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Hobrecht, James: Über die Vorbildung für den Besuch des Polytechnikums. Berlin, 1878.

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damit anderweitige Bestrebungen unterstützt werden, so wird man
uns wenigstens nicht den Vorwurf machen können, dass es unsere
Absicht sei, anderweitiges Gute zu hindern; wir wünschen den
Gewerbeschulen jedes Glück und Gedeihen; was wir aber nicht
wollen, ist, dass die Interessen unseres Faches in Verbindung damit
gebracht und verletzt werden.

Was mich, m. H., seinerzeit besonders besorgt machte, als
es sich um die Errichtung eines Polytechnikums handelte, war,
dass eine solche Schule nur dann eine wirklich höhere Schule
ist, und nur dann den Charakter einer besonderen Abrichtungs¬
anstalt für bestimmte Fächer vermeidet, wenn sämmtliche Schüler
einer solchen Hochschule in Bezug auf ihre allgemein wissenschaft¬
liche Vorbildung und somit, in ihrer sozialen Stellung, einander
im Wesentlichen gleich stehen; dass aber dieses Ziel nicht zu
erreichen sei, wenn man in unnöthig harter Weise die, aus der
freien und selbständigen Entwickelung verschiedener Berufe histo¬
risch verschieden geformten, allgemeinen wissenschaftlichen Vor¬
bedingungen auf ein Maass zusammendrückt; wer bislang mehr
leisten musste, soll fortan weniger, wer weniger leistete, mehr
leisten, und warum? damit das Polytechnikum lebensfähig werde.

Dieser Fall ist, m. H., jetzt eingetreten, die Gewerbeschulen
werden heraufgeschraubt, die Ansprüche an die wissenschaftliche
Vorbildung der Bautechniker sollen herabgedrückt werden.

Zu einer Zeit, in welcher in fast Gefahr drohender Weise
sich die Spezialitäten entwickeln, um Freiheit in formeller Beziehung,
Gründlichkeit auf beschränkterem Gebiet zu erlangen, soll hier,
um alles unter einen Hut bringen zu können, die natürliche
Verschiedenheit vernichtet werden; um alle unter diesen grossen
Hut bringen zu können, soll der Kleine auf die Bank gestellt
werden und der Grosse gebückt stehen.

Liegt nun für uns eine Veranlassung vor, uns zu bücken? war
das Maass unseres Wissens zu gross und das Maass unseres Könnens
zu klein? Ich bestreite beides. Es ist recht, wenn wir gegen uns
selbst eine strenge Kritik üben oder mit unseren Gesammtleistungen
nicht zufrieden sind, aber ich glaube, nur wir haben dieses Recht
dazu. Wie sich seit dem Anfang dieses Jahrhunderts, als in Armuth
und Dürftigkeit der preussische Staat darnieder lag, bei dem Anfangs
vollständigen Fehlen aller bedeutenden Aufgaben, deren nur die

damit anderweitige Bestrebungen unterstützt werden, so wird man
uns wenigstens nicht den Vorwurf machen können, dass es unsere
Absicht sei, anderweitiges Gute zu hindern; wir wünschen den
Gewerbeschulen jedes Glück und Gedeihen; was wir aber nicht
wollen, ist, dass die Interessen unseres Faches in Verbindung damit
gebracht und verletzt werden.

Was mich, m. H., seinerzeit besonders besorgt machte, als
es sich um die Errichtung eines Polytechnikums handelte, war,
dass eine solche Schule nur dann eine wirklich höhere Schule
ist, und nur dann den Charakter einer besonderen Abrichtungs¬
anstalt für bestimmte Fächer vermeidet, wenn sämmtliche Schüler
einer solchen Hochschule in Bezug auf ihre allgemein wissenschaft¬
liche Vorbildung und somit, in ihrer sozialen Stellung, einander
im Wesentlichen gleich stehen; dass aber dieses Ziel nicht zu
erreichen sei, wenn man in unnöthig harter Weise die, aus der
freien und selbständigen Entwickelung verschiedener Berufe histo¬
risch verschieden geformten, allgemeinen wissenschaftlichen Vor¬
bedingungen auf ein Maass zusammendrückt; wer bislang mehr
leisten musste, soll fortan weniger, wer weniger leistete, mehr
leisten, und warum? damit das Polytechnikum lebensfähig werde.

