etwas dichtere Gruppirung. So viel vermag die Kunst der Pflanzung. Indem man über den Steg geht, hat man die heitre Anhöhe und den Pan im Gesicht.
Wir verfolgen den Weg, der von der Brücke, worüber wir zu der Bank am Rosengebüsch kamen, gerade fortläuft, und wenden uns links gegen den Vor- sprung einer Pflanzung. Indessen eröffnet sich zur Rechten ein Pyramidalsitz unter dem Schatten einer Eiche, zur Linken eine Brücke, zwey malerische von weißen Weiden verschönerte Gruppen, denen wir uns mit einer Wendung des Weges nä- hern. Wir kommen über die Brücke, und von hier rechts in einen schattenreichen Dickigt, wo ein Wasserfall rauscht. Beym Heraustritt fällt der Wartethurm ins Gesicht. Bey einem Schattensitz am Wasser und einer Brücke vorbey, die zur Rechten bleibt, schreiten wir fort zu dem Anblick einer Urne, die sich zur Linken auf einer kleinen Anhöhe, von Nadelhölzern verdüstert, zu verbergen scheint. Eine Hangelbirke und eine babylonische Weide lassen ihre Zweige mitleidig über sie herab- hangen, und ein voran gepflanzter Sumach scheint sie noch mehr dem Auge ent- ziehen zu wollen. Doch führen einige Stufen näher hin. Nahe dabey steht eine Bank mit einer Inschrift, die sich auf den würdigen, gegen die Armen so wohlthä- tigen, Minister bezieht, dessen Andenken die Urne gewidmet ward, ohne daß der bescheidne Besitzer den Namen nannte. Er wollte nichts mehr, als ein Denkmal zur Erinnerung an den, welchen er verehrte; seine Hochachtung und Freundschaft gegen einen solchen Mann sollte sich in eben dem Schatten verschließen, worein er seine Urne stellte.
Von hier führt der Weg nach einer gemeinen Knöppelbrücke, die einen eben so rohen Sitz unter dem Schatten der Bäume hat, die sich über das Wasser herab- neigen, und es melancholisch verdunkeln. Man sieht hier wieder einen großen Theil der Ruinen nahe vor sich, auf einer steilen Anhöhe, die, mit Genster und Fichten bewachsen, wild und öde da liegt. Die Steine sind hin und her auf der Höhe zer- worfen. Die noch stehenden Trümmer sind halb von den verschattenden Bäumen versteckt; sie erscheinen nur in zertrennten Stücken; durch ihre Zwischenräume trauern die hintern Fichten hervor. Sanfte Melancholie ergreift den Empfindenden, und diese Verfassung der Seele verstärkt sich noch bey dem Blick auf die vorige Urne.
Um diesen Sitz läuft ein Weg bis nach der vorhin angezeigten langen Brücke, die vor dem Anblick der großen Ruinen liegt, und worauf wir durch den schattigten Bogengang von der Leine her stießen. Wo der Weg dahin abläuft, steht noch ein Sitz mit einer freyen, der vorigen entgegengesetzten, doch stillen ländlichen Aus- sicht, und mit dieser sanft erwärmenden und beruhigenden Inschrift:
"Fühle
Erſter Anhang.
etwas dichtere Gruppirung. So viel vermag die Kunſt der Pflanzung. Indem man uͤber den Steg geht, hat man die heitre Anhoͤhe und den Pan im Geſicht.
Wir verfolgen den Weg, der von der Bruͤcke, woruͤber wir zu der Bank am Roſengebuͤſch kamen, gerade fortlaͤuft, und wenden uns links gegen den Vor- ſprung einer Pflanzung. Indeſſen eroͤffnet ſich zur Rechten ein Pyramidalſitz unter dem Schatten einer Eiche, zur Linken eine Bruͤcke, zwey maleriſche von weißen Weiden verſchoͤnerte Gruppen, denen wir uns mit einer Wendung des Weges naͤ- hern. Wir kommen uͤber die Bruͤcke, und von hier rechts in einen ſchattenreichen Dickigt, wo ein Waſſerfall rauſcht. Beym Heraustritt faͤllt der Wartethurm ins Geſicht. Bey einem Schattenſitz am Waſſer und einer Bruͤcke vorbey, die zur Rechten bleibt, ſchreiten wir fort zu dem Anblick einer Urne, die ſich zur Linken auf einer kleinen Anhoͤhe, von Nadelhoͤlzern verduͤſtert, zu verbergen ſcheint. Eine Hangelbirke und eine babyloniſche Weide laſſen ihre Zweige mitleidig uͤber ſie herab- hangen, und ein voran gepflanzter Sumach ſcheint ſie noch mehr dem Auge ent- ziehen zu wollen. Doch fuͤhren einige Stufen naͤher hin. Nahe dabey ſteht eine Bank mit einer Inſchrift, die ſich auf den wuͤrdigen, gegen die Armen ſo wohlthaͤ- tigen, Miniſter bezieht, deſſen Andenken die Urne gewidmet ward, ohne daß der beſcheidne Beſitzer den Namen nannte. Er wollte nichts mehr, als ein Denkmal zur Erinnerung an den, welchen er verehrte; ſeine Hochachtung und Freundſchaft gegen einen ſolchen Mann ſollte ſich in eben dem Schatten verſchließen, worein er ſeine Urne ſtellte.
