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Hobrecht, James: Über die Vorbildung für den Besuch des Polytechnikums. Berlin, 1878.

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Ist nun dieses Ziel, wie Bonitz meint, bei den Realschulen
nicht erreicht, und verwirft die Conferenz den lateinischen Unter¬
richt überhaupt aus diesem Grunde, so scheint es mir doch
näher zu liegen, die Ansprüche an die Kenntnisse dieser Sprache
wiederum so weit zu steigern, dass die Absichten der Unterrichts¬
verwaltung erreicht werden, nicht aber, weil man nicht genug
hatte, auch noch das Wenige wegzuwerfen; sei es so mit der
Gewerbeschule, für die ich zu reden keinen Beruf habe; fort aber
damit für jede Schule, welche die Vorbildung für unsern Beruf ge¬
währen soll; von dieser verlangen wir, was Bonitz von dem Gym¬
nasium sagt:

"Es ist nicht niedere Fachschule für irgend eine besondere
Wissenschaft, sondern hat dem aus ihr austretenden Schüler die
Wahl irgend einer der Wissenschaften offen zu lassen, deren Ver¬
einigung die Universität bildet; es hat daher durch elementare ein¬
dringende Beschäftigung für alle Hauptrichtungen des menschlichen
Wissens dasjenige auf Verständniss beruhende Interesse zu wecken,
von welchem aus Vertiefung in die einzelne Wissenschaft möglich
wird, ohne den Blick und die Werthschätzung für die nach andern
Zielen gehende Forschung zu verlieren. Diese Richtung auf allge¬
meine Bildung gegenüber der frühzeitigen Beschränkung des Blickes
auf ein einzelnes Gebiet, der ideale Zug zur Wissenschaft gegen¬
über der Beschränkung auf das unmittelbar praktisch Verwendbare
darf, wie er auch durch die Mängel der Ausführung getrübt sein
mag, als der Charakter bezeichnet werden, zu dem sich die Gym¬
nasien aus ihrer Aufgabe, zur Universität vorzubereiten, immer ent¬
schiedener entwickelt haben."

Bonitz spricht hier von der Universität. Schon Recht!
Aber wenn hieraus sich eine Unanwendbarkeit seiner Forderung
für uns ergeben sollte, so resultirt für mich nur der Schluss,
nicht, dass wir die Gymnasien entbehren könnten, sondern viel¬
mehr, dass die technische Hochschule, welche uns für unsern Beruf
vorbereitet, den Universitäten gleich formirt werden müsse.

Die Stellung, welche unsere Berufsgenossen, wer sie auch
seien, im Staat, in der Gesellschaft, in der Gemeinde und im Amt,
auch dem Einzelnen gegenüber, einzunehmen haben, verträgt
nicht den Mangel klassischer Bildung
. -- Die Aufgaben,
welche uns gestellt werden, verlangen, dass wir in Wort und Schrift

Ist nun dieses Ziel, wie Bonitz meint, bei den Realschulen
nicht erreicht, und verwirft die Conferenz den lateinischen Unter¬
richt überhaupt aus diesem Grunde, so scheint es mir doch
näher zu liegen, die Ansprüche an die Kenntnisse dieser Sprache
wiederum so weit zu steigern, dass die Absichten der Unterrichts¬
verwaltung erreicht werden, nicht aber, weil man nicht genug
hatte, auch noch das Wenige wegzuwerfen; sei es so mit der
Gewerbeschule, für die ich zu reden keinen Beruf habe; fort aber
damit für jede Schule, welche die Vorbildung für unsern Beruf ge¬
währen soll; von dieser verlangen wir, was Bonitz von dem Gym¬
nasium sagt:

„Es ist nicht niedere Fachschule für irgend eine besondere
Wissenschaft, sondern hat dem aus ihr austretenden Schüler die
Wahl irgend einer der Wissenschaften offen zu lassen, deren Ver¬
einigung die Universität bildet; es hat daher durch elementare ein¬
dringende Beschäftigung für alle Hauptrichtungen des menschlichen
Wissens dasjenige auf Verständniss beruhende Interesse zu wecken,
von welchem aus Vertiefung in die einzelne Wissenschaft möglich
wird, ohne den Blick und die Werthschätzung für die nach andern
Zielen gehende Forschung zu verlieren. Diese Richtung auf allge¬
meine Bildung gegenüber der frühzeitigen Beschränkung des Blickes
auf ein einzelnes Gebiet, der ideale Zug zur Wissenschaft gegen¬
über der Beschränkung auf das unmittelbar praktisch Verwendbare
darf, wie er auch durch die Mängel der Ausführung getrübt sein
mag, als der Charakter bezeichnet werden, zu dem sich die Gym¬
nasien aus ihrer Aufgabe, zur Universität vorzubereiten, immer ent¬
schiedener entwickelt haben.“

