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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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Dritter Abschnitt. Gärten
das malerische Ansehen gegeben, das diese Pflanze allein zu verschaffen fähig ist; die
zerbrochnen Mauern und verfallenen Thüren verbreiten
"die letzten traurigen Annehmlichkeiten der Vergänglichkeit"
darüber hin: zerstreuete Haufen von Beinen und Hirnschädeln; Nesseln, Dornen
und Unkraut, in Büscheln aus den lockern Steinen hervorsprossend; alles vereinigt
sich, die schwermüthigen Eindrücke zu erregen, welche das Verdienst solcher Scenen
sind, und kaum irgendwo vollständiger empfunden werden können. Die Kreuzgänge
bilden einen traurigen Platz, in dessen Mittelpunkt ein überaus ansehnlicher Eiben-
baum wächst. Es ist ein großer Stamm, zwey Fuß im Durchmesser, und vierzehn
Fuß hoch, der an jeder Seite eine Menge von Zweigen ausbreitet, die den ganzen Platz
überdecken. Es ist ein Ort, wo
"die traurige Eule ihre Klagen dem Mond vorträgt."
Diese Trümmer sind in dem wahren Styl, den solche Gebäude haben müssen.
Schwermuth ist der Eindruck, den diese Scenen erregen sollen, und das geschieht hier
vollkommen.

Von der Abtey kommt man nach einer Terrasse, die von der Natur an dem Ufer
des Sees gebildet ist; sie ist unregelmäßig und krummgehend; ein Wall von Felsen,
von den Wellen in allerley Formen geschlagen; an der andern Seite ein Wald, der
aus allen Arten von Pflanzen, die das Klima ertragen können, besteht, und durch
den viele Spatziergänge angelegt sind. Die Aussicht von dieser Terrasse ist mannig-
faltig, aber vollständig. Der See eröffnet ein breites mit Felsen und Eilanden be-
decktes Wasser; die Inseln sind alle bis auf eine oder zwey waldigt; die Umrisse sind
scharf und deutlich. Nichts ist lächelnder, als diese Scene, sanft und milde, ein
vollkommener Contrast der Schönheit gegen die erhabenen Gebirge, die das Ufer aus-
machen. Diese erheben sich in einem so abwechselnden und zugleich prächtigen Umriß,
daß nichts größers gedacht werden kann. Tomis und Glena sind in Ansehung der
Größe unermeßlich, haben aber wegen des dicken Waldes an ihrem Abhang, und we-
gen der Ebne ihrer Oberfläche nichts wildes; da hingegen die Berge über und nahe
bey dem Adlernest im Umriß voller Unebenen und Spitzen sind. Die Abhänge sind
zackigte Klippen von unermeßlicher Größe, welche in abscheulichen Gestalten über den
See zu hängen scheinen; und da, wo eine Oeffnung zwischen ihnen ist, erheben andere
eben so rauh ihr drohendes Haupt. Diese Scenen sieht man von den verschiedenen
Theilen der Terrasse in unzähligen Abwechselungen.

Ein Weg ist durch die Halbinsel nach Dynis Eiland auf eine so einsichtsvolle
Art durch Felder, bergigte Wälder, Ebnen u. s. w. fortgeführt, daß man nichts an-
genehmers sehen kann. Er führt durch einen mit Wald bedeckten Schauplatz von

Felsen,

Dritter Abſchnitt. Gaͤrten
das maleriſche Anſehen gegeben, das dieſe Pflanze allein zu verſchaffen faͤhig iſt; die
zerbrochnen Mauern und verfallenen Thuͤren verbreiten
„die letzten traurigen Annehmlichkeiten der Vergaͤnglichkeit“
daruͤber hin: zerſtreuete Haufen von Beinen und Hirnſchaͤdeln; Neſſeln, Dornen
und Unkraut, in Buͤſcheln aus den lockern Steinen hervorſproſſend; alles vereinigt
ſich, die ſchwermuͤthigen Eindruͤcke zu erregen, welche das Verdienſt ſolcher Scenen
ſind, und kaum irgendwo vollſtaͤndiger empfunden werden koͤnnen. Die Kreuzgaͤnge
bilden einen traurigen Platz, in deſſen Mittelpunkt ein uͤberaus anſehnlicher Eiben-
baum waͤchſt. Es iſt ein großer Stamm, zwey Fuß im Durchmeſſer, und vierzehn
Fuß hoch, der an jeder Seite eine Menge von Zweigen ausbreitet, die den ganzen Platz
uͤberdecken. Es iſt ein Ort, wo
„die traurige Eule ihre Klagen dem Mond vortraͤgt.“
Dieſe Truͤmmer ſind in dem wahren Styl, den ſolche Gebaͤude haben muͤſſen.
Schwermuth iſt der Eindruck, den dieſe Scenen erregen ſollen, und das geſchieht hier
vollkommen.

