Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.Ja die Schilderung der Tugend kann den leb- Ja die Schilderung der Tugend kann den leb- <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0101" n="101"/> Ja die Schilderung der Tugend kann den leb-<lb/> haften Kopf grade auf das Laſter hinfuͤhren.<lb/> Was Tugend ſey, erkennt man aus dem ihr<lb/> entgegenſtehenden Laſter, die Grenzlinien ſind<lb/> aber ſo ſein, daß ſie nicht ein jeder bemerkt;<lb/> und wie viel ſchadet nicht die Neugierde? dies<lb/> iſt der boͤſe Daͤmon, der ſich zum Fuͤhrer in<lb/> das Labyrinth des Laſters anbietet. Ach! und<lb/> das Gift ſchleicht ſo unbemerkt in den ſorgloſen<lb/> Wanderer, durchgluͤhet ſeine Adern ehe er es<lb/> merkt. Schrecklich wird er geweckt, wenn er<lb/> am Abgrunde ſtehet, wenn das Feuer in ihm<lb/> wuͤthet und den lezten Keim ſeiner Ruhe auf-<lb/> zehrt — dann jammert er, verwuͤnſcht das Buch<lb/> worin er den Funken fand, der ſeine Leiden-<lb/> ſchaft entzuͤndete. Was fuͤr verfuͤhreriſche ſchluͤpf-<lb/> rige Buͤcher ſind im Umlauf die fuͤr die Ein-<lb/> bildung ein wahres Gift ſind, und ſo gar Kin-<lb/> der und niedere Leute leſen ſie. Wahrlich wer<lb/> die Seinigen lieb hat, wem Tugend und Un-<lb/> ſchuld der Menſchen etwas werth iſt, der wi-<lb/> derſetze ſich der Leſeſucht. Aeltern, Lehrer und<lb/> Obrigkeit ſollten ſich es zur Pflicht machen ein<lb/> wachſames Auge auf die ihnen Anvertraueten zu<lb/> haben, und ihre Lektuͤre zweckmaͤßig einzurichten.<lb/> Mir ſind Beiſpiele bekannt, daß ein Buch das<lb/> Gluͤck vieler jungen Leute auf immer zerruͤttet hat.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [101/0101]
Ja die Schilderung der Tugend kann den leb-
haften Kopf grade auf das Laſter hinfuͤhren.
Was Tugend ſey, erkennt man aus dem ihr
entgegenſtehenden Laſter, die Grenzlinien ſind
aber ſo ſein, daß ſie nicht ein jeder bemerkt;
und wie viel ſchadet nicht die Neugierde? dies
iſt der boͤſe Daͤmon, der ſich zum Fuͤhrer in
das Labyrinth des Laſters anbietet. Ach! und
das Gift ſchleicht ſo unbemerkt in den ſorgloſen
Wanderer, durchgluͤhet ſeine Adern ehe er es
merkt. Schrecklich wird er geweckt, wenn er
am Abgrunde ſtehet, wenn das Feuer in ihm
wuͤthet und den lezten Keim ſeiner Ruhe auf-
zehrt — dann jammert er, verwuͤnſcht das Buch
worin er den Funken fand, der ſeine Leiden-
ſchaft entzuͤndete. Was fuͤr verfuͤhreriſche ſchluͤpf-
rige Buͤcher ſind im Umlauf die fuͤr die Ein-
bildung ein wahres Gift ſind, und ſo gar Kin-
der und niedere Leute leſen ſie. Wahrlich wer
die Seinigen lieb hat, wem Tugend und Un-
ſchuld der Menſchen etwas werth iſt, der wi-
derſetze ſich der Leſeſucht. Aeltern, Lehrer und
Obrigkeit ſollten ſich es zur Pflicht machen ein
wachſames Auge auf die ihnen Anvertraueten zu
haben, und ihre Lektuͤre zweckmaͤßig einzurichten.
Mir ſind Beiſpiele bekannt, daß ein Buch das
Gluͤck vieler jungen Leute auf immer zerruͤttet hat.
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