Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.Dritter Abschnitt. Gärten Gartenkünstler ihr nachbilden. Diese Anlagen vom einfachen Charakter erforderneine sehr glückliche Erfindungskraft; denn alles soll darinn dem Charakter gemäß blei- ben, und doch immer abwechselnd und mannigfaltig seyn; angeordnet durch das Genie der Lage und ihrer Aussichten, und ausgeführt durch die Kunst der Anpflanzung, der Bebauung und der Auszierung, auf welche drey Gegenstände sich die vornehmsten Be- schäfftigungen des Gartenkünstlers beziehen. Unter den angeführten Charaktern ist der angenehme und romantische am meisten reich und mannigfaltig; nach ihnen folgt schon seltner der feyerliche; der melancholische scheint der dürftigste zu seyn. Indessen lassen sich Gärten anlegen, so wie sie auch von der Natur vorbereitet Gegenden, die mit einander verbunden werden, können entweder übereinstim- In der Verbindung mehrerer Gegenden und Scenen muß alles der Absicht un- gegen- *) S. 1ster B. S. 228. 229. 2ter B. S. 10.
Dritter Abſchnitt. Gaͤrten Gartenkuͤnſtler ihr nachbilden. Dieſe Anlagen vom einfachen Charakter erforderneine ſehr gluͤckliche Erfindungskraft; denn alles ſoll darinn dem Charakter gemaͤß blei- ben, und doch immer abwechſelnd und mannigfaltig ſeyn; angeordnet durch das Genie der Lage und ihrer Ausſichten, und ausgefuͤhrt durch die Kunſt der Anpflanzung, der Bebauung und der Auszierung, auf welche drey Gegenſtaͤnde ſich die vornehmſten Be- ſchaͤfftigungen des Gartenkuͤnſtlers beziehen. Unter den angefuͤhrten Charaktern iſt der angenehme und romantiſche am meiſten reich und mannigfaltig; nach ihnen folgt ſchon ſeltner der feyerliche; der melancholiſche ſcheint der duͤrftigſte zu ſeyn. Indeſſen laſſen ſich Gaͤrten anlegen, ſo wie ſie auch von der Natur vorbereitet Gegenden, die mit einander verbunden werden, koͤnnen entweder uͤbereinſtim- In der Verbindung mehrerer Gegenden und Scenen muß alles der Abſicht un- gegen- *) S. 1ſter B. S. 228. 229. 2ter B. S. 10.
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Dritter Abſchnitt. Gaͤrten
Gartenkuͤnſtler ihr nachbilden. Dieſe Anlagen vom einfachen Charakter erfordern
eine ſehr gluͤckliche Erfindungskraft; denn alles ſoll darinn dem Charakter gemaͤß blei-
ben, und doch immer abwechſelnd und mannigfaltig ſeyn; angeordnet durch das Genie
der Lage und ihrer Ausſichten, und ausgefuͤhrt durch die Kunſt der Anpflanzung, der
Bebauung und der Auszierung, auf welche drey Gegenſtaͤnde ſich die vornehmſten Be-
ſchaͤfftigungen des Gartenkuͤnſtlers beziehen. Unter den angefuͤhrten Charaktern iſt
der angenehme und romantiſche am meiſten reich und mannigfaltig; nach ihnen folgt
ſchon ſeltner der feyerliche; der melancholiſche ſcheint der duͤrftigſte zu ſeyn.
Indeſſen laſſen ſich Gaͤrten anlegen, ſo wie ſie auch von der Natur vorbereitet
und zuweilen von der Kunſt weiter ausgebildet ſind, Gaͤrten, die aus einer Zuſam-
menſetzung dieſer Charaktere beſtehen. Das Romantiſche verbindet ſich in den An-
lagen der Natur ſehr oft mit dem Reizenden ſowohl, als mit dem Erhabenen; und
auf dunkle und einſame Scenen erſcheinen eben ſo oft wieder heitere und lebhafte.
So ſchreitet die Natur in ihren Landſchaften immer nach den ewigen Geſetzen der Ab-
wechſelung und Mannigfaltigkeit fort, und hoͤrt nicht auf, zu ergoͤtzen.
Gegenden, die mit einander verbunden werden, koͤnnen entweder uͤbereinſtim-
mend oder contraſtirend ſeyn. Im erſten Fall muͤſſen ſie doch ſo abaͤndernd und man-
nigfaltig ſeyn, daß ihre Folge nicht ermuͤdet, ſondern vielmehr, durch Verſtaͤrkung
ihrer Wirkungen unter einander, anziehender und unterhaltender wird. Im andern
Fall unterbrechen ſie ſich und wirken Ueberraſchung, Verwunderung, lebhaftes Ver-
gnuͤgen, wie z. B. wenn nach einer melancholiſchen Gegend ploͤtzlich eine heitre Scene
mit lachenden Ausſichten hervorbricht. Einige Gegenden contraſtiren mehr gegen ein-
ander, andre weniger; und ſelbſt auf dieſe Abſtufungen iſt bey der Zuſammenſetzung
Ruͤckſicht zu nehmen.
In der Verbindung mehrerer Gegenden und Scenen muß alles der Abſicht un-
tergeordnet ſeyn, ihre Wirkungen zu heben und ihre gegenſeitigen Beziehungen zu ver-
ſtaͤrken. *) Die Wahl aller Mittel, die zur Verbindung anwendbar ſind, iſt von
eben dieſer Abſicht abhaͤngig. So mannigfaltig ſie ſind, ſo muͤſſen ſie doch uͤberall
dem Charakter des Platzes gemaͤß ſeyn. Verbindung und Uebergang iſt eine ſchwere
Kunſt des Gartenkuͤnſtlers, wie des Tonkuͤnſtlers, wie des Malers. Die Anord-
nung muß die Verbindung des Ganzen nicht ſogleich beym Eintritt uͤberſehen laſſen,
der gewoͤhnliche und faſt unvermeidliche Fehler der alten ſymmetriſchen Manier; ſie
muß, wie das Drama, noch mehr, wie die landſchaftliche Natur ſelbſt, die Kunſt
der Verwickelung beobachten; nicht vorher ſehen laſſen, wohin man kommt, welche
Scene folgt; die Erwartung immer hinhalten, und durch Taͤuſchung beleben; an den
gegen-
*) S. 1ſter B. S. 228. 229. 2ter B. S. 10.
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