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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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Vierter Abschnitt. Gärten
Er ruhet auf acht freystehenden Säulen von ionischer Ordnung; die leichte Kuppel ist
mit Kränzen behangen und oben mit einer Vase voll Blumen gekrönt; auf der untern
Stufe, welche das ganze Gebäude umgiebt, laden zwey Ruhebänke ein. Lachende
Bilder, die auf die Vergnügungen der Jahrszeit hinwinken, mögen den Tempel um-
geben und den Reiz seines Eindrucks erhöhen; tanzende Liebesgötter mit schalkhaften
Nymphen gepaart, die Göttinn der Freude, oder die Göttinn der Blumen von einem
schönen Jüngling, dem Frühling, umarmt, sind hier sehr schickliche Statüen. Auch
Inschriften können, an Gebäuden und Sitzen angebracht, auf die Scenen des Früh-
lings aufmerksamer machen, und zum Genuß des Vergnügens auffordern.

Lasset keine Nachtigall
Unbehorcht verstummen;
Keine Bien' im Frühlingsthal
Unbelauscht entsummen!

In Gärten des Frühlings, worüber der Himmel mit freundlichem Lichte herab-
lächelt, wo das neue Grün in einem lieblichen Schimmer glänzt, und so viele frische
Pflanzen ihre farbigten Blumenhäupter unter einander vereinigen;

Im Hayn, wo zwischen blumenvollen Sträuchen
In krummen Ufern Silberbäche schleichen,
Wo Blüthen duften, wo der Nachtigallen
Lustlieder schallen;

in diesen Gärten, wo Jugend und Freude sich umarmen, und die Stimmen beglück-
ter Liebe von allen Zweigen ertönen, flößen sich bald die sanften Empfindungen der
Zärtlichkeit einem fühlenden Herzen ein.
Liebe säuseln die Blätter,
Liebe duften die Blüthen,
Liebe rieselt die Quelle,
Liebe seufzet die Nachtigall.

Hier zwischen Gruppen von Rosen, Mandelbäumen und andern schön blühenden
Sträuchern, unter dem Dufte der Primeln, Mayblumen, Hyacinthen und Narcissen,
bey Gebüschen, wo die Sängerinnen der Zärtlichkeit locken, an Bächen, neben wel-
chen das sanfte Vergißmeinnicht aufsprießt, und der kleinen dahin wankenden Welle
mit holder Sehnsucht nachzulächeln scheint, hier ist der Ort, wo die Grazien oder die
Liebe ihren Tempel erwarten.

Vierter Abſchnitt. Gaͤrten
Er ruhet auf acht freyſtehenden Saͤulen von ioniſcher Ordnung; die leichte Kuppel iſt
mit Kraͤnzen behangen und oben mit einer Vaſe voll Blumen gekroͤnt; auf der untern
Stufe, welche das ganze Gebaͤude umgiebt, laden zwey Ruhebaͤnke ein. Lachende
Bilder, die auf die Vergnuͤgungen der Jahrszeit hinwinken, moͤgen den Tempel um-
geben und den Reiz ſeines Eindrucks erhoͤhen; tanzende Liebesgoͤtter mit ſchalkhaften
Nymphen gepaart, die Goͤttinn der Freude, oder die Goͤttinn der Blumen von einem
ſchoͤnen Juͤngling, dem Fruͤhling, umarmt, ſind hier ſehr ſchickliche Statuͤen. Auch
Inſchriften koͤnnen, an Gebaͤuden und Sitzen angebracht, auf die Scenen des Fruͤh-
lings aufmerkſamer machen, und zum Genuß des Vergnuͤgens auffordern.

Laſſet keine Nachtigall
Unbehorcht verſtummen;
Keine Bien’ im Fruͤhlingsthal
Unbelauſcht entſummen!

