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Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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da er den Jungen auf seinen Armen hielt, machte seinen ersten und letzten Versuch zu lachen und schnitt dabei eine Grimasse, als ob er Galle verschluckt hätte.

Zwei Jahre drauf schnürte ich mein Bündel und ging zum Regiment. Ich war nie ein sonderlicher Seefahrer gewesen, und seit wir mit dem Holländer so nah verbunden waren, fühlte ich beinah ein Grausen vor dem Leben. So machte ich mich fort, und als ich am nächsten Morgen im Quartier den letzten Staub der Heimath aus meiner Friesjacke klopfte, meinte ich damit nun auch all des wilden Zeugs los und ledig zu sein. Aber in der Höh' wird nicht nach Menschengedanken über uns beschlossen.

Mittlerweile verging manch liebes Jahr, bevor ich wieder einmal nach Hause kam, und dort machte mir nichts Lust, lange zu verweilen, so daß ich schneller in die Garnison zurückkehrte, als ich eigentlich im Sinn gehabt, und bevor noch mein Urlaub abgelaufen war. Dann dachte ich so wenig als möglich an meinen nächsten Besuch, bis mich endlich nach geraumer Zeit wieder einmal die Sehnsucht nach der See, nach Mutter und Schwester überkam und mich schier gegen meinen Willen hintrieb. Erfreuliches aber fand ich wenig oder gar nichts; der Ruf meines Schwagers verschlimmerte sich von Jahr zu Jahr, und in eben dem Maß stieg seine Grämlichkeit, sein rauhes, wildes, unleidliches Wesen. Meine Alte kreuzigte und segnete sich bei jedem Wort über ihn; meine Schwester war trübselig und fast eine

da er den Jungen auf seinen Armen hielt, machte seinen ersten und letzten Versuch zu lachen und schnitt dabei eine Grimasse, als ob er Galle verschluckt hätte.

Zwei Jahre drauf schnürte ich mein Bündel und ging zum Regiment. Ich war nie ein sonderlicher Seefahrer gewesen, und seit wir mit dem Holländer so nah verbunden waren, fühlte ich beinah ein Grausen vor dem Leben. So machte ich mich fort, und als ich am nächsten Morgen im Quartier den letzten Staub der Heimath aus meiner Friesjacke klopfte, meinte ich damit nun auch all des wilden Zeugs los und ledig zu sein. Aber in der Höh' wird nicht nach Menschengedanken über uns beschlossen.

Mittlerweile verging manch liebes Jahr, bevor ich wieder einmal nach Hause kam, und dort machte mir nichts Lust, lange zu verweilen, so daß ich schneller in die Garnison zurückkehrte, als ich eigentlich im Sinn gehabt, und bevor noch mein Urlaub abgelaufen war. Dann dachte ich so wenig als möglich an meinen nächsten Besuch, bis mich endlich nach geraumer Zeit wieder einmal die Sehnsucht nach der See, nach Mutter und Schwester überkam und mich schier gegen meinen Willen hintrieb. Erfreuliches aber fand ich wenig oder gar nichts; der Ruf meines Schwagers verschlimmerte sich von Jahr zu Jahr, und in eben dem Maß stieg seine Grämlichkeit, sein rauhes, wildes, unleidliches Wesen. Meine Alte kreuzigte und segnete sich bei jedem Wort über ihn; meine Schwester war trübselig und fast eine

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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:37:13Z)

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Zitationshilfe: Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/16>, abgerufen am 24.11.2024.