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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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von Gärten.
tenreichen Buchen und Eichen, die gleichsam eine Einfassung des Wassers machen;
zur Seite erhebt sich ein Getraidefeld. Das jenseitige Ufer des Mühlenkanals hat
nur eine schmale Begränzung von einzelnen, doch überschattend herabhangenden, Ei-
chen. Die Mühle macht, indem man sich ihr nähert, einen angenehmen Anblick;
ihr Spiegel, das Wasser, verräth sie zuerst. Es ist ein artiges, ländliches Gebäu-
de von richtiger Architectur; seine Lage zwischen Gebüschen und Waldstücken giebt ihm
einen malerischen Reiz; und ein naher durch die Kunst angelegter Wasserfall, der
Tag und Nacht rauschen kann, belebt noch die Scene.

Alle diese Anlagen und Verschönerungen zu Salzau sind Werke, die erst unter
dem jetzigen Besitzer entstanden, und Denkmäler nicht blos des guten Geschmacks,
sondern auch einer anhaltenden Thätigkeit. Fast überall, wo jetzt die schönsten Pflan-
zungen und Wiesen grünen, war vormals nichts anders als Morast, wo das Ungezie-
fer brütete und nur zuweilen ein Jagdhund sich hinwagte. Erst mußte in einem so
großen Umfang das Wasser durch Kanäle abgeleitet, der Boden gereinigt und ge-
trocknet, eine ungeheure Menge von Erde aufgefahren, fast jedes Gebäude auf Pfäh-
len von sechs und dreyßig Fuß befestigt, erst das Eingesunkene so oft wieder erhöhet,
das Eingefallene so oft wieder ausgebessert werden; erst mußten Jahre voll Arbeit und
Geduld verlaufen, ehe alle die Annehmlichkeiten, die hier jetzt blühen, einen Grund
fanden, wo sie sicher ihren Keim treiben konnten. Was die Klugheit sonst vermei-
det, mußte sie hier aus Noth übernehmen, da nach dem Geschmack des vorigen Zeit-
alters der Wohnsitz des Gutsherrn einmal in einer niedrigen Gegend aufgeführt stand,
welche die Vorfahren durch Gräben und Zugbrücken zu beschützen oder vielmehr unge-
sellig zu versperren gewohnt waren. Salzau ist dem Fremden, der es vor Jahren
sah, nicht mehr kenntlich; die Anmuth hat überall ihre Blumen ausgestreut. Die
wirthschaftliche Kultur verbreitet ihre Verbesserung von Dorf zu Dorf; der Bauer
sieht seine Höfe durch geschenkte Obstbäume bereichert; die Fruchtbaumzucht und die
Treibereyen der Gärten sind verfeinert; und selbst unter den Waldbäumen des Parks
wird das Auge zuweilen durch den Anblick edler Fruchtbäume überrascht, die in dem
beschützten Stande dankbar zu wetteifern scheinen, um rings um sich die Wildniß mit
einer reichern Fülle ihrer Blüthen zu verschönern. Eine ausgewählte Bibliothek nebst
einer Sammlung von Gemälden und Kupferstichen bieten auf diesem Landsitze dem
Geist des Kenners ihre Unterhaltungen an; indessen Feinheit des Geschmacks, Welt-
kenntniß und Gastfreyheit vereinigt sind, einen Umgang zu bilden, in welchem die
Musen selbst ihren Büchersaal und ihre Gallerie vergessen.



VI. Wands-
D d 2

von Gaͤrten.
tenreichen Buchen und Eichen, die gleichſam eine Einfaſſung des Waſſers machen;
zur Seite erhebt ſich ein Getraidefeld. Das jenſeitige Ufer des Muͤhlenkanals hat
nur eine ſchmale Begraͤnzung von einzelnen, doch uͤberſchattend herabhangenden, Ei-
chen. Die Muͤhle macht, indem man ſich ihr naͤhert, einen angenehmen Anblick;
ihr Spiegel, das Waſſer, verraͤth ſie zuerſt. Es iſt ein artiges, laͤndliches Gebaͤu-
de von richtiger Architectur; ſeine Lage zwiſchen Gebuͤſchen und Waldſtuͤcken giebt ihm
einen maleriſchen Reiz; und ein naher durch die Kunſt angelegter Waſſerfall, der
Tag und Nacht rauſchen kann, belebt noch die Scene.

