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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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Eine empfindsame Seele wird das Unrecht, das
einem andern, nach ihrer Vorstellung, zugefügt
wird, doppelt empfinden, eben so auch alles
was lieblich klingt. Ob sie die Mittelstraße hal-
ten kann? eben so wenig als die rohe Seele.
Das ewige Schwatzen von Rechten der Mensch-
heit die jeder kennt und ehrt, mit Grunde ver-
theidigt wenn sie angegriffen werden, hat
so viele Frauenzimmer gewonnen, sie zu schwär-
enerischen Demokratinnen gemacht, daß es bei-
nahe ungewiß wird, ob es mehr männliche oder
weibliche Genossen dieses Namens giebt. Zu
ihrer Entschuldigung läßt sich indeß anführen,
daß man schon die kleinste Abweichung von dem
alten Schlendrian mit dem Namen Demokra-
tismus beehrt. Jnteresse, Geburt und andere
Verhältnisse wirken von dieser und der entge-
gengesetzten Seite. Das Mißtrauen unter den
Menschen in großen und kleinen Gesellschaften
hat so zugenommen, daß man Vertraulichkeit
und Heiterkeit vergebens sucht, zumal wenn
die höhere Kaste mit der etwas niedriger seyn
sollenden gemeinschaftlich an einem Vergnügen
Theil nimmt. -- Dies war gewiß des Schö-
pfers Absicht nicht bei der Anlage seiner Men-
schen aus Erde daß sie mistrauisch oder
neidisch auf einander seyn sollten.

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Eine empfindſame Seele wird das Unrecht, das
einem andern, nach ihrer Vorſtellung, zugefuͤgt
wird, doppelt empfinden, eben ſo auch alles
was lieblich klingt. Ob ſie die Mittelſtraße hal-
ten kann? eben ſo wenig als die rohe Seele.
Das ewige Schwatzen von Rechten der Menſch-
heit die jeder kennt und ehrt, mit Grunde ver-
theidigt wenn ſie angegriffen werden, hat
ſo viele Frauenzimmer gewonnen, ſie zu ſchwaͤr-
eneriſchen Demokratinnen gemacht, daß es bei-
nahe ungewiß wird, ob es mehr maͤnnliche oder
weibliche Genoſſen dieſes Namens giebt. Zu
ihrer Entſchuldigung laͤßt ſich indeß anfuͤhren,
daß man ſchon die kleinſte Abweichung von dem
alten Schlendrian mit dem Namen Demokra-
tismus beehrt. Jntereſſe, Geburt und andere
Verhaͤltniſſe wirken von dieſer und der entge-
gengeſetzten Seite. Das Mißtrauen unter den
Menſchen in großen und kleinen Geſellſchaften
hat ſo zugenommen, daß man Vertraulichkeit
und Heiterkeit vergebens ſucht, zumal wenn
die hoͤhere Kaſte mit der etwas niedriger ſeyn
ſollenden gemeinſchaftlich an einem Vergnuͤgen
Theil nimmt. — Dies war gewiß des Schoͤ-
pfers Abſicht nicht bei der Anlage ſeiner Men-
ſchen aus Erde daß ſie mistrauiſch oder
neidiſch auf einander ſeyn ſollten.

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[115/0115] Eine empfindſame Seele wird das Unrecht, das einem andern, nach ihrer Vorſtellung, zugefuͤgt wird, doppelt empfinden, eben ſo auch alles was lieblich klingt. Ob ſie die Mittelſtraße hal- ten kann? eben ſo wenig als die rohe Seele. Das ewige Schwatzen von Rechten der Menſch- heit die jeder kennt und ehrt, mit Grunde ver- theidigt wenn ſie angegriffen werden, hat ſo viele Frauenzimmer gewonnen, ſie zu ſchwaͤr- eneriſchen Demokratinnen gemacht, daß es bei- nahe ungewiß wird, ob es mehr maͤnnliche oder weibliche Genoſſen dieſes Namens giebt. Zu ihrer Entſchuldigung laͤßt ſich indeß anfuͤhren, daß man ſchon die kleinſte Abweichung von dem alten Schlendrian mit dem Namen Demokra- tismus beehrt. Jntereſſe, Geburt und andere Verhaͤltniſſe wirken von dieſer und der entge- gengeſetzten Seite. Das Mißtrauen unter den Menſchen in großen und kleinen Geſellſchaften hat ſo zugenommen, daß man Vertraulichkeit und Heiterkeit vergebens ſucht, zumal wenn die hoͤhere Kaſte mit der etwas niedriger ſeyn ſollenden gemeinſchaftlich an einem Vergnuͤgen Theil nimmt. — Dies war gewiß des Schoͤ- pfers Abſicht nicht bei der Anlage ſeiner Men- ſchen aus Erde daß ſie mistrauiſch oder neidiſch auf einander ſeyn ſollten. H 2

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/115>, abgerufen am 24.11.2024.