Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.Fünfter Abschnitt. Gärten oder Scenen I. Morgengarten oder Morgenscene. [Spaltenumbruch]
Wie glänzt die Morgenröthe Auf Berg und Wald, Wo schon des Hirten Flöte Ins Land erschallt! Die Hügel und die Weide [Spaltenumbruch]
Stehn aufgehellt; Und Fruchtbarkeit und Freude Beblümt das Feld. Die Lerche steigt und schwirret Von Lust erregt; Die Taube lacht und girret, Die Wachtel schlägt. Der Schmelz der bunten Flächen Glänzt voller Pracht; Und von den lauten Bächen Entweicht die Nacht. Diese liebliche Heiterkeit, diese frische Anmuth, diese laute Wonne der erwa- Der Morgengarten eröffne sich demnach, um die Freude des jungen Tages Die *) Von Hagedorn.
Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen I. Morgengarten oder Morgenſcene. [Spaltenumbruch]
Wie glaͤnzt die Morgenroͤthe Auf Berg und Wald, Wo ſchon des Hirten Floͤte Ins Land erſchallt! Die Huͤgel und die Weide [Spaltenumbruch]
Stehn aufgehellt; Und Fruchtbarkeit und Freude Bebluͤmt das Feld. Die Lerche ſteigt und ſchwirret Von Luſt erregt; Die Taube lacht und girret, Die Wachtel ſchlaͤgt. Der Schmelz der bunten Flaͤchen Glaͤnzt voller Pracht; Und von den lauten Baͤchen Entweicht die Nacht. Dieſe liebliche Heiterkeit, dieſe friſche Anmuth, dieſe laute Wonne der erwa- Der Morgengarten eroͤffne ſich demnach, um die Freude des jungen Tages Die *) Von Hagedorn.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0012" n="4"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen</hi> </fw><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">I.</hi> </hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#b">Morgengarten oder Morgenſcene.</hi> </head><lb/> <cb/> <lg> <l><hi rendition="#in">W</hi>ie glaͤnzt die Morgenroͤthe<lb/> Auf Berg und Wald,</l><lb/> <l>Wo ſchon des Hirten Floͤte<lb/> Ins Land erſchallt!</l> </lg><lb/> <lg> <l><hi rendition="#in">D</hi>ie Huͤgel und die Weide<lb/> Stehn aufgehellt;</l><lb/> <l>Und Fruchtbarkeit und Freude<lb/> Bebluͤmt das Feld.</l> </lg><lb/> <cb/> <lg> <l>Die Lerche ſteigt und ſchwirret<lb/> Von Luſt erregt;</l><lb/> <l>Die Taube lacht und girret,<lb/> Die Wachtel ſchlaͤgt.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Der Schmelz der bunten Flaͤchen<lb/> Glaͤnzt voller Pracht;</l><lb/> <l>Und von den lauten Baͤchen<lb/> Entweicht die Nacht.</l> </lg> </lg> <note place="foot" n="*)">Von <hi rendition="#fr">Hagedorn</hi>.</note><lb/> <p>Dieſe liebliche Heiterkeit, dieſe friſche Anmuth, dieſe laute Wonne der erwa-<lb/> chenden Natur, wie belebt und erweitert ſie jedes Herz! Alles iſt Freude und ruſt<lb/> zur Freude.</p><lb/> <p>Der Morgengarten eroͤffne ſich demnach, um die Freude des jungen Tages<lb/> zu empfangen. Er verbreite ſich in einem bluͤhenden Thale, an deſſen Seite ſich ein<lb/> Berg oder eine Felſenſpitze erhebt, auf welche die aufgehende Sonne ihren roͤthenden<lb/> Glanz hinſtreue; oder er ſchmiege ſich uͤber ein huͤgeligtes Gefilde mit ſanften Ab-<lb/> haͤngen hinab. Allezeit aber breite er ſeinen ganzen Bezirk vor dem oͤſtlichen<lb/> Strahl hin, und gewaͤhre die ganze Pracht des Anblicks der aufſteigenden Sonne,<lb/> mit tauſend zufaͤlligen Reizen begleitet. Noch erquicket das Licht, ohne zu beſchwe-<lb/> ren; der Glanz, der ſich auf den Fluren zerſtreut, erheitert, ohne zu blenden.