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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Erster Anhang.
des Abscheues und des Entsetzens erregen, sind so wenig für den Gartenkünstler, als
für den tragischen Dichter bestimmt. Einige andere Bilder scheinen hier ebenfalls
nicht schicklich, ob sie gleich für einen andern Ort anständige und selbst anmuthige
Vorstellungen enthalten. Der Tempel des Mercur z. B. ist unter allen Gebäuden
dieser Klasse am meisten im antiken Geschmack; er ist rund, mit freyen Säulen
toscanischer Ordnung, mit guten Verhältnissen, von Sandstein aufgeführt, und
hat in der Mitte die Statue des Gottes und eine erhöhte Lage mit weiten Aussichten.
Dennoch würde sich ein solcher Tempel besser auf einen großen Handelsplatz schicken;
und mit der Statue des Mercur ließe sich eine Börse oder das Haus eines Staats-
mannes zieren, der sich vom Kaufmann zum Minister erhob, und, anstatt des
Mäklers, den edlen Künstler beschäftigt.

Wenn indessen für die Nachahmung der mythologischen Fabel in Gärten ein
Ort schicklich ist, so behauptet der Carlsberg allerdings seinen Vorzug. Das
ungeheure Werk und der Anblick des colossalischen Hercules, der oben aus den
Wolken auf das Werk, das mit seiner Stärke vollendet ist, herabschauend sich nun
einer stolzen Ruhe zu überlassen scheint, versetzt die Einbildungskraft auf einmal in
die heroischen Zeiten des Alterthums. Diese erhabene Scene, der Berg, der fast
den Namen eines Gebirges verdient, die auf seiner Höhe wallenden Wälder, die
vielen angepflanzten Hayne von dunklen Nadelhölzern, verbreiten eine ehrwürdige
Feyerlichkeit über die ganze Gegend. Und dieser Eindruck könnte allerdings noch
durch eine wohl gewählte und zusammenhängende Reihe mythologischer Scenen, die
jetzt nur zerstreut oder vermischt erscheinen, ungemein verstärkt werden.

Es ist sichtbar, daß die riesenmäßige Burg des Hercules den Hauptcharakter
der Anlage bestimmt, und über alles immer im Gesichtspunkt emporragt. Die
Scenen müßten demnach mit diesem herrschenden Gegenstande verbunden seyn, und
die, welche ihm am nächsten verwandt sind, sich ihm auch am meisten nähern.
In den obern Tempeln könnten die Thaten des Hercules in Basreliefs, in Sta-
tuen und Gemälden vorgestellt werden. Diese Idee hat nicht allein Uebereinstim-
mung mit dem ganzen Werke, sondern selbst eine entferntere Beziehung auf die
Stärke und Würde des hessencasselschen Fürstenstamms und seiner tapfern Krie-
ger. Demnächst erhielten die Gottheiten, die mit dem Hercules verwandt sind,
oder deren Geschichte mit der seinigen Verbindung hat, hier oben ihre Tempel, Woh-
nungen, Altäre, Statuen und andere Denkmäler. Diese heroischen Scenen senk-
ten sich mit den Abhängen des Berges allmählich herab in die Thäler, zu den fanf-
tern Gottheiten des Friedens und der Glückseligkeit. Hier wohnten im Thale die
Musen mit dem Vater der Künste, hier hätten mit ihnen die Grazien, die Göttinn

der

Erſter Anhang.
des Abſcheues und des Entſetzens erregen, ſind ſo wenig fuͤr den Gartenkuͤnſtler, als
fuͤr den tragiſchen Dichter beſtimmt. Einige andere Bilder ſcheinen hier ebenfalls
nicht ſchicklich, ob ſie gleich fuͤr einen andern Ort anſtaͤndige und ſelbſt anmuthige
Vorſtellungen enthalten. Der Tempel des Mercur z. B. iſt unter allen Gebaͤuden
dieſer Klaſſe am meiſten im antiken Geſchmack; er iſt rund, mit freyen Saͤulen
toſcaniſcher Ordnung, mit guten Verhaͤltniſſen, von Sandſtein aufgefuͤhrt, und
hat in der Mitte die Statue des Gottes und eine erhoͤhte Lage mit weiten Ausſichten.
Dennoch wuͤrde ſich ein ſolcher Tempel beſſer auf einen großen Handelsplatz ſchicken;
und mit der Statue des Mercur ließe ſich eine Boͤrſe oder das Haus eines Staats-
mannes zieren, der ſich vom Kaufmann zum Miniſter erhob, und, anſtatt des
Maͤklers, den edlen Kuͤnſtler beſchaͤftigt.

Wenn indeſſen fuͤr die Nachahmung der mythologiſchen Fabel in Gaͤrten ein
Ort ſchicklich iſt, ſo behauptet der Carlsberg allerdings ſeinen Vorzug. Das
ungeheure Werk und der Anblick des coloſſaliſchen Hercules, der oben aus den
Wolken auf das Werk, das mit ſeiner Staͤrke vollendet iſt, herabſchauend ſich nun
einer ſtolzen Ruhe zu uͤberlaſſen ſcheint, verſetzt die Einbildungskraft auf einmal in
die heroiſchen Zeiten des Alterthums. Dieſe erhabene Scene, der Berg, der faſt
den Namen eines Gebirges verdient, die auf ſeiner Hoͤhe wallenden Waͤlder, die
vielen angepflanzten Hayne von dunklen Nadelhoͤlzern, verbreiten eine ehrwuͤrdige
Feyerlichkeit uͤber die ganze Gegend. Und dieſer Eindruck koͤnnte allerdings noch
durch eine wohl gewaͤhlte und zuſammenhaͤngende Reihe mythologiſcher Scenen, die
jetzt nur zerſtreut oder vermiſcht erſcheinen, ungemein verſtaͤrkt werden.