Dieser Fall ist, m. H., jetzt eingetreten, die Gewerbeschulen
werden heraufgeschraubt, die Ansprüche an die wissenschaftliche
Vorbildung der Bautechniker sollen herabgedrückt werden.

Zu einer Zeit, in welcher in fast Gefahr drohender Weise
sich die Spezialitäten entwickeln, um Freiheit in formeller Beziehung,
Gründlichkeit auf beschränkterem Gebiet zu erlangen, soll hier,
um alles unter einen Hut bringen zu können, die natürliche
Verschiedenheit vernichtet werden; um alle unter diesen grossen
Hut bringen zu können, soll der Kleine auf die Bank gestellt
werden und der Grosse gebückt stehen.

Liegt nun für uns eine Veranlassung vor, uns zu bücken? war
das Maass unseres Wissens zu gross und das Maass unseres Könnens
zu klein? Ich bestreite beides. Es ist recht, wenn wir gegen uns
selbst eine strenge Kritik üben oder mit unseren Gesammtleistungen
nicht zufrieden sind, aber ich glaube, nur wir haben dieses Recht
dazu. Wie sich seit dem Anfang dieses Jahrhunderts, als in Armuth
und Dürftigkeit der preussische Staat darnieder lag, bei dem Anfangs
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[7/0011] damit anderweitige Bestrebungen unterstützt werden, so wird man uns wenigstens nicht den Vorwurf machen können, dass es unsere Absicht sei, anderweitiges Gute zu hindern; wir wünschen den Gewerbeschulen jedes Glück und Gedeihen; was wir aber nicht wollen, ist, dass die Interessen unseres Faches in Verbindung damit gebracht und verletzt werden. Was mich, m. H., seinerzeit besonders besorgt machte, als es sich um die Errichtung eines Polytechnikums handelte, war, dass eine solche Schule nur dann eine wirklich höhere Schule ist, und nur dann den Charakter einer besonderen Abrichtungs¬ anstalt für bestimmte Fächer vermeidet, wenn sämmtliche Schüler einer solchen Hochschule in Bezug auf ihre allgemein wissenschaft¬ liche Vorbildung und somit, in ihrer sozialen Stellung, einander im Wesentlichen gleich stehen; dass aber dieses Ziel nicht zu erreichen sei, wenn man in unnöthig harter Weise die, aus der freien und selbständigen Entwickelung verschiedener Berufe histo¬ risch verschieden geformten, allgemeinen wissenschaftlichen Vor¬ bedingungen auf ein Maass zusammendrückt; wer bislang mehr leisten musste, soll fortan weniger, wer weniger leistete, mehr leisten, und warum? damit das Polytechnikum lebensfähig werde. Dieser Fall ist, m. H., jetzt eingetreten, die Gewerbeschulen werden heraufgeschraubt, die Ansprüche an die wissenschaftliche Vorbildung der Bautechniker sollen herabgedrückt werden. Zu einer Zeit, in welcher in fast Gefahr drohender Weise sich die Spezialitäten entwickeln, um Freiheit in formeller Beziehung, Gründlichkeit auf beschränkterem Gebiet zu erlangen, soll hier, um alles unter einen Hut bringen zu können, die natürliche Verschiedenheit vernichtet werden; um alle unter diesen grossen Hut bringen zu können, soll der Kleine auf die Bank gestellt werden und der Grosse gebückt stehen. Liegt nun für uns eine Veranlassung vor, uns zu bücken? war das Maass unseres Wissens zu gross und das Maass unseres Könnens zu klein? Ich bestreite beides. Es ist recht, wenn wir gegen uns selbst eine strenge Kritik üben oder mit unseren Gesammtleistungen nicht zufrieden sind, aber ich glaube, nur wir haben dieses Recht dazu. Wie sich seit dem Anfang dieses Jahrhunderts, als in Armuth und Dürftigkeit der preussische Staat darnieder lag, bei dem Anfangs vollständigen Fehlen aller bedeutenden Aufgaben, deren nur die

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Zitationshilfe: Hobrecht, James: Über die Vorbildung für den Besuch des Polytechnikums. Berlin, 1878, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hobrecht_polytechnikum_1878/11>, abgerufen am 28.04.2024.