Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

Bild:
<< vorherige Seite

von Gärten.
ren schließt die niedere die beyden Seiten einer ansehnlichen Tiefe in sich; und die hö-
here ist ein großer Hügel. Die erstere ist mit einem dichten Gehölze eingefaßt; die
letztere aber zeigt sich im Freyen; eine dünne Hecke und ein schlänglichter Fluß sind ihre
ganze Umzäunung. Verschiedene Bäume, theils einzeln, theils in Gruppen, sind
auf den Erhöhungen des Bodens herumgestreut; hingegen ist nicht ein einziger Baum
auf allen steilen Abhängen der Tiefe zu sehen. Der Fußsteig schleichet unter einer
Hecke um die eine herum, indem er zugleich hier und da einen Schimmer von der Land-
gegend sehen läßt; darauf führt er mitten über die andere bis auf die oberste Höhe,
wo er auf einmal die ganze Aussicht ins Gesicht bringt.

Dieser Prospect ist auch eine Quelle von unendlicher Abwechselung. Er ist
reizend, und erstrecket sich über eine schöne bergigte Gegend des Landes, welche voll
von Gegenständen und Einwohnern ist. Hales-Owen, eine Stadt von einem gro-
ßen Umfange, ist nahe; und der Wreckin ist in einer Entfernung von dreyßig (engl.)
Meilen sehr deutlich am Horizonte zu unterscheiden. Von dem gedachten Hügel kann
man alles übersehen, und die anmuthige zu den Leasowes gehörige Länderey ist mit
in den Auftritt eingeschlossen. An andern Orten aber sind Wälder gepflanzt, oder
Oeffnungen gehauen, um verschiedene Theile derselben von einigen Seiten zu zeigen,
oder von andern zu verstecken. Gleich unter der vornehmsten Erhöhung, von der
man das Ganze übersehen kann, ist eine Laube, wo sich alle entzückende Gegenstände
hinter etlichen Bäumen verstecken, so daß die ganze Scene ein bloßer Zusammenhang
einer herumlaufenden Landgegend zu seyn scheinet. In andern Lauben ist diese dem
Gesicht entzogen, so daß nur eine Kirche, oder ein Thurm ohne die Kirche erscheint.
Ein Dorf, ein Pachterhaus, oder eine Bauerhütte, Gegenstände, die unter dem Ue-
berfluß des großen Prospects unbemerkt geblieben waren, machen in eingeschränktern
Aussichten ein Hauptwerk aus; und eben derselbe Gegenstand, der an einem Orte ein-
sam und frey zu stehen schien, ist an einem andern mit einem Vorgrunde von Gehölze
versehen, oder hat einen anmuthigen Berg im Rücken. Die auf jeden Umstand,
welcher der Scene zur Abwechselung dienen könnte, verwendete Sorgfalt ist unermü-
det gewesen; allein die Kunst der Erfindung kann nirgends entdeckt werden, und die
Wirkung scheint allezeit zufällig zu seyn.

Auch die Verbindungen sind insgemein sehr unerwartet. Diese erhabene und
lustige Lage verwandelt sich unmittelbar in mäßige, stille und eingeschlossene Aussich-
ten. Die erste ist eine Schaftrist, eben so schön, als ein künstlicher Rasen, in An-
sehung des Umfangs nicht zu klein, und mit verschiedenen artigen, auf einem anmu-

thig

von Gaͤrten.
ren ſchließt die niedere die beyden Seiten einer anſehnlichen Tiefe in ſich; und die hoͤ-
here iſt ein großer Huͤgel. Die erſtere iſt mit einem dichten Gehoͤlze eingefaßt; die
letztere aber zeigt ſich im Freyen; eine duͤnne Hecke und ein ſchlaͤnglichter Fluß ſind ihre
ganze Umzaͤunung. Verſchiedene Baͤume, theils einzeln, theils in Gruppen, ſind
auf den Erhoͤhungen des Bodens herumgeſtreut; hingegen iſt nicht ein einziger Baum
auf allen ſteilen Abhaͤngen der Tiefe zu ſehen. Der Fußſteig ſchleichet unter einer
Hecke um die eine herum, indem er zugleich hier und da einen Schimmer von der Land-
gegend ſehen laͤßt; darauf fuͤhrt er mitten uͤber die andere bis auf die oberſte Hoͤhe,
wo er auf einmal die ganze Ausſicht ins Geſicht bringt.

