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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Beschreibungen von Gärten.
häuslichen Geselligkeit zu vertheilen; und der, um selbst den Ort seines Vergnü-
gens zum Monument seines männlichen Geschmacks zu schaffen, aus den Gärten
sein beständiges Studium macht. So manche Gartenanleger glauben, alles ge-
than zu haben, wenn sie nur ihre Bäume, ihre Rasen, ihre Blumen hinwerfen,
als wenn sie vom Zufall entstanden wären. Aber wie weit von diesem Ziel, wo
alles lange überlegt, und beobachtet ist, wo die Wirkungen berechnet und die künf-
tigen Veränderungen in dem Wachsthum der Bäume schon im Anschlag gebracht
wurden, wo die ausbildende Hand noch in jedem Sommer geschäfftig ist, hinzu-
zusetzen, wegzunehmen, zu verfeinern!

So viele edle Seelen haben in diesem Garten empfunden, welch einen Un-
terschied es zwischen Gärten giebt, die ein Mann von Gefühl und Verstand anlegt,
und zwischen jeder gemeinen Pflanzung der Mode. Möchten sie bey dieser kleinen
Beschreibung sich der heitern Stunden wieder erinnern, die sie hier genossen.
Einige haben hin und wieder an den Bänken, Stühlen und Termen ein Denkmal
ihrer gerührten Empfindung, einen Dank, eine kleine Inschrift hinterlassen wol-
len; ein Beweis, daß sie in der That von dem Zauber dieses Platzes erfüllt waren,
indem sie sich nur dem Ausbruch ihres Gefühls überließen, ohne vielleicht an die
mindere Schicklichkeit der Art des Ausdrucks zu denken. Indessen giebt es noch
eine andere Art des Beyfalls, die nicht weniger schmeichelhaft für den Anleger ist,
die stille und ernste Betrachtung des langsam umher wandelnden Kenners, der den
schöpfrischen Ideen nachspürt, aus welchen dieß kleine Wunder der Kunst ent-
sprang.



II. Marien-
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Beſchreibungen von Gaͤrten.
haͤuslichen Geſelligkeit zu vertheilen; und der, um ſelbſt den Ort ſeines Vergnuͤ-
gens zum Monument ſeines maͤnnlichen Geſchmacks zu ſchaffen, aus den Gaͤrten
ſein beſtaͤndiges Studium macht. So manche Gartenanleger glauben, alles ge-
than zu haben, wenn ſie nur ihre Baͤume, ihre Raſen, ihre Blumen hinwerfen,
als wenn ſie vom Zufall entſtanden waͤren. Aber wie weit von dieſem Ziel, wo
alles lange uͤberlegt, und beobachtet iſt, wo die Wirkungen berechnet und die kuͤnf-
tigen Veraͤnderungen in dem Wachsthum der Baͤume ſchon im Anſchlag gebracht
wurden, wo die ausbildende Hand noch in jedem Sommer geſchaͤfftig iſt, hinzu-
zuſetzen, wegzunehmen, zu verfeinern!

So viele edle Seelen haben in dieſem Garten empfunden, welch einen Un-
terſchied es zwiſchen Gaͤrten giebt, die ein Mann von Gefuͤhl und Verſtand anlegt,
und zwiſchen jeder gemeinen Pflanzung der Mode. Moͤchten ſie bey dieſer kleinen
Beſchreibung ſich der heitern Stunden wieder erinnern, die ſie hier genoſſen.
Einige haben hin und wieder an den Baͤnken, Stuͤhlen und Termen ein Denkmal
ihrer geruͤhrten Empfindung, einen Dank, eine kleine Inſchrift hinterlaſſen wol-
len; ein Beweis, daß ſie in der That von dem Zauber dieſes Platzes erfuͤllt waren,
indem ſie ſich nur dem Ausbruch ihres Gefuͤhls uͤberließen, ohne vielleicht an die
mindere Schicklichkeit der Art des Ausdrucks zu denken. Indeſſen giebt es noch
eine andere Art des Beyfalls, die nicht weniger ſchmeichelhaft fuͤr den Anleger iſt,
die ſtille und ernſte Betrachtung des langſam umher wandelnden Kenners, der den
ſchoͤpfriſchen Ideen nachſpuͤrt, aus welchen dieß kleine Wunder der Kunſt ent-
ſprang.



II. Marien-
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[203/0211] Beſchreibungen von Gaͤrten. haͤuslichen Geſelligkeit zu vertheilen; und der, um ſelbſt den Ort ſeines Vergnuͤ- gens zum Monument ſeines maͤnnlichen Geſchmacks zu ſchaffen, aus den Gaͤrten ſein beſtaͤndiges Studium macht. So manche Gartenanleger glauben, alles ge- than zu haben, wenn ſie nur ihre Baͤume, ihre Raſen, ihre Blumen hinwerfen, als wenn ſie vom Zufall entſtanden waͤren. Aber wie weit von dieſem Ziel, wo alles lange uͤberlegt, und beobachtet iſt, wo die Wirkungen berechnet und die kuͤnf- tigen Veraͤnderungen in dem Wachsthum der Baͤume ſchon im Anſchlag gebracht wurden, wo die ausbildende Hand noch in jedem Sommer geſchaͤfftig iſt, hinzu- zuſetzen, wegzunehmen, zu verfeinern! So viele edle Seelen haben in dieſem Garten empfunden, welch einen Un- terſchied es zwiſchen Gaͤrten giebt, die ein Mann von Gefuͤhl und Verſtand anlegt, und zwiſchen jeder gemeinen Pflanzung der Mode. Moͤchten ſie bey dieſer kleinen Beſchreibung ſich der heitern Stunden wieder erinnern, die ſie hier genoſſen. Einige haben hin und wieder an den Baͤnken, Stuͤhlen und Termen ein Denkmal ihrer geruͤhrten Empfindung, einen Dank, eine kleine Inſchrift hinterlaſſen wol- len; ein Beweis, daß ſie in der That von dem Zauber dieſes Platzes erfuͤllt waren, indem ſie ſich nur dem Ausbruch ihres Gefuͤhls uͤberließen, ohne vielleicht an die mindere Schicklichkeit der Art des Ausdrucks zu denken. Indeſſen giebt es noch eine andere Art des Beyfalls, die nicht weniger ſchmeichelhaft fuͤr den Anleger iſt, die ſtille und ernſte Betrachtung des langſam umher wandelnden Kenners, der den ſchoͤpfriſchen Ideen nachſpuͤrt, aus welchen dieß kleine Wunder der Kunſt ent- ſprang. II. Marien- C c 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/211>, abgerufen am 21.11.2024.