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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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nach dem Charakter der Gegenden.
Indessen wenn wir auch alles das, was von Lage, Verbindung und Zufälligkeit ab-
hängig ist, nicht genau zu bestimmen unternehmen können, so lassen sich doch vielleicht
einige Gegenstände selbst auszeichnen, die in diesem Charakter einen Unterschied ma-
chen. So liefert z. B. die Natur zu dem Charakter des Angenehmen Berge, Hügel,
Thäler, Wiesen, Wälder; Seen, Flüsse, Gruppen, Hayne und Aussichten auf man-
nigfaltig abändernde und belebte Gegenstände der Landschaft, als Weiden voll Heer-
den, schiffreiche Häfen und Ufer voll Beschäfftigungen des Fischfangs erheben diesen
Charakter schon zu dem Muntern; frischgrünende Rasen, Blumen und Blüthen der
Gebüsche mit sanften Farben, wie das Fleischfarbige, das Röthliche, Bläuliche,
Blaßgelbe und Weiße, leichte Gruppen von Sträuchern und Bäumen mit hellem
Laub und gefiederten Blättern, klare, rieselnde Bäche und spielende Wasserfälle vollen-
den ihn zu dem Heitern. Allein diese Unterschiede sind in der künstlichen Anlage eben
so wenig immer zu beobachten, als sie sich in der Natur untermischt erhalten. Und
gemeiniglich ist ein Garten in der einen Jahreszeit heiter, und in der andern blos an-
genehm. Die Kunst verstärkt diesen Charakter durch mancherley Arten von zustim-
menden Gartengebäuden, als Lusthäuser, Lustkabinette, Vogelhäuser, Fischerhütten,
Waldhäuser, Pavillons, Tempel, die anmuthigen Gegenständen und Wesen gewid-
met sind; durch Statüen und allegorische Bilder; durch Denkmäler, welche die
Phantasie auf frohe Erinnerungen leiten.

Der Charakter des Angenehmen ist überaus reich und mannigfaltig in der Natur
verbreitet, und die meisten Gärten werden mit Recht in diesem Geschmack angelegt.
Maler und Dichter, mit einer blühenden Einbildungskraft belebt und mit den Reizen
der Natur vertraut, glückliche Privatleute von Geschmack, alle die wohlgebildeten
und in sich genügsamen Seelen, die sich auf den Genuß der unschuldigen Ergötzung
des Landlebens verstehen, wählen und bilden Anlagen dieser Art mit dem besten Er-
folg. In diesen Gärten wohnen alle die sanften, beruhigenden, erwärmenden, auf-
heiternden Freuden, womit die blühende Natur den Menschen beseligen kann, und
wovon die Erinnerung in weniger aufgehellten Tagen noch von einer wehmüthigen
Sehnsucht begleitet wird.

O! Silberbach, der vormals mich vergnügt,
Wann wirst du mir ein sanftes Schlaflied rauschen?
Glückselig! wer an deinen Ufern liegt,
Wo voller Reiz der Büsche Sänger lauschen. --
Und du, o! Hayn! o! duftend Veilchenthal!
O! holder Kranz von fernen blauen Hügeln!

O! stiller

nach dem Charakter der Gegenden.
Indeſſen wenn wir auch alles das, was von Lage, Verbindung und Zufaͤlligkeit ab-
haͤngig iſt, nicht genau zu beſtimmen unternehmen koͤnnen, ſo laſſen ſich doch vielleicht
einige Gegenſtaͤnde ſelbſt auszeichnen, die in dieſem Charakter einen Unterſchied ma-
chen. So liefert z. B. die Natur zu dem Charakter des Angenehmen Berge, Huͤgel,
Thaͤler, Wieſen, Waͤlder; Seen, Fluͤſſe, Gruppen, Hayne und Ausſichten auf man-
nigfaltig abaͤndernde und belebte Gegenſtaͤnde der Landſchaft, als Weiden voll Heer-
den, ſchiffreiche Haͤfen und Ufer voll Beſchaͤfftigungen des Fiſchfangs erheben dieſen
Charakter ſchon zu dem Muntern; friſchgruͤnende Raſen, Blumen und Bluͤthen der
Gebuͤſche mit ſanften Farben, wie das Fleiſchfarbige, das Roͤthliche, Blaͤuliche,
Blaßgelbe und Weiße, leichte Gruppen von Straͤuchern und Baͤumen mit hellem
Laub und gefiederten Blaͤttern, klare, rieſelnde Baͤche und ſpielende Waſſerfaͤlle vollen-
den ihn zu dem Heitern. Allein dieſe Unterſchiede ſind in der kuͤnſtlichen Anlage eben
ſo wenig immer zu beobachten, als ſie ſich in der Natur untermiſcht erhalten. Und
gemeiniglich iſt ein Garten in der einen Jahreszeit heiter, und in der andern blos an-
genehm. Die Kunſt verſtaͤrkt dieſen Charakter durch mancherley Arten von zuſtim-
menden Gartengebaͤuden, als Luſthaͤuſer, Luſtkabinette, Vogelhaͤuſer, Fiſcherhuͤtten,
Waldhaͤuſer, Pavillons, Tempel, die anmuthigen Gegenſtaͤnden und Weſen gewid-
met ſind; durch Statuͤen und allegoriſche Bilder; durch Denkmaͤler, welche die
Phantaſie auf frohe Erinnerungen leiten.

