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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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ständige Harmonie treffen; sie ist auch durchaus
nicht möglich. Harmonie besteht nur in der Ab-
wechselung mit der Dishakmonie. --

Stehen nicht alle Schicksale der Menschen
in einem solchen Einklange? das fröhlige folgt
dem traurigen, das glückliche dem unglücklichen,
oder auch umgekehrt. Jedes verdient nur den
Namen in Beziehung auf das andere. Die ru-
hige und reine Auflösung, oder der Uebergang
von den unangenehmen zu den angenehmen Em-
pfindungen giebt den Grund der Beurtheilung
an. Vorbereitungen müssen nach den Regeln
der Kunst voraufgehen; der Stümper macht ei-
nen Sprung, der Meister nicht. Beyde kom-
men an das Ziel, nur in dem -- wie liegt der
Unterschied. Aber wird man Meister ohne
Uebung? Wer nie einen falschen Ton griff, wird
nie schön spielen, und wer nie einen Mißlaut
kannte, kennt auch keinen Wohllaut. Dein Jn-
strument war verstimmt, stimme es rein, trit
wieder an, und spiele deine Rolle so gut du
kannst, freue dich über den Geschicktern oder
beneide ihn, beides kann dir ein Sporn seyn
ihn zu übertreffen.

Was wir für Rollen spielen, meine Theuer-
ste? Sey sie welche es will, die uns zu Theil wur-
de, nur gut gespielt, und sie bleibt nicht ohne

ſtaͤndige Harmonie treffen; ſie iſt auch durchaus
nicht moͤglich. Harmonie beſteht nur in der Ab-
wechſelung mit der Dishakmonie. —

Stehen nicht alle Schickſale der Menſchen
in einem ſolchen Einklange? das froͤhlige folgt
dem traurigen, das gluͤckliche dem ungluͤcklichen,
oder auch umgekehrt. Jedes verdient nur den
Namen in Beziehung auf das andere. Die ru-
hige und reine Aufloͤſung, oder der Uebergang
von den unangenehmen zu den angenehmen Em-
pfindungen giebt den Grund der Beurtheilung
an. Vorbereitungen muͤſſen nach den Regeln
der Kunſt voraufgehen; der Stuͤmper macht ei-
nen Sprung, der Meiſter nicht. Beyde kom-
men an das Ziel, nur in dem — wie liegt der
Unterſchied. Aber wird man Meiſter ohne
Uebung? Wer nie einen falſchen Ton griff, wird
nie ſchoͤn ſpielen, und wer nie einen Mißlaut
kannte, kennt auch keinen Wohllaut. Dein Jn-
ſtrument war verſtimmt, ſtimme es rein, trit
wieder an, und ſpiele deine Rolle ſo gut du
kannſt, freue dich uͤber den Geſchicktern oder
beneide ihn, beides kann dir ein Sporn ſeyn
ihn zu uͤbertreffen.

Was wir fuͤr Rollen ſpielen, meine Theuer-
ſte? Sey ſie welche es will, die uns zu Theil wur-
de, nur gut geſpielt, und ſie bleibt nicht ohne

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[8/0008] ſtaͤndige Harmonie treffen; ſie iſt auch durchaus nicht moͤglich. Harmonie beſteht nur in der Ab- wechſelung mit der Dishakmonie. — Stehen nicht alle Schickſale der Menſchen in einem ſolchen Einklange? das froͤhlige folgt dem traurigen, das gluͤckliche dem ungluͤcklichen, oder auch umgekehrt. Jedes verdient nur den Namen in Beziehung auf das andere. Die ru- hige und reine Aufloͤſung, oder der Uebergang von den unangenehmen zu den angenehmen Em- pfindungen giebt den Grund der Beurtheilung an. Vorbereitungen muͤſſen nach den Regeln der Kunſt voraufgehen; der Stuͤmper macht ei- nen Sprung, der Meiſter nicht. Beyde kom- men an das Ziel, nur in dem — wie liegt der Unterſchied. Aber wird man Meiſter ohne Uebung? Wer nie einen falſchen Ton griff, wird nie ſchoͤn ſpielen, und wer nie einen Mißlaut kannte, kennt auch keinen Wohllaut. Dein Jn- ſtrument war verſtimmt, ſtimme es rein, trit wieder an, und ſpiele deine Rolle ſo gut du kannſt, freue dich uͤber den Geſchicktern oder beneide ihn, beides kann dir ein Sporn ſeyn ihn zu uͤbertreffen. Was wir fuͤr Rollen ſpielen, meine Theuer- ſte? Sey ſie welche es will, die uns zu Theil wur- de, nur gut geſpielt, und ſie bleibt nicht ohne

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/8>, abgerufen am 21.11.2024.