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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Erster Anhang.
Socrates liest im Gefängniß; alle übrige erscheinen in ihren liebsten Studien.
Man sieht hier den Pythagoras, den Heraclit, den Anaxagoras, den Demo-
crit,
der die Natur so fleißig studierte, und ganze Tage allein in einem kleinen
Gartenhause zubrachte. Jeder hat sein besonderes Haus, und selbst Diogenes
seine Tonne; doch diesen sonderbaren Mann möchte ich mit seinem Faß etwas seit-
wärts ins Gebüsch wälzen. -- Dieses Thal der Philosophen müßte eine der
interessantesten Scenen werden, die sich sehr gut in den vorgeschlagenen Plan des
Ganzen schickte. Die Bauart der einzelnen Wohnungen müßte mehr in dem Stil
des Alterthums seyn, so wie die innere Auszierung, die jetzt hie und da ganz den
Geschmack unsers Zeitalters zeigt. Jedes Haus müßte durch Bepflanzung mehr
abgesondert, verborgen und beschattet erscheinen. Hier würde ich den Platanus,
der schon in Griechenland vor den Hallen der alten Philosophen seine Schatten
verbreitete, wieder grünen lassen. Die Wohnungen des Socrates und des
Plato, die eben abgerissen und zerstreut liegen, müßten, mehr herabgezogen, mit
den andern Häusern in eine nähere Angränzung gebracht werden. Jede Wohnung
müßte die Werke des Philosophen in der besten Ausgabe enthalten. Eine solche
Einrichtung würde nicht bloß mehr angemessene Verzierung und mehr Täuschung,
sondern auch selbst mehr Veranlassung zur Unterhaltung des Geistes mit den Schrif-
ten der alten Weisen in der Einsamkeit geben.

In den veredelten Anlagen würden die bloß gemalten Scenen nicht länger
Platz haben; sie fallen ohnehin wohl bald weg. Die Wirkung des ersten Anblicks,
den bemalte Breter in einiger Entfernung machen, ist bey der Annäherung gleich
auf immer verschwunden; und sie fällt ganz, wenn der Zuschauer auf den Hin-
tertheil oder die Ecke des Brets stößt. Ein großer Prinz, der eine Akademie der
schönen Künste in seiner Residenz nährt, und jährlich so beträchtliche Summen
auf Gebäude und alle Arten von Verschönerungen großmüthig verwendet, kann
leicht Werke der Bildhauerkunst, anstatt bemalter Breter, schaffen lassen, oder
sie ganz entbehren. Die Menge der bemalten Breter, als Orpheus mit den
bezähmten Thieren, Phaeton, das Bad der Diana und des Apollo, die Mu-
sen
bey dem Tempel dieses Gottes, der Minotaur, noch mehr die sogenannten
Gräber der dramatischen Dichter -- alle diese gemalten Decorationen werden ver-
muthlich in einiger Zeit nicht mehr seyn.

Indessen sind hier einige Scenen sehr gut angelegt, wenn sie nur mit den
übrigen Auftritten, besonders mit den aus dem Alterthum, in einer nähern Ver-
bindung stünden. Das Haus der Armide ist mit seinem Bezirk eine anziehende

Anlage.

Erſter Anhang.
Socrates lieſt im Gefaͤngniß; alle uͤbrige erſcheinen in ihren liebſten Studien.
Man ſieht hier den Pythagoras, den Heraclit, den Anaxagoras, den Demo-
crit,
der die Natur ſo fleißig ſtudierte, und ganze Tage allein in einem kleinen
Gartenhauſe zubrachte. Jeder hat ſein beſonderes Haus, und ſelbſt Diogenes
ſeine Tonne; doch dieſen ſonderbaren Mann moͤchte ich mit ſeinem Faß etwas ſeit-
waͤrts ins Gebuͤſch waͤlzen. — Dieſes Thal der Philoſophen muͤßte eine der
intereſſanteſten Scenen werden, die ſich ſehr gut in den vorgeſchlagenen Plan des
Ganzen ſchickte. Die Bauart der einzelnen Wohnungen muͤßte mehr in dem Stil
des Alterthums ſeyn, ſo wie die innere Auszierung, die jetzt hie und da ganz den
Geſchmack unſers Zeitalters zeigt. Jedes Haus muͤßte durch Bepflanzung mehr
abgeſondert, verborgen und beſchattet erſcheinen. Hier wuͤrde ich den Platanus,
der ſchon in Griechenland vor den Hallen der alten Philoſophen ſeine Schatten
verbreitete, wieder gruͤnen laſſen. Die Wohnungen des Socrates und des
Plato, die eben abgeriſſen und zerſtreut liegen, muͤßten, mehr herabgezogen, mit
den andern Haͤuſern in eine naͤhere Angraͤnzung gebracht werden. Jede Wohnung
muͤßte die Werke des Philoſophen in der beſten Ausgabe enthalten. Eine ſolche
Einrichtung wuͤrde nicht bloß mehr angemeſſene Verzierung und mehr Taͤuſchung,
ſondern auch ſelbſt mehr Veranlaſſung zur Unterhaltung des Geiſtes mit den Schrif-
ten der alten Weiſen in der Einſamkeit geben.