Von der Abtey kommt man nach einer Terraſſe, die von der Natur an dem Ufer
des Sees gebildet iſt; ſie iſt unregelmaͤßig und krummgehend; ein Wall von Felſen,
von den Wellen in allerley Formen geſchlagen; an der andern Seite ein Wald, der
aus allen Arten von Pflanzen, die das Klima ertragen koͤnnen, beſteht, und durch
den viele Spatziergaͤnge angelegt ſind. Die Ausſicht von dieſer Terraſſe iſt mannig-
faltig, aber vollſtaͤndig. Der See eroͤffnet ein breites mit Felſen und Eilanden be-
decktes Waſſer; die Inſeln ſind alle bis auf eine oder zwey waldigt; die Umriſſe ſind
ſcharf und deutlich. Nichts iſt laͤchelnder, als dieſe Scene, ſanft und milde, ein
vollkommener Contraſt der Schoͤnheit gegen die erhabenen Gebirge, die das Ufer aus-
machen. Dieſe erheben ſich in einem ſo abwechſelnden und zugleich praͤchtigen Umriß,
daß nichts groͤßers gedacht werden kann. Tomis und Glena ſind in Anſehung der
Groͤße unermeßlich, haben aber wegen des dicken Waldes an ihrem Abhang, und we-
gen der Ebne ihrer Oberflaͤche nichts wildes; da hingegen die Berge uͤber und nahe
bey dem Adlerneſt im Umriß voller Unebenen und Spitzen ſind. Die Abhaͤnge ſind
zackigte Klippen von unermeßlicher Groͤße, welche in abſcheulichen Geſtalten uͤber den
See zu haͤngen ſcheinen; und da, wo eine Oeffnung zwiſchen ihnen iſt, erheben andere
eben ſo rauh ihr drohendes Haupt. Dieſe Scenen ſieht man von den verſchiedenen
Theilen der Terraſſe in unzaͤhligen Abwechſelungen.

Ein Weg iſt durch die Halbinſel nach Dynis Eiland auf eine ſo einſichtsvolle
Art durch Felder, bergigte Waͤlder, Ebnen u. ſ. w. fortgefuͤhrt, daß man nichts an-
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Felſen,
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[130/0134] Dritter Abſchnitt. Gaͤrten das maleriſche Anſehen gegeben, das dieſe Pflanze allein zu verſchaffen faͤhig iſt; die zerbrochnen Mauern und verfallenen Thuͤren verbreiten „die letzten traurigen Annehmlichkeiten der Vergaͤnglichkeit“ daruͤber hin: zerſtreuete Haufen von Beinen und Hirnſchaͤdeln; Neſſeln, Dornen und Unkraut, in Buͤſcheln aus den lockern Steinen hervorſproſſend; alles vereinigt ſich, die ſchwermuͤthigen Eindruͤcke zu erregen, welche das Verdienſt ſolcher Scenen ſind, und kaum irgendwo vollſtaͤndiger empfunden werden koͤnnen. Die Kreuzgaͤnge bilden einen traurigen Platz, in deſſen Mittelpunkt ein uͤberaus anſehnlicher Eiben- baum waͤchſt. Es iſt ein großer Stamm, zwey Fuß im Durchmeſſer, und vierzehn Fuß hoch, der an jeder Seite eine Menge von Zweigen ausbreitet, die den ganzen Platz uͤberdecken. Es iſt ein Ort, wo „die traurige Eule ihre Klagen dem Mond vortraͤgt.“ Dieſe Truͤmmer ſind in dem wahren Styl, den ſolche Gebaͤude haben muͤſſen. Schwermuth iſt der Eindruck, den dieſe Scenen erregen ſollen, und das geſchieht hier vollkommen. Von der Abtey kommt man nach einer Terraſſe, die von der Natur an dem Ufer des Sees gebildet iſt; ſie iſt unregelmaͤßig und krummgehend; ein Wall von Felſen, von den Wellen in allerley Formen geſchlagen; an der andern Seite ein Wald, der aus allen Arten von Pflanzen, die das Klima ertragen koͤnnen, beſteht, und durch den viele Spatziergaͤnge angelegt ſind. Die Ausſicht von dieſer Terraſſe iſt mannig- faltig, aber vollſtaͤndig. Der See eroͤffnet ein breites mit Felſen und Eilanden be- decktes Waſſer; die Inſeln ſind alle bis auf eine oder zwey waldigt; die Umriſſe ſind ſcharf und deutlich. Nichts iſt laͤchelnder, als dieſe Scene, ſanft und milde, ein vollkommener Contraſt der Schoͤnheit gegen die erhabenen Gebirge, die das Ufer aus- machen. Dieſe erheben ſich in einem ſo abwechſelnden und zugleich praͤchtigen Umriß, daß nichts groͤßers gedacht werden kann. Tomis und Glena ſind in Anſehung der Groͤße unermeßlich, haben aber wegen des dicken Waldes an ihrem Abhang, und we- gen der Ebne ihrer Oberflaͤche nichts wildes; da hingegen die Berge uͤber und nahe bey dem Adlerneſt im Umriß voller Unebenen und Spitzen ſind. Die Abhaͤnge ſind zackigte Klippen von unermeßlicher Groͤße, welche in abſcheulichen Geſtalten uͤber den See zu haͤngen ſcheinen; und da, wo eine Oeffnung zwiſchen ihnen iſt, erheben andere eben ſo rauh ihr drohendes Haupt. Dieſe Scenen ſieht man von den verſchiedenen Theilen der Terraſſe in unzaͤhligen Abwechſelungen. Ein Weg iſt durch die Halbinſel nach Dynis Eiland auf eine ſo einſichtsvolle Art durch Felder, bergigte Waͤlder, Ebnen u. ſ. w. fortgefuͤhrt, daß man nichts an- genehmers ſehen kann. Er fuͤhrt durch einen mit Wald bedeckten Schauplatz von Felſen,

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/134>, abgerufen am 29.11.2024.