Dieſer Proſpect iſt auch eine Quelle von unendlicher Abwechſelung. Er iſt
reizend, und erſtrecket ſich uͤber eine ſchoͤne bergigte Gegend des Landes, welche voll
von Gegenſtaͤnden und Einwohnern iſt. Hales-Owen, eine Stadt von einem gro-
ßen Umfange, iſt nahe; und der Wreckin iſt in einer Entfernung von dreyßig (engl.)
Meilen ſehr deutlich am Horizonte zu unterſcheiden. Von dem gedachten Huͤgel kann
man alles uͤberſehen, und die anmuthige zu den Leaſowes gehoͤrige Laͤnderey iſt mit
in den Auftritt eingeſchloſſen. An andern Orten aber ſind Waͤlder gepflanzt, oder
Oeffnungen gehauen, um verſchiedene Theile derſelben von einigen Seiten zu zeigen,
oder von andern zu verſtecken. Gleich unter der vornehmſten Erhoͤhung, von der
man das Ganze uͤberſehen kann, iſt eine Laube, wo ſich alle entzuͤckende Gegenſtaͤnde
hinter etlichen Baͤumen verſtecken, ſo daß die ganze Scene ein bloßer Zuſammenhang
einer herumlaufenden Landgegend zu ſeyn ſcheinet. In andern Lauben iſt dieſe dem
Geſicht entzogen, ſo daß nur eine Kirche, oder ein Thurm ohne die Kirche erſcheint.
Ein Dorf, ein Pachterhaus, oder eine Bauerhuͤtte, Gegenſtaͤnde, die unter dem Ue-
berfluß des großen Proſpects unbemerkt geblieben waren, machen in eingeſchraͤnktern
Ausſichten ein Hauptwerk aus; und eben derſelbe Gegenſtand, der an einem Orte ein-
ſam und frey zu ſtehen ſchien, iſt an einem andern mit einem Vorgrunde von Gehoͤlze
verſehen, oder hat einen anmuthigen Berg im Ruͤcken. Die auf jeden Umſtand,
welcher der Scene zur Abwechſelung dienen koͤnnte, verwendete Sorgfalt iſt unermuͤ-
det geweſen; allein die Kunſt der Erfindung kann nirgends entdeckt werden, und die
Wirkung ſcheint allezeit zufaͤllig zu ſeyn.

Auch die Verbindungen ſind insgemein ſehr unerwartet. Dieſe erhabene und
luſtige Lage verwandelt ſich unmittelbar in maͤßige, ſtille und eingeſchloſſene Ausſich-
ten. Die erſte iſt eine Schaftriſt, eben ſo ſchoͤn, als ein kuͤnſtlicher Raſen, in An-
ſehung des Umfangs nicht zu klein, und mit verſchiedenen artigen, auf einem anmu-

