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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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von Gärten.
mit einem neuen Reiz. Die Tannendickigte, die hin und wieder in den Wald einge-
streut sind, lassen ihr nächtliches Dunkel gegen die heitern Kronen der nahen Linden
contrastiren. Im Winter streuen sie über die umherlaufenden Spatziergänge ein
Bild, das, wiewohl nur schwach, doch wieder an die mildere Jahreszeit erinnert, die
alles mit ihrem Grün überkleidet. Sie sind noch durch eine andere Erinnerung inter-
essant, durch die, daß der jetzige Herzog sie zum Theil mit eigner Hand gepflanzt hat.

Eine Menge von Waldvögeln erfreuet vom Morgen bis zum Abend diese Spa-
tziergänge. Ueberall Gesang, überall Umherflattern fröhlicher Geschöpfe. Auch
springt hier manches Reh, zumal wenn die umgränzenden Kornfelder abgemähet sind,
aus den dicken Schatten vor dem ankommenden Lustwandler auf, steht wieder still, und
gafft ihn mit Neubegierde an, und scheint sich der Heiligkeit des Gastrechts bewußt
zu seyn, unter dessen Schutz es hier weidet.

Man trifft auf diesen Waldwegen, die sich umher winden, bald Bänke, bald
Rasensitze unter laubreichen Bäumen, bald schattigte Lauben und natürliche Bogen-
gänge an, die kühl und voll anmuthiger Durchsichten und voll Spiele des Lichts mit
der Dämmerung sind. An andern Stellen, besonders in der Nähe des Schlosses,
sind diese Bogengänge von der Kunst gezogen, und geben Aussichten auf das Wasser
hinab. Die Fruchtbaumpflanzen sind nicht allein hin und wieder in wärmere und
sichere Plätze eingeschlossen; sondern man sieht auch den Wallnußbaum, den schwarzen
Maulbeerbaum und andere Obstbäume unter den wilden Stämmen zerstreut.

Verschiedene Wege schlängeln sich nach der philosophischen Wohnung des Prin-
zen Aemil, die in einem Winkel des obern Waldes sich in ihre glückliche Einsamkeit
zu verhüllen scheint. Hohe Waldbäume bilden fast von allen Seiten um dieses Re-
vier einen feyerlichen Umzug, und erquickende Kühlung säuselt aus ihren Gipfeln herab.
Das Haus hat keine Pracht, nur anständige Bequemlichkeit; man erkennt sogleich die
Wohnung eines Weisen, der das Leben nicht nach den Bedürfnissen, womit Stolz
und Weichlichkeit es belasten, sondern nur nach dem Werthe wägt, den es für den
Genuß unsrer selbst hat. Eine mäßige aber gewählte Bibliothek, eine Sammlung
der schönsten Blumen, die in Vasen die lustigen Gemächer durchduften, eine vermischte
Gesellschaft von singenden und andern Vögeln, die in zwey großen mit der Wohnung
auf beyden Seiten verbundenen Gitterhäusern in froher Eintracht umherflattern, und aus
dem Zimmer ihre kleine glückliche Haushaltung unbesorgt belauschen lassen, machen
die Unterhaltung des Prinzen in der Einsamkeit aus. O! möchten die reinsten Düfte,
die die Natur verhaucht, sich hier zur Stärkung eines Lebens vereinigen, das nicht
blos der Familie, das der ganzen Menschheit werth ist! Möchte der freudige Gesang
der Vögel, so oft er erschallt, ganz das Gefühl der Leiden besiegen, die Sein Körper

trägt,
A a 3

von Gaͤrten.
mit einem neuen Reiz. Die Tannendickigte, die hin und wieder in den Wald einge-
ſtreut ſind, laſſen ihr naͤchtliches Dunkel gegen die heitern Kronen der nahen Linden
contraſtiren. Im Winter ſtreuen ſie uͤber die umherlaufenden Spatziergaͤnge ein
Bild, das, wiewohl nur ſchwach, doch wieder an die mildere Jahreszeit erinnert, die
alles mit ihrem Gruͤn uͤberkleidet. Sie ſind noch durch eine andere Erinnerung inter-
eſſant, durch die, daß der jetzige Herzog ſie zum Theil mit eigner Hand gepflanzt hat.

