Wird nur dieses Gesetz beobachtet, so kann der Besitzer seinen Platz nach sei- nem Geschmack einrichten, er mag das Bebauete oder das Wilde, das Romantische oder das Anmuthige, das Muntere oder das Ernsthafte, das Zierliche oder das Nachläßige, das Verschlossene oder das Offene lieben. Er hat Freyheit in der Wahl seiner Gewächse und seiner Auszierungen, nur darf er nicht die Empfehlung einer be- scheidenen Mäßigung vergessen. Das Wohlfeile und das Nutzbare ist hier weit schicklicher, als das Kostbare und weniger Nützliche. Viele edle Fruchtarten ver- dienen hier das Recht des Vorzugs vor blos seltenen Pflanzen. In jeder Anpflan- zung und Einrichtung herrsche Geschmack, in jeder Verzierung Bescheidenheit. Die Laube oder das freyere Gebüsch mag sich mit der Büste eines Freundes des Besitzers, oder mit der Statue eines Patrioten seines Vaterlandes schmücken; von ihren schö- nen Kindern umringt, mag Flora sich hier einen Kranz winden. Allein solche Werke der Kunst müssen sich in Anlagen dieser Art nur sehr selten zeigen. Viel Grün der Pflanzungen hingegen, viel Schatten, viel anmuthige und duftende Gewächse, mit nützlichen Arten vermischt, ein reiner Bach oder ein kleiner Wasserfall, wo es die Gegend verstattet, freye und beschattete Spaziergänge, ruhige Sitze unter Bedeckun- gen des Laubes fordert diese Gattung. Die ganze Anordnung muß anziehend und unterhaltend seyn, und dazu gehört besonders auch eine kluge Wahl der landschaftli- chen Aussichten, zumal, wenn der Bezirk an Einschränkung und an einer gewissen Dürftigkeit leidet. Doch kann die Anordnung sich hier nicht immer einer freyen Manier überlassen; die Symmetrie wird zuweilen zuläßig. *) Es ist nichts so schwer, als einen Garten natürlich einzurichten, wo die Natur selbst ihren Beystand dazu versagt; und dies ist nicht selten der Fall auf den Plätzen, wo kleine bürgerliche Gärten bey Städten angelegt werden.
Ein besonderer Unterschied dieser Gattung scheint darinn zu bestehen, daß sie mehr das Bearbeitete, das Verseinerte, das Geschmückte in einzelnen Theilen ver- gönnt, das die Parks bey ihrem Umfang und bey der Größe ihres Charakters nicht überall so vollenden können, noch dürfen. Weil die Theile kleiner, weniger verviel- fältigt und verwickelt, dem Auge mehr übersehbar sind, und öfter erscheinen: so fal- len ihre Mängel leichter auf, und desto geschäftiger ist daher der Fleiß der Ergän- zung und der Politur. Demnach kann die Zierlichkeit sich in bürgerlichen Gärten mit einigem Vorrecht auszeichnen.
Dagegen, was ein Eigenthum ausgebreiteter und zusammengesetzter Gegen- den ist, die Wirkung starker Contraste und schneller Uebergänge, der Eindruck der
Wildnisse,
*) S. 1sten B. S. 140.
G 3
nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.
Wird nur dieſes Geſetz beobachtet, ſo kann der Beſitzer ſeinen Platz nach ſei- nem Geſchmack einrichten, er mag das Bebauete oder das Wilde, das Romantiſche oder das Anmuthige, das Muntere oder das Ernſthafte, das Zierliche oder das Nachlaͤßige, das Verſchloſſene oder das Offene lieben. Er hat Freyheit in der Wahl ſeiner Gewaͤchſe und ſeiner Auszierungen, nur darf er nicht die Empfehlung einer be- ſcheidenen Maͤßigung vergeſſen. Das Wohlfeile und das Nutzbare iſt hier weit ſchicklicher, als das Koſtbare und weniger Nuͤtzliche. Viele edle Fruchtarten ver- dienen hier das Recht des Vorzugs vor blos ſeltenen Pflanzen. In jeder Anpflan- zung und Einrichtung herrſche Geſchmack, in jeder Verzierung Beſcheidenheit. Die Laube oder das freyere Gebuͤſch mag ſich mit der Buͤſte eines Freundes des Beſitzers, oder mit der Statue eines Patrioten ſeines Vaterlandes ſchmuͤcken; von ihren ſchoͤ- nen Kindern umringt, mag Flora ſich hier einen Kranz winden. Allein ſolche Werke der Kunſt muͤſſen ſich in Anlagen dieſer Art nur ſehr ſelten zeigen. Viel Gruͤn der Pflanzungen hingegen, viel Schatten, viel anmuthige und duftende Gewaͤchſe, mit nuͤtzlichen Arten vermiſcht, ein reiner Bach oder ein kleiner Waſſerfall, wo es die Gegend verſtattet, freye und beſchattete Spaziergaͤnge, ruhige Sitze unter Bedeckun- gen des Laubes fordert dieſe Gattung. Die ganze Anordnung muß anziehend und unterhaltend ſeyn, und dazu gehoͤrt beſonders auch eine kluge Wahl der landſchaftli- chen Ausſichten, zumal, wenn der Bezirk an Einſchraͤnkung und an einer gewiſſen Duͤrftigkeit leidet. Doch kann die Anordnung ſich hier nicht immer einer freyen Manier uͤberlaſſen; die Symmetrie wird zuweilen zulaͤßig. *) Es iſt nichts ſo ſchwer, als einen Garten natuͤrlich einzurichten, wo die Natur ſelbſt ihren Beyſtand dazu verſagt; und dies iſt nicht ſelten der Fall auf den Plaͤtzen, wo kleine buͤrgerliche Gaͤrten bey Staͤdten angelegt werden.