Von hier fuͤhrt der Weg nach einer gemeinen Knoͤppelbruͤcke, die einen eben ſo rohen Sitz unter dem Schatten der Baͤume hat, die ſich uͤber das Waſſer herab- neigen, und es melancholiſch verdunkeln. Man ſieht hier wieder einen großen Theil der Ruinen nahe vor ſich, auf einer ſteilen Anhoͤhe, die, mit Genſter und Fichten bewachſen, wild und oͤde da liegt. Die Steine ſind hin und her auf der Hoͤhe zer- worfen. Die noch ſtehenden Truͤmmer ſind halb von den verſchattenden Baͤumen verſteckt; ſie erſcheinen nur in zertrennten Stuͤcken; durch ihre Zwiſchenraͤume trauern die hintern Fichten hervor. Sanfte Melancholie ergreift den Empfindenden, und dieſe Verfaſſung der Seele verſtaͤrkt ſich noch bey dem Blick auf die vorige Urne.
Um dieſen Sitz laͤuft ein Weg bis nach der vorhin angezeigten langen Bruͤcke, die vor dem Anblick der großen Ruinen liegt, und worauf wir durch den ſchattigten Bogengang von der Leine her ſtießen. Wo der Weg dahin ablaͤuft, ſteht noch ein Sitz mit einer freyen, der vorigen entgegengeſetzten, doch ſtillen laͤndlichen Aus- ſicht, und mit dieſer ſanft erwaͤrmenden und beruhigenden Inſchrift:
„Fuͤhle
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Erſter Anhang.
etwas dichtere Gruppirung. So viel vermag die Kunſt der Pflanzung. Indem
man uͤber den Steg geht, hat man die heitre Anhoͤhe und den Pan im Geſicht.
Wir verfolgen den Weg, der von der Bruͤcke, woruͤber wir zu der Bank
am Roſengebuͤſch kamen, gerade fortlaͤuft, und wenden uns links gegen den Vor-
ſprung einer Pflanzung. Indeſſen eroͤffnet ſich zur Rechten ein Pyramidalſitz unter
dem Schatten einer Eiche, zur Linken eine Bruͤcke, zwey maleriſche von weißen
Weiden verſchoͤnerte Gruppen, denen wir uns mit einer Wendung des Weges naͤ-
hern. Wir kommen uͤber die Bruͤcke, und von hier rechts in einen ſchattenreichen
Dickigt, wo ein Waſſerfall rauſcht. Beym Heraustritt faͤllt der Wartethurm ins
Geſicht. Bey einem Schattenſitz am Waſſer und einer Bruͤcke vorbey, die zur
Rechten bleibt, ſchreiten wir fort zu dem Anblick einer Urne, die ſich zur Linken auf
einer kleinen Anhoͤhe, von Nadelhoͤlzern verduͤſtert, zu verbergen ſcheint. Eine
Hangelbirke und eine babyloniſche Weide laſſen ihre Zweige mitleidig uͤber ſie herab-
hangen, und ein voran gepflanzter Sumach ſcheint ſie noch mehr dem Auge ent-
ziehen zu wollen. Doch fuͤhren einige Stufen naͤher hin. Nahe dabey ſteht eine
Bank mit einer Inſchrift, die ſich auf den wuͤrdigen, gegen die Armen ſo wohlthaͤ-
tigen, Miniſter bezieht, deſſen Andenken die Urne gewidmet ward, ohne daß der
beſcheidne Beſitzer den Namen nannte. Er wollte nichts mehr, als ein Denkmal
zur Erinnerung an den, welchen er verehrte; ſeine Hochachtung und Freundſchaft
gegen einen ſolchen Mann ſollte ſich in eben dem Schatten verſchließen, worein er ſeine
Urne ſtellte.
Von hier fuͤhrt der Weg nach einer gemeinen Knoͤppelbruͤcke, die einen eben
ſo rohen Sitz unter dem Schatten der Baͤume hat, die ſich uͤber das Waſſer herab-
neigen, und es melancholiſch verdunkeln. Man ſieht hier wieder einen großen Theil
der Ruinen nahe vor ſich, auf einer ſteilen Anhoͤhe, die, mit Genſter und Fichten
bewachſen, wild und oͤde da liegt. Die Steine ſind hin und her auf der Hoͤhe zer-
worfen. Die noch ſtehenden Truͤmmer ſind halb von den verſchattenden Baͤumen
verſteckt; ſie erſcheinen nur in zertrennten Stuͤcken; durch ihre Zwiſchenraͤume trauern
die hintern Fichten hervor. Sanfte Melancholie ergreift den Empfindenden, und
dieſe Verfaſſung der Seele verſtaͤrkt ſich noch bey dem Blick auf die vorige Urne.
Um dieſen Sitz laͤuft ein Weg bis nach der vorhin angezeigten langen Bruͤcke,
die vor dem Anblick der großen Ruinen liegt, und worauf wir durch den ſchattigten
Bogengang von der Leine her ſtießen. Wo der Weg dahin ablaͤuft, ſteht noch
ein Sitz mit einer freyen, der vorigen entgegengeſetzten, doch ſtillen laͤndlichen Aus-
ſicht, und mit dieſer ſanft erwaͤrmenden und beruhigenden Inſchrift:
„Fuͤhle
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/230>, abgerufen am 16.02.2025.
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