Eine Menge von Waldvoͤgeln erfreuet vom Morgen bis zum Abend dieſe Spa-
tziergaͤnge. Ueberall Geſang, uͤberall Umherflattern froͤhlicher Geſchoͤpfe. Auch
ſpringt hier manches Reh, zumal wenn die umgraͤnzenden Kornfelder abgemaͤhet ſind,
aus den dicken Schatten vor dem ankommenden Luſtwandler auf, ſteht wieder ſtill, und
gafft ihn mit Neubegierde an, und ſcheint ſich der Heiligkeit des Gaſtrechts bewußt
zu ſeyn, unter deſſen Schutz es hier weidet.

Man trifft auf dieſen Waldwegen, die ſich umher winden, bald Baͤnke, bald
Raſenſitze unter laubreichen Baͤumen, bald ſchattigte Lauben und natuͤrliche Bogen-
gaͤnge an, die kuͤhl und voll anmuthiger Durchſichten und voll Spiele des Lichts mit
der Daͤmmerung ſind. An andern Stellen, beſonders in der Naͤhe des Schloſſes,
ſind dieſe Bogengaͤnge von der Kunſt gezogen, und geben Ausſichten auf das Waſſer
hinab. Die Fruchtbaumpflanzen ſind nicht allein hin und wieder in waͤrmere und
ſichere Plaͤtze eingeſchloſſen; ſondern man ſieht auch den Wallnußbaum, den ſchwarzen
Maulbeerbaum und andere Obſtbaͤume unter den wilden Staͤmmen zerſtreut.

Verſchiedene Wege ſchlaͤngeln ſich nach der philoſophiſchen Wohnung des Prin-
zen Aemil, die in einem Winkel des obern Waldes ſich in ihre gluͤckliche Einſamkeit
zu verhuͤllen ſcheint. Hohe Waldbaͤume bilden faſt von allen Seiten um dieſes Re-
vier einen feyerlichen Umzug, und erquickende Kuͤhlung ſaͤuſelt aus ihren Gipfeln herab.
Das Haus hat keine Pracht, nur anſtaͤndige Bequemlichkeit; man erkennt ſogleich die
Wohnung eines Weiſen, der das Leben nicht nach den Beduͤrfniſſen, womit Stolz
und Weichlichkeit es belaſten, ſondern nur nach dem Werthe waͤgt, den es fuͤr den
Genuß unſrer ſelbſt hat. Eine maͤßige aber gewaͤhlte Bibliothek, eine Sammlung
der ſchoͤnſten Blumen, die in Vaſen die luſtigen Gemaͤcher durchduften, eine vermiſchte
Geſellſchaft von ſingenden und andern Voͤgeln, die in zwey großen mit der Wohnung
auf beyden Seiten verbundenen Gitterhaͤuſern in froher Eintracht umherflattern, und aus
dem Zimmer ihre kleine gluͤckliche Haushaltung unbeſorgt belauſchen laſſen, machen
die Unterhaltung des Prinzen in der Einſamkeit aus. O! moͤchten die reinſten Duͤfte,
die die Natur verhaucht, ſich hier zur Staͤrkung eines Lebens vereinigen, das nicht
blos der Familie, das der ganzen Menſchheit werth iſt! Moͤchte der freudige Geſang
der Voͤgel, ſo oft er erſchallt, ganz das Gefuͤhl der Leiden beſiegen, die Sein Koͤrper