thig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0253" n="249"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von Ga&#x0364;rten.</hi></fw><lb/>
ren &#x017F;chließt die niedere die beyden Seiten einer an&#x017F;ehnlichen Tiefe in &#x017F;ich; und die ho&#x0364;-<lb/>
here i&#x017F;t ein großer Hu&#x0364;gel. Die er&#x017F;tere i&#x017F;t mit einem dichten Geho&#x0364;lze eingefaßt; die<lb/>
letztere aber zeigt &#x017F;ich im Freyen; eine du&#x0364;nne Hecke und ein &#x017F;chla&#x0364;nglichter Fluß &#x017F;ind ihre<lb/>
ganze Umza&#x0364;unung. Ver&#x017F;chiedene Ba&#x0364;ume, theils einzeln, theils in Gruppen, &#x017F;ind<lb/>
auf den Erho&#x0364;hungen des Bodens herumge&#x017F;treut; hingegen i&#x017F;t nicht ein einziger Baum<lb/>
auf allen &#x017F;teilen Abha&#x0364;ngen der Tiefe zu &#x017F;ehen. Der Fuß&#x017F;teig &#x017F;chleichet unter einer<lb/>
Hecke um die eine herum, indem er zugleich hier und da einen Schimmer von der Land-<lb/>
gegend &#x017F;ehen la&#x0364;ßt; darauf fu&#x0364;hrt er mitten u&#x0364;ber die andere bis auf die ober&#x017F;te Ho&#x0364;he,<lb/>
wo er auf einmal die ganze Aus&#x017F;icht ins Ge&#x017F;icht bringt.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er Pro&#x017F;pect i&#x017F;t auch eine Quelle von unendlicher Abwech&#x017F;elung. Er i&#x017F;t<lb/>
reizend, und er&#x017F;trecket &#x017F;ich u&#x0364;ber eine &#x017F;cho&#x0364;ne bergigte Gegend des Landes, welche voll<lb/>
von Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden und Einwohnern i&#x017F;t. <hi rendition="#fr">Hales-Owen,</hi> eine Stadt von einem gro-<lb/>
ßen Umfange, i&#x017F;t nahe; und der <hi rendition="#fr">Wreckin</hi> i&#x017F;t in einer Entfernung von dreyßig (engl.)<lb/>
Meilen &#x017F;ehr deutlich am Horizonte zu unter&#x017F;cheiden. Von dem gedachten Hu&#x0364;gel kann<lb/>
man alles u&#x0364;ber&#x017F;ehen, und die anmuthige zu den <hi rendition="#fr">Lea&#x017F;owes</hi> geho&#x0364;rige La&#x0364;nderey i&#x017F;t mit<lb/>
in den Auftritt einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. An andern Orten aber &#x017F;ind Wa&#x0364;lder gepflanzt, oder<lb/>
Oeffnungen gehauen, um ver&#x017F;chiedene Theile der&#x017F;elben von einigen Seiten zu zeigen,<lb/>
oder von andern zu ver&#x017F;tecken. Gleich unter der vornehm&#x017F;ten Erho&#x0364;hung, von der<lb/>
man das Ganze u&#x0364;ber&#x017F;ehen kann, i&#x017F;t eine Laube, wo &#x017F;ich alle entzu&#x0364;ckende Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde<lb/>
hinter etlichen Ba&#x0364;umen ver&#x017F;tecken, &#x017F;o daß die ganze Scene ein bloßer Zu&#x017F;ammenhang<lb/>
einer <choice><sic>heumlaufenden</sic><corr>herumlaufenden</corr></choice> Landgegend zu &#x017F;eyn &#x017F;cheinet. In andern Lauben i&#x017F;t die&#x017F;e dem<lb/>
Ge&#x017F;icht entzogen, &#x017F;o daß nur eine Kirche, oder ein Thurm ohne die Kirche er&#x017F;cheint.<lb/>
Ein Dorf, ein Pachterhaus, oder eine Bauerhu&#x0364;tte, Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde, die unter dem Ue-<lb/>
berfluß des großen Pro&#x017F;pects unbemerkt geblieben waren, machen in einge&#x017F;chra&#x0364;nktern<lb/>
Aus&#x017F;ichten ein Hauptwerk aus; und eben der&#x017F;elbe Gegen&#x017F;tand, der an einem Orte ein-<lb/>
&#x017F;am und frey zu &#x017F;tehen &#x017F;chien, i&#x017F;t an einem andern mit einem Vorgrunde von Geho&#x0364;lze<lb/>
ver&#x017F;ehen, oder hat einen anmuthigen Berg im Ru&#x0364;cken. Die auf jeden Um&#x017F;tand,<lb/>
welcher der Scene zur Abwech&#x017F;elung dienen ko&#x0364;nnte, verwendete Sorgfalt i&#x017F;t unermu&#x0364;-<lb/>
det gewe&#x017F;en; allein die Kun&#x017F;t der Erfindung kann nirgends entdeckt werden, und die<lb/>
