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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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von Gärten.

Dieser Tempel ist es, für den Houdon zu Paris die marmorne Diana ver-
fertiget, welche ein neues Meisterstück dieses Künstlers werden wird, und schon jetzt
die Bewunderung derer ist, die seine Werkstätte besuchen. Dieser Bildsäule, schrieb
mir ein Pariser Freund, fehlt nichts, als nicht in den Ruinen zu Ephesus gefunden
zu seyn. Der Fußboden des Tempels ist rautenartig von weißem und schwarzem
Marmor. Der Bildsäule wird aber vielleicht ein andrer Platz angewiesen.

Ich muß Sie noch zu einigen herrlichen Aussichten begleiten, die diesen Garten
vor so vielen seines gleichen auszeichnen, und wo jede mit einer eigenen, von den an-
dern verschiedenen, Annehmlichkeit prangt. Hier thut sich vor Ihren Blicken ein
unermeßlicher Halbzirkel auf, angefüllt mit Dörfern, Hügeln, Buschhölzern, Saa-
ten- und Wiesen-Ebenen, die auf der weiten Fläche bald in Gruppen, bald einzeln
zerstreut liegen, und überall das Vergnügen des Auges durch neue Abwechselungen
reizen. Das Ganze lehnt sich an eine blaue majestätische Kette hoher Gebirge, die
aus Hessen kommt, und links in wechselnder Entfernung fortläuft. Unter ihnen
hebt der Inselsberg, nach dem Brocken einer der höchsten Berge in Deutschland,
sein Haupt empor. Für den Naturforscher, der sich gern in die Epochen der alten
Revolutionen unsers Erdballs denken mag, hat diese Aussicht noch das Angenehme,
daß er in diesem Halbzirkel das Becken eines großen Meeres, und in den Bergen
mit ihrem vulkanischen Gepräge seine alten Ufer wieder finden kann. Engländern,
die auf ihren Reisen den Garten besuchten, gefiel diese Aussicht vorzüglich. Hier hat
der Herzog seit kurzem ein Haus von zwey Stocken aufführen lassen.

Die Glatze des Seebergs, eines kleinen Berges, der von der einen Seite des
Gartens ohngefähr eine starke halbe Stunde entfernt liegt, und nach den Versteine-
rungen, die er enthält, das Werk einer alten Ueberschwemmung zu seyn scheint, schrän-
ket hier den Blick auf eine angenehme Weise ein. Sein kahler, gemächlich sich he-
bender Rücken, mit seinen Steinbrüchen und Abschüssen, hat etwas Romantisches,
das durch künstliche Ruinen sehr gehoben werden wird, zumal wenn das ausgesäete
Nadelholz mehr anfliegt. Zur Rechten erblickt man in der Ferne die wüsten Berg-
schlösser der Gleichen, auf ihren drey Hügeln; sie erinnern an den Roman eines
Grafen von Gleichen, der von einem Kreuzzuge seine Befreyerinn, eine Saraceninn,
mitbrachte, und von dem Pabst Dispensation erhielt, sie neben seiner ersten Gemah-
linn heyrathen zu dürfen. Links des Seebergs dehnt sich eine weite, mit Dörfern
bevölkerte, Ebene nach Sachsen aus.

Im Garten selbst bringen Sie die Kiesgänge durch gemäßigte Wendungen
und Abwege, bald in dichtes Buschholz, wo alle Arten von Grün mit einander wech-
seln, und durch die hie und da hervorschimmernden weißen Sitze noch mehr gehoben

werden,
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von Gaͤrten.

Dieſer Tempel iſt es, fuͤr den Houdon zu Paris die marmorne Diana ver-
fertiget, welche ein neues Meiſterſtuͤck dieſes Kuͤnſtlers werden wird, und ſchon jetzt
die Bewunderung derer iſt, die ſeine Werkſtaͤtte beſuchen. Dieſer Bildſaͤule, ſchrieb
mir ein Pariſer Freund, fehlt nichts, als nicht in den Ruinen zu Epheſus gefunden
zu ſeyn. Der Fußboden des Tempels iſt rautenartig von weißem und ſchwarzem
Marmor. Der Bildſaͤule wird aber vielleicht ein andrer Platz angewieſen.

Ich muß Sie noch zu einigen herrlichen Ausſichten begleiten, die dieſen Garten
vor ſo vielen ſeines gleichen auszeichnen, und wo jede mit einer eigenen, von den an-
dern verſchiedenen, Annehmlichkeit prangt. Hier thut ſich vor Ihren Blicken ein
unermeßlicher Halbzirkel auf, angefuͤllt mit Doͤrfern, Huͤgeln, Buſchhoͤlzern, Saa-
ten- und Wieſen-Ebenen, die auf der weiten Flaͤche bald in Gruppen, bald einzeln
zerſtreut liegen, und uͤberall das Vergnuͤgen des Auges durch neue Abwechſelungen
reizen. Das Ganze lehnt ſich an eine blaue majeſtaͤtiſche Kette hoher Gebirge, die
aus Heſſen kommt, und links in wechſelnder Entfernung fortlaͤuft. Unter ihnen
hebt der Inſelsberg, nach dem Brocken einer der hoͤchſten Berge in Deutſchland,
ſein Haupt empor. Fuͤr den Naturforſcher, der ſich gern in die Epochen der alten
Revolutionen unſers Erdballs denken mag, hat dieſe Ausſicht noch das Angenehme,
daß er in dieſem Halbzirkel das Becken eines großen Meeres, und in den Bergen
mit ihrem vulkaniſchen Gepraͤge ſeine alten Ufer wieder finden kann. Englaͤndern,
die auf ihren Reiſen den Garten beſuchten, gefiel dieſe Ausſicht vorzuͤglich. Hier hat
der Herzog ſeit kurzem ein Haus von zwey Stocken auffuͤhren laſſen.

