Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

klärt gehalten seyn wollten. Jene suchten man-
cher Betrügerei, auf den Grund zu kommen,
und diese posaunten aus -- Betrug. Noch
andere, die nicht so redlich dachten, nuzten
diese entdeckten Geistersehereien und erdichteten
Wunder, womit man andere täuschte, um alle
Wunder verdächtig zu machen. Was bei dem
einen gelang, konnte auch bei dem andern ge-
lingen. Konnte der Glaube an Wunder über-
haupt wankend gemacht werden, und dies war
hier möglich, warum nicht auch der Glaube an
die Wunder der Bibel?

Das Lesen so vieler Geistergeschichten macht
gleichgültig gegen schreckliche Auftritte; die Ein-
bildung schwebt zu sehr in grausenvollen See-
nen, und muß endlich ein Wohlbehagen daran
finden. Was zur Gewohnheit wird, unterdrückt
die Empfindung, und was sonst Schrecken und
Abscheu erregte, kann die Quelle des Vergnü-
gens werden. Beispiele darf ich wol nicht
anführen? Der Mensch kann an alles gewöhnt
werden, warum nicht auch an schreckliche Sce-
nen, und an einen vertraulichen Umgang mit
Geistern? zumal wenn seine Nerven eine
schwache Tendenz, wodurch, mag ich nicht un-
tersuchen, erhalten haben. -- Können einmal
Geister erscheinen: so ist kein Grund da, warum
sie nicht auch diesem oder jenem erscheinen soll-

klaͤrt gehalten ſeyn wollten. Jene ſuchten man-
cher Betruͤgerei, auf den Grund zu kommen,
und dieſe poſaunten aus — Betrug. Noch
andere, die nicht ſo redlich dachten, nuzten
dieſe entdeckten Geiſterſehereien und erdichteten
Wunder, womit man andere taͤuſchte, um alle
Wunder verdaͤchtig zu machen. Was bei dem
einen gelang, konnte auch bei dem andern ge-
lingen. Konnte der Glaube an Wunder uͤber-
haupt wankend gemacht werden, und dies war
hier moͤglich, warum nicht auch der Glaube an
die Wunder der Bibel?

Das Leſen ſo vieler Geiſtergeſchichten macht
gleichguͤltig gegen ſchreckliche Auftritte; die Ein-
bildung ſchwebt zu ſehr in grauſenvollen See-
nen, und muß endlich ein Wohlbehagen daran
finden. Was zur Gewohnheit wird, unterdruͤckt
die Empfindung, und was ſonſt Schrecken und
Abſcheu erregte, kann die Quelle des Vergnuͤ-
gens werden. Beiſpiele darf ich wol nicht
anfuͤhren? Der Menſch kann an alles gewoͤhnt
werden, warum nicht auch an ſchreckliche Sce-
nen, und an einen vertraulichen Umgang mit
Geiſtern? zumal wenn ſeine Nerven eine
ſchwache Tendenz, wodurch, mag ich nicht un-
terſuchen, erhalten haben. — Koͤnnen einmal
Geiſter erſcheinen: ſo iſt kein Grund da, warum
ſie nicht auch dieſem oder jenem erſcheinen ſoll-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0027" n="27"/>
kla&#x0364;rt gehalten &#x017F;eyn wollten. Jene &#x017F;uchten man-<lb/>
cher Betru&#x0364;gerei, auf den Grund zu kommen,<lb/>
und die&#x017F;e po&#x017F;aunten aus &#x2014; Betrug. Noch<lb/>
andere, die nicht &#x017F;o redlich dachten, nuzten<lb/>
die&#x017F;e entdeckten Gei&#x017F;ter&#x017F;ehereien und erdichteten<lb/>
Wunder, womit man andere ta&#x0364;u&#x017F;chte, um alle<lb/>
Wunder verda&#x0364;chtig zu machen. Was bei dem<lb/>
einen gelang, konnte auch bei dem andern ge-<lb/>
lingen. Konnte der Glaube an Wunder u&#x0364;ber-<lb/>
haupt wankend gemacht werden, und dies war<lb/>
hier mo&#x0364;glich, warum nicht auch der Glaube an<lb/>
die Wunder der Bibel?</p><lb/>
        <p>Das Le&#x017F;en &#x017F;o vieler Gei&#x017F;terge&#x017F;chichten macht<lb/>
gleichgu&#x0364;ltig gegen &#x017F;chreckliche Auftritte; die Ein-<lb/>
bildung &#x017F;chwebt zu &#x017F;ehr in grau&#x017F;envollen See-<lb/>
nen, und muß endlich ein Wohlbehagen daran<lb/>
finden. Was zur Gewohnheit wird, unterdru&#x0364;ckt<lb/>
die Empfindung, und was &#x017F;on&#x017F;t Schrecken und<lb/>
Ab&#x017F;cheu erregte, kann die Quelle des Vergnu&#x0364;-<lb/>
gens werden. Bei&#x017F;piele darf ich wol nicht<lb/>
anfu&#x0364;hren? Der Men&#x017F;ch kann an alles gewo&#x0364;hnt<lb/>
werden, warum nicht auch an &#x017F;chreckliche Sce-<lb/>
nen, und an einen vertraulichen Umgang mit<lb/>
Gei&#x017F;tern? zumal wenn &#x017F;eine Nerven eine<lb/>
&#x017F;chwache Tendenz, wodurch, mag ich nicht un-<lb/>
ter&#x017F;uchen, erhalten haben. &#x2014; Ko&#x0364;nnen einmal<lb/>
Gei&#x017F;ter er&#x017F;cheinen: &#x017F;o i&#x017F;t kein Grund da, warum<lb/>
&#x017F;ie nicht auch die&#x017F;em oder jenem er&#x017F;cheinen &#x017F;oll-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0027] klaͤrt gehalten ſeyn wollten. Jene ſuchten man- cher Betruͤgerei, auf den Grund zu kommen, und dieſe poſaunten aus — Betrug. Noch andere, die nicht ſo redlich dachten, nuzten dieſe entdeckten Geiſterſehereien und erdichteten Wunder, womit man andere taͤuſchte, um alle Wunder verdaͤchtig zu machen. Was bei dem einen gelang, konnte auch bei dem andern ge- lingen. Konnte der Glaube an Wunder uͤber- haupt wankend gemacht werden, und dies war hier moͤglich, warum nicht auch der Glaube an die Wunder der Bibel? Das Leſen ſo vieler Geiſtergeſchichten macht gleichguͤltig gegen ſchreckliche Auftritte; die Ein- bildung ſchwebt zu ſehr in grauſenvollen See- nen, und muß endlich ein Wohlbehagen daran finden. Was zur Gewohnheit wird, unterdruͤckt die Empfindung, und was ſonſt Schrecken und Abſcheu erregte, kann die Quelle des Vergnuͤ- gens werden. Beiſpiele darf ich wol nicht anfuͤhren? Der Menſch kann an alles gewoͤhnt werden, warum nicht auch an ſchreckliche Sce- nen, und an einen vertraulichen Umgang mit Geiſtern? zumal wenn ſeine Nerven eine ſchwache Tendenz, wodurch, mag ich nicht un- terſuchen, erhalten haben. — Koͤnnen einmal Geiſter erſcheinen: ſo iſt kein Grund da, warum ſie nicht auch dieſem oder jenem erſcheinen ſoll-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/27
Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/27>, abgerufen am 21.11.2024.