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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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von besondern Bestimmungen abhängig ist.
pfindungen oder Betrachtungen anbieten, die er auf der geräuschvollen Bühne der
Welt nicht findet. Hie und da können über den frey liegenden Gräbern zerstreute
Gruppen trauern, oder kleines Gesträuch mit stillem Mitleiden über den weißen Stein
hinhängen. In den Gruppen können einfame Sitze am Fuß der Gräber stehen, und
das Auge plötzlich auf eine überraschende Inschrift fallen lassen.

Bedeckte Hallen mit weinenden Bildern des Schmerzes in halb oder ganz er-
habener Arbeit, oder mit kurzen rührenden Inschriften, oder mit erhabenen Lehren
an den umher wandelnden Sterblichen; Trauergebäude, *) Todtenkapellen, Sitze der
Melancholie, **) Denkmäler, ***) die sich hier häufen, und daher eine große Man-
nichfaltigkeit der Erfindung fordern, gehören zu den Verzierungen eines großen mit
Geschmack angelegten Begräbnißplatzes. Sie können sich bald in den düstern Bezirk
schattenreicher Pflanzungen verschließen, bald an der plötzlichen Wendung eines dun-
keln Ganges überraschen, bald zwischen den Gruppen hin in der Ferne erscheinen, und
das zweifelnde Auge zu sich rufen. Doch darf kein Monument entblößt und frey in
seinem vollen Lichte da stehen; es muß sich halb hinter dem Schleyer eines Baums zu
verbergen suchen, oder, von irgend einem Gesträuch beschattet, in einer kleinen Däm-
merung zu schlummern scheinen. Diese Scenen sind hier einer großen malerischen An-
ordnung fähig. Die Lichter und Schatten fallen hier zwischen den dunkeln Pflanzun-
gen und den weißen Steinen der Grabmäler stärker, und können zu außerordentlichen
und lebhaft überraschenden Wirkungen vertheilt werden. Das Ganze muß ein großes,
ernstes, düsteres und feyerliches Gemälde darstellen, das nichts Schauerhaftes, nichts
Schreckliches hat, aber doch die Einbildungskraft erschüttert, und zugleich das Herz
in eine Bewegung von mitleidigen, zärtlichen und sanftmelancholischen Gefühlen
versetzt.

Sollte ein öffentlicher Begräbnißplatz, in diesem Geschmack veredelt, nicht eine
verdienstliche Anlage bey Residenzen und andern großen Städten, nicht eine lehrreiche
Schule für alle Klassen von Bürgern, nicht ein unterhaltender Spaziergang für den
Weisen, nicht ein erwünschter Zufluchtsort der nachweinenden Liebe seyn,

Die allem feind, womit sich Menschen trösten,
Der Stille hold, worinn sie sich verschließt,
Und nie vergnügt, als wenn ihr Leid am größten,
In Thränen frey und unbehorcht zerfließt? +
Achter
*) S. 3ten B. S. 56 und 57.
**) S. 4ten B. S. 90.
***) S. 3ten B. S. 139 u. s. w.
+ v. Haller.

von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt.
pfindungen oder Betrachtungen anbieten, die er auf der geraͤuſchvollen Buͤhne der
Welt nicht findet. Hie und da koͤnnen uͤber den frey liegenden Graͤbern zerſtreute
Gruppen trauern, oder kleines Geſtraͤuch mit ſtillem Mitleiden uͤber den weißen Stein
hinhaͤngen. In den Gruppen koͤnnen einfame Sitze am Fuß der Graͤber ſtehen, und
das Auge ploͤtzlich auf eine uͤberraſchende Inſchrift fallen laſſen.

Bedeckte Hallen mit weinenden Bildern des Schmerzes in halb oder ganz er-
habener Arbeit, oder mit kurzen ruͤhrenden Inſchriften, oder mit erhabenen Lehren
an den umher wandelnden Sterblichen; Trauergebaͤude, *) Todtenkapellen, Sitze der
Melancholie, **) Denkmaͤler, ***) die ſich hier haͤufen, und daher eine große Man-
nichfaltigkeit der Erfindung fordern, gehoͤren zu den Verzierungen eines großen mit
Geſchmack angelegten Begraͤbnißplatzes. Sie koͤnnen ſich bald in den duͤſtern Bezirk
ſchattenreicher Pflanzungen verſchließen, bald an der ploͤtzlichen Wendung eines dun-
keln Ganges uͤberraſchen, bald zwiſchen den Gruppen hin in der Ferne erſcheinen, und
das zweifelnde Auge zu ſich rufen. Doch darf kein Monument entbloͤßt und frey in
ſeinem vollen Lichte da ſtehen; es muß ſich halb hinter dem Schleyer eines Baums zu
verbergen ſuchen, oder, von irgend einem Geſtraͤuch beſchattet, in einer kleinen Daͤm-
merung zu ſchlummern ſcheinen. Dieſe Scenen ſind hier einer großen maleriſchen An-
ordnung faͤhig. Die Lichter und Schatten fallen hier zwiſchen den dunkeln Pflanzun-
gen und den weißen Steinen der Grabmaͤler ſtaͤrker, und koͤnnen zu außerordentlichen
und lebhaft uͤberraſchenden Wirkungen vertheilt werden. Das Ganze muß ein großes,
ernſtes, duͤſteres und feyerliches Gemaͤlde darſtellen, das nichts Schauerhaftes, nichts
Schreckliches hat, aber doch die Einbildungskraft erſchuͤttert, und zugleich das Herz
in eine Bewegung von mitleidigen, zaͤrtlichen und ſanftmelancholiſchen Gefuͤhlen
verſetzt.