Es iſt ſichtbar, daß die rieſenmaͤßige Burg des Hercules den Hauptcharakter
der Anlage beſtimmt, und uͤber alles immer im Geſichtspunkt emporragt. Die
Scenen muͤßten demnach mit dieſem herrſchenden Gegenſtande verbunden ſeyn, und
die, welche ihm am naͤchſten verwandt ſind, ſich ihm auch am meiſten naͤhern.
In den obern Tempeln koͤnnten die Thaten des Hercules in Basreliefs, in Sta-
tuen und Gemaͤlden vorgeſtellt werden. Dieſe Idee hat nicht allein Uebereinſtim-
mung mit dem ganzen Werke, ſondern ſelbſt eine entferntere Beziehung auf die
Staͤrke und Wuͤrde des heſſencaſſelſchen Fuͤrſtenſtamms und ſeiner tapfern Krie-
ger. Demnaͤchſt erhielten die Gottheiten, die mit dem Hercules verwandt ſind,
oder deren Geſchichte mit der ſeinigen Verbindung hat, hier oben ihre Tempel, Woh-
nungen, Altaͤre, Statuen und andere Denkmaͤler. Dieſe heroiſchen Scenen ſenk-
ten ſich mit den Abhaͤngen des Berges allmaͤhlich herab in die Thaͤler, zu den fanf-
tern Gottheiten des Friedens und der Gluͤckſeligkeit. Hier wohnten im Thale die
Muſen mit dem Vater der Kuͤnſte, hier haͤtten mit ihnen die Grazien, die Goͤttinn

der
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[234/0242] Erſter Anhang. des Abſcheues und des Entſetzens erregen, ſind ſo wenig fuͤr den Gartenkuͤnſtler, als fuͤr den tragiſchen Dichter beſtimmt. Einige andere Bilder ſcheinen hier ebenfalls nicht ſchicklich, ob ſie gleich fuͤr einen andern Ort anſtaͤndige und ſelbſt anmuthige Vorſtellungen enthalten. Der Tempel des Mercur z. B. iſt unter allen Gebaͤuden dieſer Klaſſe am meiſten im antiken Geſchmack; er iſt rund, mit freyen Saͤulen toſcaniſcher Ordnung, mit guten Verhaͤltniſſen, von Sandſtein aufgefuͤhrt, und hat in der Mitte die Statue des Gottes und eine erhoͤhte Lage mit weiten Ausſichten. Dennoch wuͤrde ſich ein ſolcher Tempel beſſer auf einen großen Handelsplatz ſchicken; und mit der Statue des Mercur ließe ſich eine Boͤrſe oder das Haus eines Staats- mannes zieren, der ſich vom Kaufmann zum Miniſter erhob, und, anſtatt des Maͤklers, den edlen Kuͤnſtler beſchaͤftigt. Wenn indeſſen fuͤr die Nachahmung der mythologiſchen Fabel in Gaͤrten ein Ort ſchicklich iſt, ſo behauptet der Carlsberg allerdings ſeinen Vorzug. Das ungeheure Werk und der Anblick des coloſſaliſchen Hercules, der oben aus den Wolken auf das Werk, das mit ſeiner Staͤrke vollendet iſt, herabſchauend ſich nun einer ſtolzen Ruhe zu uͤberlaſſen ſcheint, verſetzt die Einbildungskraft auf einmal in die heroiſchen Zeiten des Alterthums. Dieſe erhabene Scene, der Berg, der faſt den Namen eines Gebirges verdient, die auf ſeiner Hoͤhe wallenden Waͤlder, die vielen angepflanzten Hayne von dunklen Nadelhoͤlzern, verbreiten eine ehrwuͤrdige Feyerlichkeit uͤber die ganze Gegend. Und dieſer Eindruck koͤnnte allerdings noch durch eine wohl gewaͤhlte und zuſammenhaͤngende Reihe mythologiſcher Scenen, die jetzt nur zerſtreut oder vermiſcht erſcheinen, ungemein verſtaͤrkt werden. Es iſt ſichtbar, daß die rieſenmaͤßige Burg des Hercules den Hauptcharakter der Anlage beſtimmt, und uͤber alles immer im Geſichtspunkt emporragt. Die Scenen muͤßten demnach mit dieſem herrſchenden Gegenſtande verbunden ſeyn, und die, welche ihm am naͤchſten verwandt ſind, ſich ihm auch am meiſten naͤhern. In den obern Tempeln koͤnnten die Thaten des Hercules in Basreliefs, in Sta- tuen und Gemaͤlden vorgeſtellt werden. Dieſe Idee hat nicht allein Uebereinſtim- mung mit dem ganzen Werke, ſondern ſelbſt eine entferntere Beziehung auf die Staͤrke und Wuͤrde des heſſencaſſelſchen Fuͤrſtenſtamms und ſeiner tapfern Krie- ger. Demnaͤchſt erhielten die Gottheiten, die mit dem Hercules verwandt ſind, oder deren Geſchichte mit der ſeinigen Verbindung hat, hier oben ihre Tempel, Woh- nungen, Altaͤre, Statuen und andere Denkmaͤler. Dieſe heroiſchen Scenen ſenk- ten ſich mit den Abhaͤngen des Berges allmaͤhlich herab in die Thaͤler, zu den fanf- tern Gottheiten des Friedens und der Gluͤckſeligkeit. Hier wohnten im Thale die Muſen mit dem Vater der Kuͤnſte, hier haͤtten mit ihnen die Grazien, die Goͤttinn der

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/242>, abgerufen am 21.11.2024.