Bonitz spricht hier von der Universität. Schon Recht!
Aber wenn hieraus sich eine Unanwendbarkeit seiner Forderung
für uns ergeben sollte, so resultirt für mich nur der Schluss,
nicht, dass wir die Gymnasien entbehren könnten, sondern viel¬
mehr, dass die technische Hochschule, welche uns für unsern Beruf
vorbereitet, den Universitäten gleich formirt werden müsse.

Die Stellung, welche unsere Berufsgenossen, wer sie auch
seien, im Staat, in der Gesellschaft, in der Gemeinde und im Amt,
auch dem Einzelnen gegenüber, einzunehmen haben, verträgt
nicht den Mangel klassischer Bildung
. — Die Aufgaben,
welche uns gestellt werden, verlangen, dass wir in Wort und Schrift

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[13/0017] Ist nun dieses Ziel, wie Bonitz meint, bei den Realschulen nicht erreicht, und verwirft die Conferenz den lateinischen Unter¬ richt überhaupt aus diesem Grunde, so scheint es mir doch näher zu liegen, die Ansprüche an die Kenntnisse dieser Sprache wiederum so weit zu steigern, dass die Absichten der Unterrichts¬ verwaltung erreicht werden, nicht aber, weil man nicht genug hatte, auch noch das Wenige wegzuwerfen; sei es so mit der Gewerbeschule, für die ich zu reden keinen Beruf habe; fort aber damit für jede Schule, welche die Vorbildung für unsern Beruf ge¬ währen soll; von dieser verlangen wir, was Bonitz von dem Gym¬ nasium sagt: „Es ist nicht niedere Fachschule für irgend eine besondere Wissenschaft, sondern hat dem aus ihr austretenden Schüler die Wahl irgend einer der Wissenschaften offen zu lassen, deren Ver¬ einigung die Universität bildet; es hat daher durch elementare ein¬ dringende Beschäftigung für alle Hauptrichtungen des menschlichen Wissens dasjenige auf Verständniss beruhende Interesse zu wecken, von welchem aus Vertiefung in die einzelne Wissenschaft möglich wird, ohne den Blick und die Werthschätzung für die nach andern Zielen gehende Forschung zu verlieren. Diese Richtung auf allge¬ meine Bildung gegenüber der frühzeitigen Beschränkung des Blickes auf ein einzelnes Gebiet, der ideale Zug zur Wissenschaft gegen¬ über der Beschränkung auf das unmittelbar praktisch Verwendbare darf, wie er auch durch die Mängel der Ausführung getrübt sein mag, als der Charakter bezeichnet werden, zu dem sich die Gym¬ nasien aus ihrer Aufgabe, zur Universität vorzubereiten, immer ent¬ schiedener entwickelt haben.“ Bonitz spricht hier von der Universität. Schon Recht! Aber wenn hieraus sich eine Unanwendbarkeit seiner Forderung für uns ergeben sollte, so resultirt für mich nur der Schluss, nicht, dass wir die Gymnasien entbehren könnten, sondern viel¬ mehr, dass die technische Hochschule, welche uns für unsern Beruf vorbereitet, den Universitäten gleich formirt werden müsse. Die Stellung, welche unsere Berufsgenossen, wer sie auch seien, im Staat, in der Gesellschaft, in der Gemeinde und im Amt, auch dem Einzelnen gegenüber, einzunehmen haben, verträgt nicht den Mangel klassischer Bildung. — Die Aufgaben, welche uns gestellt werden, verlangen, dass wir in Wort und Schrift

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Zitationshilfe: Hobrecht, James: Über die Vorbildung für den Besuch des Polytechnikums. Berlin, 1878, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hobrecht_polytechnikum_1878/17>, abgerufen am 28.04.2024.