Sollte ein oͤffentlicher Begraͤbnißplatz, in dieſem Geſchmack veredelt, nicht eine
verdienſtliche Anlage bey Reſidenzen und andern großen Staͤdten, nicht eine lehrreiche
Schule fuͤr alle Klaſſen von Buͤrgern, nicht ein unterhaltender Spaziergang fuͤr den
Weiſen, nicht ein erwuͤnſchter Zufluchtsort der nachweinenden Liebe ſeyn,

Die allem feind, womit ſich Menſchen troͤſten,
Der Stille hold, worinn ſie ſich verſchließt,
Und nie vergnuͤgt, als wenn ihr Leid am groͤßten,
In Thraͤnen frey und unbehorcht zerfließt?
Achter
*) S. 3ten B. S. 56 und 57.
**) S. 4ten B. S. 90.
***) S. 3ten B. S. 139 u. ſ. w.
v. Haller.
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[119/0127] von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. pfindungen oder Betrachtungen anbieten, die er auf der geraͤuſchvollen Buͤhne der Welt nicht findet. Hie und da koͤnnen uͤber den frey liegenden Graͤbern zerſtreute Gruppen trauern, oder kleines Geſtraͤuch mit ſtillem Mitleiden uͤber den weißen Stein hinhaͤngen. In den Gruppen koͤnnen einfame Sitze am Fuß der Graͤber ſtehen, und das Auge ploͤtzlich auf eine uͤberraſchende Inſchrift fallen laſſen. Bedeckte Hallen mit weinenden Bildern des Schmerzes in halb oder ganz er- habener Arbeit, oder mit kurzen ruͤhrenden Inſchriften, oder mit erhabenen Lehren an den umher wandelnden Sterblichen; Trauergebaͤude, *) Todtenkapellen, Sitze der Melancholie, **) Denkmaͤler, ***) die ſich hier haͤufen, und daher eine große Man- nichfaltigkeit der Erfindung fordern, gehoͤren zu den Verzierungen eines großen mit Geſchmack angelegten Begraͤbnißplatzes. Sie koͤnnen ſich bald in den duͤſtern Bezirk ſchattenreicher Pflanzungen verſchließen, bald an der ploͤtzlichen Wendung eines dun- keln Ganges uͤberraſchen, bald zwiſchen den Gruppen hin in der Ferne erſcheinen, und das zweifelnde Auge zu ſich rufen. Doch darf kein Monument entbloͤßt und frey in ſeinem vollen Lichte da ſtehen; es muß ſich halb hinter dem Schleyer eines Baums zu verbergen ſuchen, oder, von irgend einem Geſtraͤuch beſchattet, in einer kleinen Daͤm- merung zu ſchlummern ſcheinen. Dieſe Scenen ſind hier einer großen maleriſchen An- ordnung faͤhig. Die Lichter und Schatten fallen hier zwiſchen den dunkeln Pflanzun- gen und den weißen Steinen der Grabmaͤler ſtaͤrker, und koͤnnen zu außerordentlichen und lebhaft uͤberraſchenden Wirkungen vertheilt werden. Das Ganze muß ein großes, ernſtes, duͤſteres und feyerliches Gemaͤlde darſtellen, das nichts Schauerhaftes, nichts Schreckliches hat, aber doch die Einbildungskraft erſchuͤttert, und zugleich das Herz in eine Bewegung von mitleidigen, zaͤrtlichen und ſanftmelancholiſchen Gefuͤhlen verſetzt. Sollte ein oͤffentlicher Begraͤbnißplatz, in dieſem Geſchmack veredelt, nicht eine verdienſtliche Anlage bey Reſidenzen und andern großen Staͤdten, nicht eine lehrreiche Schule fuͤr alle Klaſſen von Buͤrgern, nicht ein unterhaltender Spaziergang fuͤr den Weiſen, nicht ein erwuͤnſchter Zufluchtsort der nachweinenden Liebe ſeyn, Die allem feind, womit ſich Menſchen troͤſten, Der Stille hold, worinn ſie ſich verſchließt, Und nie vergnuͤgt, als wenn ihr Leid am groͤßten, In Thraͤnen frey und unbehorcht zerfließt? † Achter *) S. 3ten B. S. 56 und 57. **) S. 4ten B. S. 90. ***) S. 3ten B. S. 139 u. ſ. w. † v. Haller.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/127>, abgerufen am 24.11.2024.