Ein beſonderer Unterſchied dieſer Gattung ſcheint darinn zu beſtehen, daß ſie mehr das Bearbeitete, das Verſeinerte, das Geſchmuͤckte in einzelnen Theilen ver- goͤnnt, das die Parks bey ihrem Umfang und bey der Groͤße ihres Charakters nicht uͤberall ſo vollenden koͤnnen, noch duͤrfen. Weil die Theile kleiner, weniger verviel- faͤltigt und verwickelt, dem Auge mehr uͤberſehbar ſind, und oͤfter erſcheinen: ſo fal- len ihre Maͤngel leichter auf, und deſto geſchaͤftiger iſt daher der Fleiß der Ergaͤn- zung und der Politur. Demnach kann die Zierlichkeit ſich in buͤrgerlichen Gaͤrten mit einigem Vorrecht auszeichnen.
Dagegen, was ein Eigenthum ausgebreiteter und zuſammengeſetzter Gegen- den iſt, die Wirkung ſtarker Contraſte und ſchneller Uebergaͤnge, der Eindruck der
Wildniſſe,
*) S. 1ſten B. S. 140.
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nach dem verſchiedenen Charakter ihrer Beſitzer.
Wird nur dieſes Geſetz beobachtet, ſo kann der Beſitzer ſeinen Platz nach ſei-
nem Geſchmack einrichten, er mag das Bebauete oder das Wilde, das Romantiſche
oder das Anmuthige, das Muntere oder das Ernſthafte, das Zierliche oder das
Nachlaͤßige, das Verſchloſſene oder das Offene lieben. Er hat Freyheit in der Wahl
ſeiner Gewaͤchſe und ſeiner Auszierungen, nur darf er nicht die Empfehlung einer be-
ſcheidenen Maͤßigung vergeſſen. Das Wohlfeile und das Nutzbare iſt hier weit
ſchicklicher, als das Koſtbare und weniger Nuͤtzliche. Viele edle Fruchtarten ver-
dienen hier das Recht des Vorzugs vor blos ſeltenen Pflanzen. In jeder Anpflan-
zung und Einrichtung herrſche Geſchmack, in jeder Verzierung Beſcheidenheit. Die
Laube oder das freyere Gebuͤſch mag ſich mit der Buͤſte eines Freundes des Beſitzers,
oder mit der Statue eines Patrioten ſeines Vaterlandes ſchmuͤcken; von ihren ſchoͤ-
nen Kindern umringt, mag Flora ſich hier einen Kranz winden. Allein ſolche
Werke der Kunſt muͤſſen ſich in Anlagen dieſer Art nur ſehr ſelten zeigen. Viel Gruͤn
der Pflanzungen hingegen, viel Schatten, viel anmuthige und duftende Gewaͤchſe,
mit nuͤtzlichen Arten vermiſcht, ein reiner Bach oder ein kleiner Waſſerfall, wo es die
Gegend verſtattet, freye und beſchattete Spaziergaͤnge, ruhige Sitze unter Bedeckun-
gen des Laubes fordert dieſe Gattung. Die ganze Anordnung muß anziehend und
unterhaltend ſeyn, und dazu gehoͤrt beſonders auch eine kluge Wahl der landſchaftli-
chen Ausſichten, zumal, wenn der Bezirk an Einſchraͤnkung und an einer gewiſſen
Duͤrftigkeit leidet. Doch kann die Anordnung ſich hier nicht immer einer freyen
Manier uͤberlaſſen; die Symmetrie wird zuweilen zulaͤßig. *) Es iſt nichts ſo
ſchwer, als einen Garten natuͤrlich einzurichten, wo die Natur ſelbſt ihren Beyſtand
dazu verſagt; und dies iſt nicht ſelten der Fall auf den Plaͤtzen, wo kleine buͤrgerliche
Gaͤrten bey Staͤdten angelegt werden.
Ein beſonderer Unterſchied dieſer Gattung ſcheint darinn zu beſtehen, daß ſie
mehr das Bearbeitete, das Verſeinerte, das Geſchmuͤckte in einzelnen Theilen ver-
goͤnnt, das die Parks bey ihrem Umfang und bey der Groͤße ihres Charakters nicht
uͤberall ſo vollenden koͤnnen, noch duͤrfen. Weil die Theile kleiner, weniger verviel-
faͤltigt und verwickelt, dem Auge mehr uͤberſehbar ſind, und oͤfter erſcheinen: ſo fal-
len ihre Maͤngel leichter auf, und deſto geſchaͤftiger iſt daher der Fleiß der Ergaͤn-
zung und der Politur. Demnach kann die Zierlichkeit ſich in buͤrgerlichen Gaͤrten
mit einigem Vorrecht auszeichnen.
Dagegen, was ein Eigenthum ausgebreiteter und zuſammengeſetzter Gegen-
den iſt, die Wirkung ſtarker Contraſte und ſchneller Uebergaͤnge, der Eindruck der
Wildniſſe,
*) S. 1ſten B. S. 140.
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/61>, abgerufen am 16.02.2025.
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