reizender Pala&#x017F;t, du zeig&#x017F;t dich mit Maje&#x017F;ta&#x0364;t, dein Glanz gleicht deiner Gro&#x0364;ße,<lb/>
und dein Licht &#x017F;trahlt auf alles, was dich umgiebt, zuru&#x0364;ck. Du bi&#x017F;t jedes Lobes werth,<lb/>
denn dein Schmuck i&#x017F;t go&#x0364;ttlich. Dein Garten i&#x017F;t geziert mit Blumen, die von ihren<lb/>
Stengeln die &#x017F;u&#x0364;ße&#x017F;ten Geru&#x0364;che aushauchen. Eine fri&#x017F;che Luft &#x017F;chu&#x0364;ttelt den Pomeran-<lb/>
zenbaum und verbreitet den Wohlgeruch &#x017F;einer Blu&#x0364;then weit umher. Ich ho&#x0364;re eine<lb/>
wollu&#x0364;&#x017F;tige Mu&#x017F;ik &#x017F;ich mit dem Rau&#x017F;chen der Bla&#x0364;tter deiner Gebu&#x0364;&#x017F;che vermi&#x017F;chen.<lb/>
Rund um mich her gieb&#x017F;t du Harmonie, Blu&#x0364;then und Gru&#x0364;n.&#x201C;</p>
              </div>
            </div><lb/>
            <div n="5">
              <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">c.</hi> </hi> </head><lb/>
              <p>Auch kann &#x017F;ich das Romanti&#x017F;che in wunderbaren Aus&#x017F;ichten und Zufa&#x0364;lligkei-<lb/>
ten<note place="foot" n="*)"><cb/>
S. 1&#x017F;ter B. S. 207. 208.</note> zeigen, zumal in den Stunden des aufgehenden und nieder&#x017F;inkenden<note place="foot" n="**)">S. 76.</note> Lichts<lb/>
des Tages, am mei&#x017F;ten in gebirgigten Land&#x017F;chaften und an den Ge&#x017F;taden des Meeres.<lb/>
Hier bilden &#x017F;ich in der Luft die &#x017F;elt&#x017F;am&#x017F;ten Wolken&#x017F;piele. Ein Beobachter der Na-<lb/>
tur<note place="foot" n="***)"><cb/>
Deut&#x017F;cher Merkur 1781. May.</note> &#x017F;ah ein&#x017F;t von dem Gipfel einer der vorder&#x017F;ten Alpen die ganze <hi rendition="#fr">Schweitz</hi> bis<lb/>
an den <hi rendition="#fr">Jura</hi> verwandelt in ein Wolkenmeer. Hoch gla&#x0364;nzten &#x017F;ie wie Schnee, doch<lb/>
hatten &#x017F;ie viel von der weichen Farbe der Wolle; die Fla&#x0364;che war eben und gefa&#x0364;rbt, wie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">IV</hi><hi rendition="#fr">Band.</hi> O</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0109] nach dem Charakter der Gegenden. noch die Cypreſſen der Koͤniginn Sultaninn, und behauptet, daß es bey dieſen Baͤu- men war, wo der treuloſe Gowel die Tugend dieſer Prinzeſſinn und der Abencarra- ges anklagte; die Baͤume muͤſſen daher an vierhundert Jahr alt ſeyn. Ich ſahe ſie mit einer Empfindung an, die kein Monument von Stein einfloͤßt; denn hier athmete Leben. Generalif iſt der Lieblingsort der Natur, und waͤre ein Landsmann von Sterne oder Richardſon Herr dieſes Palaſtes, ſo wuͤrde er gewiß alle Schilderun- gen der Romandichter an Schoͤnheit uͤbertreffen. Doch am meiſten jammerte es mich, daß ich ihn von Unempfindlichen bewohnt ſahe. Es iſt ein trauriger Anblick, wie die ſchoͤnen ungekuͤnſtelten Abhaͤnge dieſer Gaͤrten jetzt mit Steinen belegt ſind, und wie in dieſem vormaligen Mittelpunkt der aſiatiſchen Wolluſt, der jetzt zu einem unfrucht- baren Schlupfwinkel eines Kapuzinerkloſters herabgewuͤrdigt iſt, blos noch einige Rohrſtengel wachſen. Die reine Luft, die man hier athmet, die einfache mauriſche Bauart des Palaſtes, die Klarheit und Menge der Gewaͤſſer fuͤhrten mich zu den Zei- ten zuruͤck, wo Grenada eine der ſchoͤnſten Staͤdte der Welt war. Jetzt iſt ſie trau- rig und oͤde; Entvoͤlkerung, andere Sitten, andre Regierungen haben ihren Ruhm vernichtet. Was Generalif ehemals war, ſagt noch dieſe ſchoͤne arabiſche Inſchrift: „Reizender Palaſt, du zeigſt dich mit Majeſtaͤt, dein Glanz gleicht deiner Groͤße, und dein Licht ſtrahlt auf alles, was dich umgiebt, zuruͤck. Du biſt jedes Lobes werth, denn dein Schmuck iſt goͤttlich. Dein Garten iſt geziert mit Blumen, die von ihren Stengeln die ſuͤßeſten Geruͤche aushauchen. Eine friſche Luft ſchuͤttelt den Pomeran- zenbaum und verbreitet den Wohlgeruch ſeiner Bluͤthen weit umher. Ich hoͤre eine wolluͤſtige Muſik ſich mit dem Rauſchen der Blaͤtter deiner Gebuͤſche vermiſchen. Rund um mich her giebſt du Harmonie, Bluͤthen und Gruͤn.“ c. Auch kann ſich das Romantiſche in wunderbaren Ausſichten und Zufaͤlligkei- ten *) zeigen, zumal in den Stunden des aufgehenden und niederſinkenden **) Lichts des Tages, am meiſten in gebirgigten Landſchaften und an den Geſtaden des Meeres. Hier bilden ſich in der Luft die ſeltſamſten Wolkenſpiele. Ein Beobachter der Na- tur ***) ſah einſt von dem Gipfel einer der vorderſten Alpen die ganze Schweitz bis an den Jura verwandelt in ein Wolkenmeer. Hoch glaͤnzten ſie wie Schnee, doch hatten ſie viel von der weichen Farbe der Wolle; die Flaͤche war eben und gefaͤrbt, wie das *) S. 1ſter B. S. 207. 208. **) S. 76. ***) Deutſcher Merkur 1781. May. IV Band. O

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/109
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/109>, abgerufen am 09.11.2024.