Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.Lustschlössern, Landhäusern, Gartengebäuden etc. den einsamen Kapellen auf den Bergen entgegen. Diese Auftritte machten die Fahrtnoch unterhaltender. Bey Rüdesheim verengt sich das Beet des Rheins, und die Ufer erheben studiren, V Band. U u
Luſtſchloͤſſern, Landhaͤuſern, Gartengebaͤuden ꝛc. den einſamen Kapellen auf den Bergen entgegen. Dieſe Auftritte machten die Fahrtnoch unterhaltender. Bey Ruͤdesheim verengt ſich das Beet des Rheins, und die Ufer erheben ſtudiren, V Band. U u
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Luſtſchloͤſſern, Landhaͤuſern, Gartengebaͤuden ꝛc.
den einſamen Kapellen auf den Bergen entgegen. Dieſe Auftritte machten die Fahrt
noch unterhaltender.
Bey Ruͤdesheim verengt ſich das Beet des Rheins, und die Ufer erheben
ſich zu Bergen. Sie ſteigen zuweilen aus dem Waſſer ſteil empor, und ſind ganz
mit Wein bedeckt. Sie ſchließen ſich in der Ausſicht ſo eng zuſammen, daß hier
die Graͤnze des Fluſſes zu ſeyn ſcheint. Hinter dem Staͤdtchen Bingen veraͤndert
ſich auf einmal die Scene. Die lieblichen lachenden Gefilde weichen zuruͤck. Man
kommt in wilde romantiſche Gegenden. Auf beyden Seiten ſteigen hohe felſigte
Berge empor. Zur Rechten ſieht man Reben, und Asmanshauſen, wo ein treff-
licher rother Wein an den Felſen reift. Sparſame Blicke der Sonne ſielen hie und
da auf die Felſen, und uͤberraſchten das Auge durch ſchnelle Beleuchtungen des duͤ-
ſtern Gemaͤldes. Das Wirbeln und Rauſchen des Fluſſes, der ſich hin und wieder
an verſteckten Klippen in der Tiefe bricht; felſigte Hoͤhen auf beyden Seiten; Ruinen
alter Schloͤſſer, die an ſteilen Abhaͤngen kleben, ſchon ſeit Jahrhunderten zu fallen
drohen und nicht fallen; die Einſamkeit in dieſen wilden Gegenden; nichts Reizen-
des, als ein fluͤchtiger Sonnenblick, der hie und da auf den Gipfeln ſchwebt, oder
das Gruͤn der Reben, das die Felſen kleidet; kuͤhne Vorſpruͤnge der Berge und Ue-
berraſchungen, welche die ploͤtzlichen Wendungen des Stroms machen; dann wieder
ein ruhiges Kapellchen, das ſich in die Hoͤhlung der Berge verbirgt, oder auf der
Spitze eines Abhanges ſteht; endlich ein heitres Doͤrfchen, das unter Felſen ruht —
alles dieſes bildet und verſtaͤrkt das Romantiſche dieſer Gegenden, das ſich zuweilen
mit dem Erhabenen miſcht. Von Bingen faͤngt auch das linke hohe Ufer an, in-
tereſſant zu werden durch Doͤrfchen, Ruinen, Eichenwaͤlder und einige Weinberge;
zur Rechten faſt nichts als Reben auf den Abhaͤngen der Gebirge in einer weiten
Strecke fort. Dieſe Gegend von Bingen iſt ungleich maleriſcher, als die erſten,
wegen der Felſen, Berge, Ruinen und unendlichen Wendungen des Stroms und
Ueberraſchungen durch unerwartete Proſpecte und Sonnenblicke. Hier eroͤffnet ſich
die reichſte Schule fuͤr den Landſchaftmaler. Der Dichter findet hier nichts, als die
reizende Wahrheit der Natur. Sie verſtattet nichts von Erfindung des Genies,
nichts von Verſchoͤnerung des Kuͤnſtlers mehr. Dieſer iſt gluͤcklich genug, wenn
er darſtellt, was vor ihm liegt. Das Original uͤberſteigt jede Kunſt der Nachbil-
dung. Jedes dichteriſche oder maleriſche Talent bleibt hier ohne eine andere Beſchaͤf-
tigung, als bloß die Natur zu kopiren. Welch eine Zeichnungsſchule zwiſchen die-
ſen Bergen und Felſen, an deren Fuß Deutſchlands erhabenſter Fluß ſich herum-
windet! Welche Menge von den edelſten und intereſſanteſten Gemaͤlden koͤnnte hier
ausgehoben werden, wenn unſere Landſchafter, die lieber die Gallerien, als die Natur
ſtudiren,
V Band. U u
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