traͤgt,
A a 3
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[189/0193] von Gaͤrten. mit einem neuen Reiz. Die Tannendickigte, die hin und wieder in den Wald einge- ſtreut ſind, laſſen ihr naͤchtliches Dunkel gegen die heitern Kronen der nahen Linden contraſtiren. Im Winter ſtreuen ſie uͤber die umherlaufenden Spatziergaͤnge ein Bild, das, wiewohl nur ſchwach, doch wieder an die mildere Jahreszeit erinnert, die alles mit ihrem Gruͤn uͤberkleidet. Sie ſind noch durch eine andere Erinnerung inter- eſſant, durch die, daß der jetzige Herzog ſie zum Theil mit eigner Hand gepflanzt hat. Eine Menge von Waldvoͤgeln erfreuet vom Morgen bis zum Abend dieſe Spa- tziergaͤnge. Ueberall Geſang, uͤberall Umherflattern froͤhlicher Geſchoͤpfe. Auch ſpringt hier manches Reh, zumal wenn die umgraͤnzenden Kornfelder abgemaͤhet ſind, aus den dicken Schatten vor dem ankommenden Luſtwandler auf, ſteht wieder ſtill, und gafft ihn mit Neubegierde an, und ſcheint ſich der Heiligkeit des Gaſtrechts bewußt zu ſeyn, unter deſſen Schutz es hier weidet. Man trifft auf dieſen Waldwegen, die ſich umher winden, bald Baͤnke, bald Raſenſitze unter laubreichen Baͤumen, bald ſchattigte Lauben und natuͤrliche Bogen- gaͤnge an, die kuͤhl und voll anmuthiger Durchſichten und voll Spiele des Lichts mit der Daͤmmerung ſind. An andern Stellen, beſonders in der Naͤhe des Schloſſes, ſind dieſe Bogengaͤnge von der Kunſt gezogen, und geben Ausſichten auf das Waſſer hinab. Die Fruchtbaumpflanzen ſind nicht allein hin und wieder in waͤrmere und ſichere Plaͤtze eingeſchloſſen; ſondern man ſieht auch den Wallnußbaum, den ſchwarzen Maulbeerbaum und andere Obſtbaͤume unter den wilden Staͤmmen zerſtreut. Verſchiedene Wege ſchlaͤngeln ſich nach der philoſophiſchen Wohnung des Prin- zen Aemil, die in einem Winkel des obern Waldes ſich in ihre gluͤckliche Einſamkeit zu verhuͤllen ſcheint. Hohe Waldbaͤume bilden faſt von allen Seiten um dieſes Re- vier einen feyerlichen Umzug, und erquickende Kuͤhlung ſaͤuſelt aus ihren Gipfeln herab. Das Haus hat keine Pracht, nur anſtaͤndige Bequemlichkeit; man erkennt ſogleich die Wohnung eines Weiſen, der das Leben nicht nach den Beduͤrfniſſen, womit Stolz und Weichlichkeit es belaſten, ſondern nur nach dem Werthe waͤgt, den es fuͤr den Genuß unſrer ſelbſt hat. Eine maͤßige aber gewaͤhlte Bibliothek, eine Sammlung der ſchoͤnſten Blumen, die in Vaſen die luſtigen Gemaͤcher durchduften, eine vermiſchte Geſellſchaft von ſingenden und andern Voͤgeln, die in zwey großen mit der Wohnung auf beyden Seiten verbundenen Gitterhaͤuſern in froher Eintracht umherflattern, und aus dem Zimmer ihre kleine gluͤckliche Haushaltung unbeſorgt belauſchen laſſen, machen die Unterhaltung des Prinzen in der Einſamkeit aus. O! moͤchten die reinſten Duͤfte, die die Natur verhaucht, ſich hier zur Staͤrkung eines Lebens vereinigen, das nicht blos der Familie, das der ganzen Menſchheit werth iſt! Moͤchte der freudige Geſang der Voͤgel, ſo oft er erſchallt, ganz das Gefuͤhl der Leiden beſiegen, die Sein Koͤrper traͤgt, A a 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/193>, abgerufen am 23.11.2024.