Die Glatze des Seebergs, eines kleinen Berges, der von der einen Seite des
Gartens ohngefaͤhr eine ſtarke halbe Stunde entfernt liegt, und nach den Verſteine-
rungen, die er enthaͤlt, das Werk einer alten Ueberſchwemmung zu ſeyn ſcheint, ſchraͤn-
ket hier den Blick auf eine angenehme Weiſe ein. Sein kahler, gemaͤchlich ſich he-
bender Ruͤcken, mit ſeinen Steinbruͤchen und Abſchuͤſſen, hat etwas Romantiſches,
das durch kuͤnſtliche Ruinen ſehr gehoben werden wird, zumal wenn das ausgeſaͤete
Nadelholz mehr anfliegt. Zur Rechten erblickt man in der Ferne die wuͤſten Berg-
ſchloͤſſer der Gleichen, auf ihren drey Huͤgeln; ſie erinnern an den Roman eines
Grafen von Gleichen, der von einem Kreuzzuge ſeine Befreyerinn, eine Saraceninn,
mitbrachte, und von dem Pabſt Diſpenſation erhielt, ſie neben ſeiner erſten Gemah-
linn heyrathen zu duͤrfen. Links des Seebergs dehnt ſich eine weite, mit Doͤrfern
bevoͤlkerte, Ebene nach Sachſen aus.

Im Garten ſelbſt bringen Sie die Kiesgaͤnge durch gemaͤßigte Wendungen
und Abwege, bald in dichtes Buſchholz, wo alle Arten von Gruͤn mit einander wech-
ſeln, und durch die hie und da hervorſchimmernden weißen Sitze noch mehr gehoben

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[237/0241] von Gaͤrten. Dieſer Tempel iſt es, fuͤr den Houdon zu Paris die marmorne Diana ver- fertiget, welche ein neues Meiſterſtuͤck dieſes Kuͤnſtlers werden wird, und ſchon jetzt die Bewunderung derer iſt, die ſeine Werkſtaͤtte beſuchen. Dieſer Bildſaͤule, ſchrieb mir ein Pariſer Freund, fehlt nichts, als nicht in den Ruinen zu Epheſus gefunden zu ſeyn. Der Fußboden des Tempels iſt rautenartig von weißem und ſchwarzem Marmor. Der Bildſaͤule wird aber vielleicht ein andrer Platz angewieſen. Ich muß Sie noch zu einigen herrlichen Ausſichten begleiten, die dieſen Garten vor ſo vielen ſeines gleichen auszeichnen, und wo jede mit einer eigenen, von den an- dern verſchiedenen, Annehmlichkeit prangt. Hier thut ſich vor Ihren Blicken ein unermeßlicher Halbzirkel auf, angefuͤllt mit Doͤrfern, Huͤgeln, Buſchhoͤlzern, Saa- ten- und Wieſen-Ebenen, die auf der weiten Flaͤche bald in Gruppen, bald einzeln zerſtreut liegen, und uͤberall das Vergnuͤgen des Auges durch neue Abwechſelungen reizen. Das Ganze lehnt ſich an eine blaue majeſtaͤtiſche Kette hoher Gebirge, die aus Heſſen kommt, und links in wechſelnder Entfernung fortlaͤuft. Unter ihnen hebt der Inſelsberg, nach dem Brocken einer der hoͤchſten Berge in Deutſchland, ſein Haupt empor. Fuͤr den Naturforſcher, der ſich gern in die Epochen der alten Revolutionen unſers Erdballs denken mag, hat dieſe Ausſicht noch das Angenehme, daß er in dieſem Halbzirkel das Becken eines großen Meeres, und in den Bergen mit ihrem vulkaniſchen Gepraͤge ſeine alten Ufer wieder finden kann. Englaͤndern, die auf ihren Reiſen den Garten beſuchten, gefiel dieſe Ausſicht vorzuͤglich. Hier hat der Herzog ſeit kurzem ein Haus von zwey Stocken auffuͤhren laſſen. Die Glatze des Seebergs, eines kleinen Berges, der von der einen Seite des Gartens ohngefaͤhr eine ſtarke halbe Stunde entfernt liegt, und nach den Verſteine- rungen, die er enthaͤlt, das Werk einer alten Ueberſchwemmung zu ſeyn ſcheint, ſchraͤn- ket hier den Blick auf eine angenehme Weiſe ein. Sein kahler, gemaͤchlich ſich he- bender Ruͤcken, mit ſeinen Steinbruͤchen und Abſchuͤſſen, hat etwas Romantiſches, das durch kuͤnſtliche Ruinen ſehr gehoben werden wird, zumal wenn das ausgeſaͤete Nadelholz mehr anfliegt. Zur Rechten erblickt man in der Ferne die wuͤſten Berg- ſchloͤſſer der Gleichen, auf ihren drey Huͤgeln; ſie erinnern an den Roman eines Grafen von Gleichen, der von einem Kreuzzuge ſeine Befreyerinn, eine Saraceninn, mitbrachte, und von dem Pabſt Diſpenſation erhielt, ſie neben ſeiner erſten Gemah- linn heyrathen zu duͤrfen. Links des Seebergs dehnt ſich eine weite, mit Doͤrfern bevoͤlkerte, Ebene nach Sachſen aus. Im Garten ſelbſt bringen Sie die Kiesgaͤnge durch gemaͤßigte Wendungen und Abwege, bald in dichtes Buſchholz, wo alle Arten von Gruͤn mit einander wech- ſeln, und durch die hie und da hervorſchimmernden weißen Sitze noch mehr gehoben werden, G g 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/241>, abgerufen am 24.11.2024.