Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.Dritter Abschnitt. Gärten IV. Feyerlicher Garten. 1. Gärten im erhabenen und feyerlichen Styl lassen sich nicht durch die Kunst der An- Allein es kommt hiebey noch viel auf die Lage an. Wenn ein Hayn oder eine Der Charakter des Erhabenen *) bildet sich demnach vornehmlich in Gebirgen Wildniß, *) S. 1ster B. S. 194. 198. 199. 220. 221. 2ter B. S. 85. 104-106. 119-124.
Dritter Abſchnitt. Gaͤrten IV. Feyerlicher Garten. 1. Gaͤrten im erhabenen und feyerlichen Styl laſſen ſich nicht durch die Kunſt der An- Allein es kommt hiebey noch viel auf die Lage an. Wenn ein Hayn oder eine Der Charakter des Erhabenen *) bildet ſich demnach vornehmlich in Gebirgen Wildniß, *) S. 1ſter B. S. 194. 198. 199. 220. 221. 2ter B. S. 85. 104-106. 119-124.
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Dritter Abſchnitt. Gaͤrten
IV.
Feyerlicher Garten.
1.
Gaͤrten im erhabenen und feyerlichen Styl laſſen ſich nicht durch die Kunſt der An-
pflanzung ſchaffen; wenigſtens wuͤrde oft mehr als ein Menſchenalter voruͤber-
ſchwinden, ehe angepflanzte Baͤume von einem ſchnellen und emporſchießenden Wuchs
ein ſolches Anſehen erhielten, daß ſie eine recht fuͤhlbare Wirkung des Erhabenen her-
vorbraͤchten. Allein die Natur hat fuͤr dieſes Beduͤrfniß durch die hohen Eichen und
Buchen geſorgt, die wir ſchon aus der Vorwelt in unſern Waͤldern vorfinden, und
durch große Klumpen von Tannen und Fichten, die in bergigten und felſigten Hoͤhen
emporſteigen. Man muß demnach große und dunkle Waldſtuͤcke ausſuchen, wo ſich
Baͤume dieſer Art erheben, deren Gipfel ſich in den Wolken verhuͤllen, und deren aus-
gebreitete Aeſte einſt ſchon lange vermoderte Geſchlechter beſchatteten.
Allein es kommt hiebey noch viel auf die Lage an. Wenn ein Hayn oder eine
Gruppe von Eichen oder Buchen, oder Tannen und Fichten, von einer außerordentli-
chen Groͤße und Hoͤhe, auf einem Berge oder auf einem Vorgebirge am Meere ſtehen,
oder wenn ſie ſich von einem Abhange erheben, wovon der Blick in eine anſehnliche
Tiefe hinabſtuͤrzt; ſo muß jeder Anſchauer von unverfaͤlſchtem Gefuͤhl hier eine Natur-
anlage vom erhabenen Charakter wahrnehmen. Noch mehr verſtaͤrkt ſich der Cha-
rakter dieſer Lage durch Ausſichten in eine weite hinausdaͤmmernde Ferne, oder auf
naͤhere erhabene Gegenſtaͤnde, wie Gebirge, Felshoͤhen, dunkle Waͤlder, die in der
Luft zu ſchweben ſcheinen, das Meer, oder eine Reihe tiefer und finſtrer Bergthaͤler
ſind. Erſcheint in dieſem Gemaͤlde noch ein altes gothiſches Schloß, das halb von
der Zeit zertruͤmmert auf einer felſigten Spitze ſich zwiſchen unfoͤrmlichen Maſſen von
Waldbaͤumen erhebt, ſo ſcheint die Wirkung des Feyerlichen ihre Vollendung zu
erreichen.
Der Charakter des Erhabenen *) bildet ſich demnach vornehmlich in Gebirgen
und hohen felſigten Landſchaften. In dieſer Lage ſind finſtre Gehoͤlze, Tiefen, Stroͤ-
me, brauſende Waſſerſtuͤrze, Ausſichten in unermeßliche Gegenden hin, in die Ma-
lereyen der unabſehbaren Ferne, in die mannigfaltigen Schauſpiele der benachbarten
Wolken oder auf rauchende Vulkane, oder auf das graͤnzenloſe Meer, ſein Eigen-
thum. Die Kunſt der Pflanzung weicht hier ohnmaͤchtig zuruͤck. Alles muß groß,
ausgedehnt, ſtark, kuͤhn, ein Werk der allmaͤchtigen Natur ſeyn. Eine gewiſſe rohe
Wildniß,
*) S. 1ſter B. S. 194. 198. 199. 220. 221. 2ter B. S. 85. 104-106. 119-124.
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