In Gaͤrten des Fruͤhlings, woruͤber der Himmel mit freundlichem Lichte herab-
laͤchelt, wo das neue Gruͤn in einem lieblichen Schimmer glaͤnzt, und ſo viele friſche
Pflanzen ihre farbigten Blumenhaͤupter unter einander vereinigen;

Im Hayn, wo zwiſchen blumenvollen Straͤuchen
In krummen Ufern Silberbaͤche ſchleichen,
Wo Bluͤthen duften, wo der Nachtigallen
Luſtlieder ſchallen;

in dieſen Gaͤrten, wo Jugend und Freude ſich umarmen, und die Stimmen begluͤck-
ter Liebe von allen Zweigen ertoͤnen, floͤßen ſich bald die ſanften Empfindungen der
Zaͤrtlichkeit einem fuͤhlenden Herzen ein.
Liebe ſaͤuſeln die Blaͤtter,
Liebe duften die Bluͤthen,
Liebe rieſelt die Quelle,
Liebe ſeufzet die Nachtigall.

Hier zwiſchen Gruppen von Roſen, Mandelbaͤumen und andern ſchoͤn bluͤhenden
Straͤuchern, unter dem Dufte der Primeln, Mayblumen, Hyacinthen und Narciſſen,
bey Gebuͤſchen, wo die Saͤngerinnen der Zaͤrtlichkeit locken, an Baͤchen, neben wel-
chen das ſanfte Vergißmeinnicht aufſprießt, und der kleinen dahin wankenden Welle
mit holder Sehnſucht nachzulaͤcheln ſcheint, hier iſt der Ort, wo die Grazien oder die
Liebe ihren Tempel erwarten.

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[148/0152] Vierter Abſchnitt. Gaͤrten Er ruhet auf acht freyſtehenden Saͤulen von ioniſcher Ordnung; die leichte Kuppel iſt mit Kraͤnzen behangen und oben mit einer Vaſe voll Blumen gekroͤnt; auf der untern Stufe, welche das ganze Gebaͤude umgiebt, laden zwey Ruhebaͤnke ein. Lachende Bilder, die auf die Vergnuͤgungen der Jahrszeit hinwinken, moͤgen den Tempel um- geben und den Reiz ſeines Eindrucks erhoͤhen; tanzende Liebesgoͤtter mit ſchalkhaften Nymphen gepaart, die Goͤttinn der Freude, oder die Goͤttinn der Blumen von einem ſchoͤnen Juͤngling, dem Fruͤhling, umarmt, ſind hier ſehr ſchickliche Statuͤen. Auch Inſchriften koͤnnen, an Gebaͤuden und Sitzen angebracht, auf die Scenen des Fruͤh- lings aufmerkſamer machen, und zum Genuß des Vergnuͤgens auffordern. Laſſet keine Nachtigall Unbehorcht verſtummen; Keine Bien’ im Fruͤhlingsthal Unbelauſcht entſummen! In Gaͤrten des Fruͤhlings, woruͤber der Himmel mit freundlichem Lichte herab- laͤchelt, wo das neue Gruͤn in einem lieblichen Schimmer glaͤnzt, und ſo viele friſche Pflanzen ihre farbigten Blumenhaͤupter unter einander vereinigen; Im Hayn, wo zwiſchen blumenvollen Straͤuchen In krummen Ufern Silberbaͤche ſchleichen, Wo Bluͤthen duften, wo der Nachtigallen Luſtlieder ſchallen; in dieſen Gaͤrten, wo Jugend und Freude ſich umarmen, und die Stimmen begluͤck- ter Liebe von allen Zweigen ertoͤnen, floͤßen ſich bald die ſanften Empfindungen der Zaͤrtlichkeit einem fuͤhlenden Herzen ein. Liebe ſaͤuſeln die Blaͤtter, Liebe duften die Bluͤthen, Liebe rieſelt die Quelle, Liebe ſeufzet die Nachtigall. Hier zwiſchen Gruppen von Roſen, Mandelbaͤumen und andern ſchoͤn bluͤhenden Straͤuchern, unter dem Dufte der Primeln, Mayblumen, Hyacinthen und Narciſſen, bey Gebuͤſchen, wo die Saͤngerinnen der Zaͤrtlichkeit locken, an Baͤchen, neben wel- chen das ſanfte Vergißmeinnicht aufſprießt, und der kleinen dahin wankenden Welle mit holder Sehnſucht nachzulaͤcheln ſcheint, hier iſt der Ort, wo die Grazien oder die Liebe ihren Tempel erwarten.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/152>, abgerufen am 27.11.2024.