In den veredelten Anlagen wuͤrden die bloß gemalten Scenen nicht laͤnger
Platz haben; ſie fallen ohnehin wohl bald weg. Die Wirkung des erſten Anblicks,
den bemalte Breter in einiger Entfernung machen, iſt bey der Annaͤherung gleich
auf immer verſchwunden; und ſie faͤllt ganz, wenn der Zuſchauer auf den Hin-
tertheil oder die Ecke des Brets ſtoͤßt. Ein großer Prinz, der eine Akademie der
ſchoͤnen Kuͤnſte in ſeiner Reſidenz naͤhrt, und jaͤhrlich ſo betraͤchtliche Summen
auf Gebaͤude und alle Arten von Verſchoͤnerungen großmuͤthig verwendet, kann
leicht Werke der Bildhauerkunſt, anſtatt bemalter Breter, ſchaffen laſſen, oder
ſie ganz entbehren. Die Menge der bemalten Breter, als Orpheus mit den
bezaͤhmten Thieren, Phaeton, das Bad der Diana und des Apollo, die Mu-
ſen
bey dem Tempel dieſes Gottes, der Minotaur, noch mehr die ſogenannten
Graͤber der dramatiſchen Dichter — alle dieſe gemalten Decorationen werden ver-
muthlich in einiger Zeit nicht mehr ſeyn.

Indeſſen ſind hier einige Scenen ſehr gut angelegt, wenn ſie nur mit den
uͤbrigen Auftritten, beſonders mit den aus dem Alterthum, in einer naͤhern Ver-
bindung ſtuͤnden. Das Haus der Armide iſt mit ſeinem Bezirk eine anziehende

Anlage.
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[236/0244] Erſter Anhang. Socrates lieſt im Gefaͤngniß; alle uͤbrige erſcheinen in ihren liebſten Studien. Man ſieht hier den Pythagoras, den Heraclit, den Anaxagoras, den Demo- crit, der die Natur ſo fleißig ſtudierte, und ganze Tage allein in einem kleinen Gartenhauſe zubrachte. Jeder hat ſein beſonderes Haus, und ſelbſt Diogenes ſeine Tonne; doch dieſen ſonderbaren Mann moͤchte ich mit ſeinem Faß etwas ſeit- waͤrts ins Gebuͤſch waͤlzen. — Dieſes Thal der Philoſophen muͤßte eine der intereſſanteſten Scenen werden, die ſich ſehr gut in den vorgeſchlagenen Plan des Ganzen ſchickte. Die Bauart der einzelnen Wohnungen muͤßte mehr in dem Stil des Alterthums ſeyn, ſo wie die innere Auszierung, die jetzt hie und da ganz den Geſchmack unſers Zeitalters zeigt. Jedes Haus muͤßte durch Bepflanzung mehr abgeſondert, verborgen und beſchattet erſcheinen. Hier wuͤrde ich den Platanus, der ſchon in Griechenland vor den Hallen der alten Philoſophen ſeine Schatten verbreitete, wieder gruͤnen laſſen. Die Wohnungen des Socrates und des Plato, die eben abgeriſſen und zerſtreut liegen, muͤßten, mehr herabgezogen, mit den andern Haͤuſern in eine naͤhere Angraͤnzung gebracht werden. Jede Wohnung muͤßte die Werke des Philoſophen in der beſten Ausgabe enthalten. Eine ſolche Einrichtung wuͤrde nicht bloß mehr angemeſſene Verzierung und mehr Taͤuſchung, ſondern auch ſelbſt mehr Veranlaſſung zur Unterhaltung des Geiſtes mit den Schrif- ten der alten Weiſen in der Einſamkeit geben. In den veredelten Anlagen wuͤrden die bloß gemalten Scenen nicht laͤnger Platz haben; ſie fallen ohnehin wohl bald weg. Die Wirkung des erſten Anblicks, den bemalte Breter in einiger Entfernung machen, iſt bey der Annaͤherung gleich auf immer verſchwunden; und ſie faͤllt ganz, wenn der Zuſchauer auf den Hin- tertheil oder die Ecke des Brets ſtoͤßt. Ein großer Prinz, der eine Akademie der ſchoͤnen Kuͤnſte in ſeiner Reſidenz naͤhrt, und jaͤhrlich ſo betraͤchtliche Summen auf Gebaͤude und alle Arten von Verſchoͤnerungen großmuͤthig verwendet, kann leicht Werke der Bildhauerkunſt, anſtatt bemalter Breter, ſchaffen laſſen, oder ſie ganz entbehren. Die Menge der bemalten Breter, als Orpheus mit den bezaͤhmten Thieren, Phaeton, das Bad der Diana und des Apollo, die Mu- ſen bey dem Tempel dieſes Gottes, der Minotaur, noch mehr die ſogenannten Graͤber der dramatiſchen Dichter — alle dieſe gemalten Decorationen werden ver- muthlich in einiger Zeit nicht mehr ſeyn. Indeſſen ſind hier einige Scenen ſehr gut angelegt, wenn ſie nur mit den uͤbrigen Auftritten, beſonders mit den aus dem Alterthum, in einer naͤhern Ver- bindung ſtuͤnden. Das Haus der Armide iſt mit ſeinem Bezirk eine anziehende Anlage.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/244>, abgerufen am 21.11.2024.