Alle dieſe Anlagen und Verſchoͤnerungen zu Salzau ſind Werke, die erſt unter
dem jetzigen Beſitzer entſtanden, und Denkmaͤler nicht blos des guten Geſchmacks,
ſondern auch einer anhaltenden Thaͤtigkeit. Faſt uͤberall, wo jetzt die ſchoͤnſten Pflan-
zungen und Wieſen gruͤnen, war vormals nichts anders als Moraſt, wo das Ungezie-
fer bruͤtete und nur zuweilen ein Jagdhund ſich hinwagte. Erſt mußte in einem ſo
großen Umfang das Waſſer durch Kanaͤle abgeleitet, der Boden gereinigt und ge-
trocknet, eine ungeheure Menge von Erde aufgefahren, faſt jedes Gebaͤude auf Pfaͤh-
len von ſechs und dreyßig Fuß befeſtigt, erſt das Eingeſunkene ſo oft wieder erhoͤhet,
das Eingefallene ſo oft wieder ausgebeſſert werden; erſt mußten Jahre voll Arbeit und
Geduld verlaufen, ehe alle die Annehmlichkeiten, die hier jetzt bluͤhen, einen Grund
fanden, wo ſie ſicher ihren Keim treiben konnten. Was die Klugheit ſonſt vermei-
det, mußte ſie hier aus Noth uͤbernehmen, da nach dem Geſchmack des vorigen Zeit-
alters der Wohnſitz des Gutsherrn einmal in einer niedrigen Gegend aufgefuͤhrt ſtand,
welche die Vorfahren durch Graͤben und Zugbruͤcken zu beſchuͤtzen oder vielmehr unge-
ſellig zu verſperren gewohnt waren. Salzau iſt dem Fremden, der es vor Jahren
ſah, nicht mehr kenntlich; die Anmuth hat uͤberall ihre Blumen ausgeſtreut. Die
wirthſchaftliche Kultur verbreitet ihre Verbeſſerung von Dorf zu Dorf; der Bauer
ſieht ſeine Hoͤfe durch geſchenkte Obſtbaͤume bereichert; die Fruchtbaumzucht und die
Treibereyen der Gaͤrten ſind verfeinert; und ſelbſt unter den Waldbaͤumen des Parks
wird das Auge zuweilen durch den Anblick edler Fruchtbaͤume uͤberraſcht, die in dem
beſchuͤtzten Stande dankbar zu wetteifern ſcheinen, um rings um ſich die Wildniß mit
einer reichern Fuͤlle ihrer Bluͤthen zu verſchoͤnern. Eine ausgewaͤhlte Bibliothek nebſt
einer Sammlung von Gemaͤlden und Kupferſtichen bieten auf dieſem Landſitze dem
Geiſt des Kenners ihre Unterhaltungen an; indeſſen Feinheit des Geſchmacks, Welt-
kenntniß und Gaſtfreyheit vereinigt ſind, einen Umgang zu bilden, in welchem die
Muſen ſelbſt ihren Buͤcherſaal und ihre Gallerie vergeſſen.



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[211/0215] von Gaͤrten. tenreichen Buchen und Eichen, die gleichſam eine Einfaſſung des Waſſers machen; zur Seite erhebt ſich ein Getraidefeld. Das jenſeitige Ufer des Muͤhlenkanals hat nur eine ſchmale Begraͤnzung von einzelnen, doch uͤberſchattend herabhangenden, Ei- chen. Die Muͤhle macht, indem man ſich ihr naͤhert, einen angenehmen Anblick; ihr Spiegel, das Waſſer, verraͤth ſie zuerſt. Es iſt ein artiges, laͤndliches Gebaͤu- de von richtiger Architectur; ſeine Lage zwiſchen Gebuͤſchen und Waldſtuͤcken giebt ihm einen maleriſchen Reiz; und ein naher durch die Kunſt angelegter Waſſerfall, der Tag und Nacht rauſchen kann, belebt noch die Scene. Alle dieſe Anlagen und Verſchoͤnerungen zu Salzau ſind Werke, die erſt unter dem jetzigen Beſitzer entſtanden, und Denkmaͤler nicht blos des guten Geſchmacks, ſondern auch einer anhaltenden Thaͤtigkeit. Faſt uͤberall, wo jetzt die ſchoͤnſten Pflan- zungen und Wieſen gruͤnen, war vormals nichts anders als Moraſt, wo das Ungezie- fer bruͤtete und nur zuweilen ein Jagdhund ſich hinwagte. Erſt mußte in einem ſo großen Umfang das Waſſer durch Kanaͤle abgeleitet, der Boden gereinigt und ge- trocknet, eine ungeheure Menge von Erde aufgefahren, faſt jedes Gebaͤude auf Pfaͤh- len von ſechs und dreyßig Fuß befeſtigt, erſt das Eingeſunkene ſo oft wieder erhoͤhet, das Eingefallene ſo oft wieder ausgebeſſert werden; erſt mußten Jahre voll Arbeit und Geduld verlaufen, ehe alle die Annehmlichkeiten, die hier jetzt bluͤhen, einen Grund fanden, wo ſie ſicher ihren Keim treiben konnten. Was die Klugheit ſonſt vermei- det, mußte ſie hier aus Noth uͤbernehmen, da nach dem Geſchmack des vorigen Zeit- alters der Wohnſitz des Gutsherrn einmal in einer niedrigen Gegend aufgefuͤhrt ſtand, welche die Vorfahren durch Graͤben und Zugbruͤcken zu beſchuͤtzen oder vielmehr unge- ſellig zu verſperren gewohnt waren. Salzau iſt dem Fremden, der es vor Jahren ſah, nicht mehr kenntlich; die Anmuth hat uͤberall ihre Blumen ausgeſtreut. Die wirthſchaftliche Kultur verbreitet ihre Verbeſſerung von Dorf zu Dorf; der Bauer ſieht ſeine Hoͤfe durch geſchenkte Obſtbaͤume bereichert; die Fruchtbaumzucht und die Treibereyen der Gaͤrten ſind verfeinert; und ſelbſt unter den Waldbaͤumen des Parks wird das Auge zuweilen durch den Anblick edler Fruchtbaͤume uͤberraſcht, die in dem beſchuͤtzten Stande dankbar zu wetteifern ſcheinen, um rings um ſich die Wildniß mit einer reichern Fuͤlle ihrer Bluͤthen zu verſchoͤnern. Eine ausgewaͤhlte Bibliothek nebſt einer Sammlung von Gemaͤlden und Kupferſtichen bieten auf dieſem Landſitze dem Geiſt des Kenners ihre Unterhaltungen an; indeſſen Feinheit des Geſchmacks, Welt- kenntniß und Gaſtfreyheit vereinigt ſind, einen Umgang zu bilden, in welchem die Muſen ſelbſt ihren Buͤcherſaal und ihre Gallerie vergeſſen. VI. Wands- D d 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/215>, abgerufen am 21.11.2024.