<lb/> Tauſend flimmernde Lichter ſpielen, zur Ergoͤtzung des Auges, in dem Laube der<lb/> Baͤume, auf den blumigten Wiefen, und auf dem vermiſchten Gruͤn der Felder;<lb/> ein wunderbar entzuͤckendes Schauſpiel, das ſelbſt in gefuͤhlloſe Seelen ein ſtum-<lb/> mes Erſtaunen ſtrahlt. Gruͤn iſt das Feyerkleid der Natur, die Seele der Gaͤr-<lb/> ten, und die Entzuͤckung des Auges; aber Gruͤn iſt nirgends geſuchter, nirgends<lb/> ſchoͤner, als unter den Malereyen des aufgehenden ſowohl als des untergehenden<lb/> Lichts. Der Morgengarten waͤhle, wo er kann, ſeine Lage mit Ausſichten auf<lb/> angraͤnzende Wieſen und Gebuͤſche.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [4/0012]
Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen
I.
Morgengarten oder Morgenſcene.
Wie glaͤnzt die Morgenroͤthe
Auf Berg und Wald,
Wo ſchon des Hirten Floͤte
Ins Land erſchallt!
Die Huͤgel und die Weide
Stehn aufgehellt;
Und Fruchtbarkeit und Freude
Bebluͤmt das Feld.
Die Lerche ſteigt und ſchwirret
Von Luſt erregt;
Die Taube lacht und girret,
Die Wachtel ſchlaͤgt.
Der Schmelz der bunten Flaͤchen
Glaͤnzt voller Pracht;
Und von den lauten Baͤchen
Entweicht die Nacht.
*)
Dieſe liebliche Heiterkeit, dieſe friſche Anmuth, dieſe laute Wonne der erwa-
chenden Natur, wie belebt und erweitert ſie jedes Herz! Alles iſt Freude und ruſt
zur Freude.
Der Morgengarten eroͤffne ſich demnach, um die Freude des jungen Tages
zu empfangen. Er verbreite ſich in einem bluͤhenden Thale, an deſſen Seite ſich ein
Berg oder eine Felſenſpitze erhebt, auf welche die aufgehende Sonne ihren roͤthenden
Glanz hinſtreue; oder er ſchmiege ſich uͤber ein huͤgeligtes Gefilde mit ſanften Ab-
haͤngen hinab. Allezeit aber breite er ſeinen ganzen Bezirk vor dem oͤſtlichen
Strahl hin, und gewaͤhre die ganze Pracht des Anblicks der aufſteigenden Sonne,
mit tauſend zufaͤlligen Reizen begleitet. Noch erquicket das Licht, ohne zu beſchwe-
ren; der Glanz, der ſich auf den Fluren zerſtreut, erheitert, ohne zu blenden.
Tauſend flimmernde Lichter ſpielen, zur Ergoͤtzung des Auges, in dem Laube der
Baͤume, auf den blumigten Wiefen, und auf dem vermiſchten Gruͤn der Felder;
ein wunderbar entzuͤckendes Schauſpiel, das ſelbſt in gefuͤhlloſe Seelen ein ſtum-
mes Erſtaunen ſtrahlt. Gruͤn iſt das Feyerkleid der Natur, die Seele der Gaͤr-
ten, und die Entzuͤckung des Auges; aber Gruͤn iſt nirgends geſuchter, nirgends
ſchoͤner, als unter den Malereyen des aufgehenden ſowohl als des untergehenden
Lichts. Der Morgengarten waͤhle, wo er kann, ſeine Lage mit Ausſichten auf
angraͤnzende Wieſen und Gebuͤſche.
Die
*) Von Hagedorn.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |