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Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Tages aus unsern Betten stiegen, trat er ans Fenster, das ihr dort durch die Bäume sehet, und es aufmachend schaute er wie gewöhnlich hinaus. Das wird ein gesegneter Tag, sagte er; kommt und schaut hinaus, Ohm, es ist wie Frühling. Bei dem Wetter ist die See in acht Tagen auf, und es kann wieder los gehen. -- Ja, ja, versetzte ich eifrig, und auch wir können marschiren; ich denke, es gibt so einen kleinen Krieg mit dem Bonapart auf den Sommer. -- Gott geb's! entgegnete er, und so plauderten wir fort, bis es Zeit ward, uns für den Dienst anzuziehen. Als ich gerade die Uniform vom Nagel nehme, thut sich die Thüre auf, und der Unteroffizier vom Dienst, der mein guter Freund war, langt einen Brief aus unserer Heimat an Rolof herein, den ersten und letzten, den er je empfangen. Er war von seiner Braut, die ein fixes Ding war und von guten Schulkenntnissen. Geschriebene Schrift konnten wir Beide aber nicht lesen und eilten daher zu unserem Wirth, der uns das Schreiben nun vorlesen mußte. Ihr könnt euch denken, wie uns ward, da wir vernahmen, vor einigen Tagen habe man am Morgen auf dem Holzplatz, wo man den Rolof gefangen, eine Art Gerüst aus Stangen und Balken gesehen und daran habe die Leiche des Obercontroleurs gebaumelt. Man habe zwar an den Jan als Thäter gedacht, allein der sei damals gerade in S. gewesen und eben erst zurückgekehrt. Uebrigens

Tages aus unsern Betten stiegen, trat er ans Fenster, das ihr dort durch die Bäume sehet, und es aufmachend schaute er wie gewöhnlich hinaus. Das wird ein gesegneter Tag, sagte er; kommt und schaut hinaus, Ohm, es ist wie Frühling. Bei dem Wetter ist die See in acht Tagen auf, und es kann wieder los gehen. — Ja, ja, versetzte ich eifrig, und auch wir können marschiren; ich denke, es gibt so einen kleinen Krieg mit dem Bonapart auf den Sommer. — Gott geb's! entgegnete er, und so plauderten wir fort, bis es Zeit ward, uns für den Dienst anzuziehen. Als ich gerade die Uniform vom Nagel nehme, thut sich die Thüre auf, und der Unteroffizier vom Dienst, der mein guter Freund war, langt einen Brief aus unserer Heimat an Rolof herein, den ersten und letzten, den er je empfangen. Er war von seiner Braut, die ein fixes Ding war und von guten Schulkenntnissen. Geschriebene Schrift konnten wir Beide aber nicht lesen und eilten daher zu unserem Wirth, der uns das Schreiben nun vorlesen mußte. Ihr könnt euch denken, wie uns ward, da wir vernahmen, vor einigen Tagen habe man am Morgen auf dem Holzplatz, wo man den Rolof gefangen, eine Art Gerüst aus Stangen und Balken gesehen und daran habe die Leiche des Obercontroleurs gebaumelt. Man habe zwar an den Jan als Thäter gedacht, allein der sei damals gerade in S. gewesen und eben erst zurückgekehrt. Uebrigens

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[0046] Tages aus unsern Betten stiegen, trat er ans Fenster, das ihr dort durch die Bäume sehet, und es aufmachend schaute er wie gewöhnlich hinaus. Das wird ein gesegneter Tag, sagte er; kommt und schaut hinaus, Ohm, es ist wie Frühling. Bei dem Wetter ist die See in acht Tagen auf, und es kann wieder los gehen. — Ja, ja, versetzte ich eifrig, und auch wir können marschiren; ich denke, es gibt so einen kleinen Krieg mit dem Bonapart auf den Sommer. — Gott geb's! entgegnete er, und so plauderten wir fort, bis es Zeit ward, uns für den Dienst anzuziehen. Als ich gerade die Uniform vom Nagel nehme, thut sich die Thüre auf, und der Unteroffizier vom Dienst, der mein guter Freund war, langt einen Brief aus unserer Heimat an Rolof herein, den ersten und letzten, den er je empfangen. Er war von seiner Braut, die ein fixes Ding war und von guten Schulkenntnissen. Geschriebene Schrift konnten wir Beide aber nicht lesen und eilten daher zu unserem Wirth, der uns das Schreiben nun vorlesen mußte. Ihr könnt euch denken, wie uns ward, da wir vernahmen, vor einigen Tagen habe man am Morgen auf dem Holzplatz, wo man den Rolof gefangen, eine Art Gerüst aus Stangen und Balken gesehen und daran habe die Leiche des Obercontroleurs gebaumelt. Man habe zwar an den Jan als Thäter gedacht, allein der sei damals gerade in S. gewesen und eben erst zurückgekehrt. Uebrigens

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Zitationshilfe: Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/46>, abgerufen am 30.04.2024.