Der Charakter des Angenehmen iſt uͤberaus reich und mannigfaltig in der Natur
verbreitet, und die meiſten Gaͤrten werden mit Recht in dieſem Geſchmack angelegt.
Maler und Dichter, mit einer bluͤhenden Einbildungskraft belebt und mit den Reizen
der Natur vertraut, gluͤckliche Privatleute von Geſchmack, alle die wohlgebildeten
und in ſich genuͤgſamen Seelen, die ſich auf den Genuß der unſchuldigen Ergoͤtzung
des Landlebens verſtehen, waͤhlen und bilden Anlagen dieſer Art mit dem beſten Er-
folg. In dieſen Gaͤrten wohnen alle die ſanften, beruhigenden, erwaͤrmenden, auf-
heiternden Freuden, womit die bluͤhende Natur den Menſchen beſeligen kann, und
wovon die Erinnerung in weniger aufgehellten Tagen noch von einer wehmuͤthigen
Sehnſucht begleitet wird.

O! Silberbach, der vormals mich vergnuͤgt,
Wann wirſt du mir ein ſanftes Schlaflied rauſchen?
Gluͤckſelig! wer an deinen Ufern liegt,
Wo voller Reiz der Buͤſche Saͤnger lauſchen. —
Und du, o! Hayn! o! duftend Veilchenthal!
O! holder Kranz von fernen blauen Huͤgeln!

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[39/0043] nach dem Charakter der Gegenden. Indeſſen wenn wir auch alles das, was von Lage, Verbindung und Zufaͤlligkeit ab- haͤngig iſt, nicht genau zu beſtimmen unternehmen koͤnnen, ſo laſſen ſich doch vielleicht einige Gegenſtaͤnde ſelbſt auszeichnen, die in dieſem Charakter einen Unterſchied ma- chen. So liefert z. B. die Natur zu dem Charakter des Angenehmen Berge, Huͤgel, Thaͤler, Wieſen, Waͤlder; Seen, Fluͤſſe, Gruppen, Hayne und Ausſichten auf man- nigfaltig abaͤndernde und belebte Gegenſtaͤnde der Landſchaft, als Weiden voll Heer- den, ſchiffreiche Haͤfen und Ufer voll Beſchaͤfftigungen des Fiſchfangs erheben dieſen Charakter ſchon zu dem Muntern; friſchgruͤnende Raſen, Blumen und Bluͤthen der Gebuͤſche mit ſanften Farben, wie das Fleiſchfarbige, das Roͤthliche, Blaͤuliche, Blaßgelbe und Weiße, leichte Gruppen von Straͤuchern und Baͤumen mit hellem Laub und gefiederten Blaͤttern, klare, rieſelnde Baͤche und ſpielende Waſſerfaͤlle vollen- den ihn zu dem Heitern. Allein dieſe Unterſchiede ſind in der kuͤnſtlichen Anlage eben ſo wenig immer zu beobachten, als ſie ſich in der Natur untermiſcht erhalten. Und gemeiniglich iſt ein Garten in der einen Jahreszeit heiter, und in der andern blos an- genehm. Die Kunſt verſtaͤrkt dieſen Charakter durch mancherley Arten von zuſtim- menden Gartengebaͤuden, als Luſthaͤuſer, Luſtkabinette, Vogelhaͤuſer, Fiſcherhuͤtten, Waldhaͤuſer, Pavillons, Tempel, die anmuthigen Gegenſtaͤnden und Weſen gewid- met ſind; durch Statuͤen und allegoriſche Bilder; durch Denkmaͤler, welche die Phantaſie auf frohe Erinnerungen leiten. Der Charakter des Angenehmen iſt uͤberaus reich und mannigfaltig in der Natur verbreitet, und die meiſten Gaͤrten werden mit Recht in dieſem Geſchmack angelegt. Maler und Dichter, mit einer bluͤhenden Einbildungskraft belebt und mit den Reizen der Natur vertraut, gluͤckliche Privatleute von Geſchmack, alle die wohlgebildeten und in ſich genuͤgſamen Seelen, die ſich auf den Genuß der unſchuldigen Ergoͤtzung des Landlebens verſtehen, waͤhlen und bilden Anlagen dieſer Art mit dem beſten Er- folg. In dieſen Gaͤrten wohnen alle die ſanften, beruhigenden, erwaͤrmenden, auf- heiternden Freuden, womit die bluͤhende Natur den Menſchen beſeligen kann, und wovon die Erinnerung in weniger aufgehellten Tagen noch von einer wehmuͤthigen Sehnſucht begleitet wird. O! Silberbach, der vormals mich vergnuͤgt, Wann wirſt du mir ein ſanftes Schlaflied rauſchen? Gluͤckſelig! wer an deinen Ufern liegt, Wo voller Reiz der Buͤſche Saͤnger lauſchen. — Und du, o! Hayn! o! duftend Veilchenthal! O! holder Kranz von fernen blauen Huͤgeln! O! ſtiller

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/43>, abgerufen am 28.04.2024.