Wirkung &#x017F;cheint allezeit zufa&#x0364;llig zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Auch die Verbindungen &#x017F;ind insgemein &#x017F;ehr unerwartet. Die&#x017F;e erhabene und<lb/>
lu&#x017F;tige Lage verwandelt &#x017F;ich unmittelbar in ma&#x0364;ßige, &#x017F;tille und einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Aus&#x017F;ich-<lb/>
ten. Die er&#x017F;te i&#x017F;t eine Schaftri&#x017F;t, eben &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n, als ein ku&#x0364;n&#x017F;tlicher Ra&#x017F;en, in An-<lb/>
&#x017F;ehung des Umfangs nicht zu klein, und mit ver&#x017F;chiedenen artigen, auf einem anmu-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">thig</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[249/0253] von Gaͤrten. ren ſchließt die niedere die beyden Seiten einer anſehnlichen Tiefe in ſich; und die hoͤ- here iſt ein großer Huͤgel. Die erſtere iſt mit einem dichten Gehoͤlze eingefaßt; die letztere aber zeigt ſich im Freyen; eine duͤnne Hecke und ein ſchlaͤnglichter Fluß ſind ihre ganze Umzaͤunung. Verſchiedene Baͤume, theils einzeln, theils in Gruppen, ſind auf den Erhoͤhungen des Bodens herumgeſtreut; hingegen iſt nicht ein einziger Baum auf allen ſteilen Abhaͤngen der Tiefe zu ſehen. Der Fußſteig ſchleichet unter einer Hecke um die eine herum, indem er zugleich hier und da einen Schimmer von der Land- gegend ſehen laͤßt; darauf fuͤhrt er mitten uͤber die andere bis auf die oberſte Hoͤhe, wo er auf einmal die ganze Ausſicht ins Geſicht bringt. Dieſer Proſpect iſt auch eine Quelle von unendlicher Abwechſelung. Er iſt reizend, und erſtrecket ſich uͤber eine ſchoͤne bergigte Gegend des Landes, welche voll von Gegenſtaͤnden und Einwohnern iſt. Hales-Owen, eine Stadt von einem gro- ßen Umfange, iſt nahe; und der Wreckin iſt in einer Entfernung von dreyßig (engl.) Meilen ſehr deutlich am Horizonte zu unterſcheiden. Von dem gedachten Huͤgel kann man alles uͤberſehen, und die anmuthige zu den Leaſowes gehoͤrige Laͤnderey iſt mit in den Auftritt eingeſchloſſen. An andern Orten aber ſind Waͤlder gepflanzt, oder Oeffnungen gehauen, um verſchiedene Theile derſelben von einigen Seiten zu zeigen, oder von andern zu verſtecken. Gleich unter der vornehmſten Erhoͤhung, von der man das Ganze uͤberſehen kann, iſt eine Laube, wo ſich alle entzuͤckende Gegenſtaͤnde hinter etlichen Baͤumen verſtecken, ſo daß die ganze Scene ein bloßer Zuſammenhang einer herumlaufenden Landgegend zu ſeyn ſcheinet. In andern Lauben iſt dieſe dem Geſicht entzogen, ſo daß nur eine Kirche, oder ein Thurm ohne die Kirche erſcheint. Ein Dorf, ein Pachterhaus, oder eine Bauerhuͤtte, Gegenſtaͤnde, die unter dem Ue- berfluß des großen Proſpects unbemerkt geblieben waren, machen in eingeſchraͤnktern Ausſichten ein Hauptwerk aus; und eben derſelbe Gegenſtand, der an einem Orte ein- ſam und frey zu ſtehen ſchien, iſt an einem andern mit einem Vorgrunde von Gehoͤlze verſehen, oder hat einen anmuthigen Berg im Ruͤcken. Die auf jeden Umſtand, welcher der Scene zur Abwechſelung dienen koͤnnte, verwendete Sorgfalt iſt unermuͤ- det geweſen; allein die Kunſt der Erfindung kann nirgends entdeckt werden, und die Wirkung ſcheint allezeit zufaͤllig zu ſeyn. Auch die Verbindungen ſind insgemein ſehr unerwartet. Dieſe erhabene und luſtige Lage verwandelt ſich unmittelbar in maͤßige, ſtille und eingeſchloſſene Ausſich- ten. Die erſte iſt eine Schaftriſt, eben ſo ſchoͤn, als ein kuͤnſtlicher Raſen, in An- ſehung des Umfangs nicht zu klein, und mit verſchiedenen artigen, auf einem anmu- thig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/253
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/253>, abgerufen am 23.11.2024.